Die unwirksame 3-monatige Auskunftspflicht

Eine arbeitsvertragliche Klausel „Alle Ansprüche aus diesem Vertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb 3 Monaten, schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf der Fristen ist beiderseits die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen.“ ist in beiden Alternativen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Die unwirksame 3-monatige Auskunftspflicht

Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Ob es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, wofür die äußere Form spricht, bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB1.

Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das Bundesarbeitsgericht2.

Die Ausschlussfrist ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB insgesamt unwirksam. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich hier daraus, dass der Beginn der Ausschlussfrist in der ersten Alternative an das Entstehen und in der zweiten Alternative an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Damit ist nicht gewährleistet, dass dem Vertragspartner zur Geltendmachung seines Anspruchs mindestens drei Monate ab Fälligkeit verbleiben.

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Das Anknüpfen des Laufs der Ausschlussfrist an das Entstehen des Anspruchs führt zu einer unangemessenen Benachteiligung. Ob die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt erkennbar und durchsetzbar sind, ist nach der Klausel unerheblich. Das ist mit dem in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundgedanken unvereinbar.

Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist – neben dem Entstehen des Anspruchs (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist in Ausschlussfristen dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Fristbeginn die „Fälligkeit” der Ansprüche maßgebend ist3.

Fälligkeit im Sinne vereinbarter Ausschlussfristen tritt nicht stets ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein4. Der Begriff der Fälligkeit in Ausschlussfristen ist vielmehr unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen5. Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt einer Forderung können deshalb auseinanderfallen. Entstanden ist ein Anspruch schon in dem Augenblick, in dem die jeweiligen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Fällig wird der Anspruch, wenn sich die Leistungspflicht des Schuldners aktualisiert6. Seine Fälligkeit kann daher auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten7. Es muss dem Gläubiger tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen4. Durch das Anknüpfen an den Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs kann die Frist, die jedenfalls drei Monate ab Fälligkeit nicht unterschreiten darf8, unangemessen verkürzt sein9.

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In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall kann dem nicht entgegengehalten werden, dass die anspruchsbegründenden Umstände, d.h. das Ableisten von Überstunden, in der Sphäre des Arbeitnehmers, also mit seiner Kenntnis auftreten. Denn die Vertragsklausel muss abstrakt betrachtet jeder Konstellation standhalten können, weil sie nach ihrem Wortlaut „alle Ansprüche“ aus dem Vertrag erfasst.

Das Anknüpfen des Laufs der Ausschlussfrist an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung und ist damit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam10. Beginnt nämlich die Ausschlussfrist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen, kann das dazu führen, dass dem Gläubiger weniger als drei Monate Zeit verbleiben, um einen Anspruch geltend zu machen, wenn der Anspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Daher kann dahinstehen, ob in Ziff. 16 Arbeitsvertrag inhaltlich trennbare Ausschlussfristenregelungen enthalten sind, weil die in einem solchen Fall grundsätzlich mögliche Wirksamkeit der anderen Regelung in Anwendung des sog. blue-pencil-Tests11 hier nicht zum Tragen kommen kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. August 2019 – 5 AZR 425/18

  1. vgl. BAG 27.06.2012 – 5 AZR 530/11, Rn. 14 mwN[]
  2. BAG 19.12 2018 – 10 AZR 233/18, Rn. 35 mwN; vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen BAG 19.12 2018 – 10 AZR 130/18, Rn.19 mwN[]
  3. vgl. BAG 1.03.2006 – 5 AZR 511/05, Rn. 14 mwN, BAGE 117, 165; CKK/Klumpp AGB-Arbeitsrecht 2. Aufl. § 307 BGB Rn. 120[]
  4. BAG 27.03.2019 – 5 AZR 71/18, Rn. 34[][]
  5. BAG 14.11.2018 – 5 AZR 301/17, Rn. 27, BAGE 164, 159; 28.06.2018 – 8 AZR 141/16, Rn. 43[]
  6. vgl. BAG 14.12 2004 – 9 AZR 33/04, zu II 2 b aa der Gründe[]
  7. BAG 19.02.2014 – 5 AZR 700/12, Rn. 23 mwN; 19.06.2018 – 9 AZR 615/17, Rn. 58, BAGE 163, 72[]
  8. BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, zu II 5 der Gründe, BAGE 116, 66[]
  9. vgl. BAG 19.06.2018 – 9 AZR 615/17, Rn. 58, aaO[]
  10. BAG 1.03.2006 – 5 AZR 511/05, Rn. 14, BAGE 117, 165; HWK/Roloff 8. Aufl. Anhang §§ 305 – 310 BGB Rn. 11; Staudinger/Richardi/Fischinger (2016) BGB § 611 Rn. 1661[]
  11. vgl. BAG 16.05.2012 – 5 AZR 251/11, Rn. 37, BAGE 141, 340; 27.01.2016 – 5 AZR 277/14, Rn. 23, BAGE 154, 93[]
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