Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.

Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden1.
§ 37 Abs. 4 BetrVG garantiert dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten2. Die Entgeltentwicklung des Betriebsratsmitglieds darf aber während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung nicht zurückbleiben3.
Vergleichbar iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren4. Für die Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer ist auch dann der Zeitpunkt der Amtsübernahme maßgeblich, wenn das Betriebsratsmitglied zu einem späteren Zeitpunkt von der beruflichen Tätigkeit freigestellt wird5.
Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann6. Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht. Nicht ausreichend ist es, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einem vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden hat. Eine Betriebsüblichkeit der beruflichen Entwicklung liegt nicht vor, wenn die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruht7.
Dabei kann das Betriebsratsmitglieds allerdings nicht aufgrund einer Durchschnittsbetrachtung aller Arbeitnehmer, welche einer bestimmten Tätigkeitsgruppe zugehörig sind, beanspruchen, dass sich sein Arbeitsentgelt jährlich stichtagsbezogen und dynamisch an deren Vergütung ausrichtet. Schon aufgrund der von ihm begehrten Durchschnittsbetrachtung bewirkte jede Erhöhung des Basisjahresgehalts eines der genannten Arbeitnehmer eine Steigerung seines Arbeitsentgelts. Im Ergebnis wäre die Arbeitgeberin selbst dann zu einer Nachzeichnung des Arbeitsentgelts verpflichtet, wenn die (künftige) Erhöhung der Vergütung auch nur einer Vergleichsperson auf Gründen beruht, die keiner betriebsüblichen beruflichen Entwicklung entsprechen, also etwa auf diese persönlich zugeschnitten sind. Damit verkennt das Betriebsratsmitglied, dass § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG als Entgeltschutzvorschrift (nur) einen Anspruch auf die Mindestvergütung in Höhe des Arbeitsentgelts (ursprünglich) vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung gewährt. Dem Arbeitgeber ist es untersagt, das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds „geringer“ zu bemessen als das eines vergleichbaren Arbeitnehmers mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Maßstab sind nicht die „an sich“ vergleichbaren Arbeitnehmer, sondern solche „mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. In diesem Zusammenhang kann für ein (auch) künftiges Anpassungsverlangen wie das vorliegende nicht allein die berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer in der Vergangenheit maßgeblich sein. Anderenfalls bliebe das Merkmal der Betriebsüblichkeit in § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohne eigenständige Bedeutung8. Einen (beschränkenden) Vorbehalt, wonach die genannten Arbeitnehmer nur insoweit für die begehrte Zahlungsverpflichtung relevant sein sollen, wie die Höhe ihres Arbeitsentgelts auf einer betriebsüblichen beruflichen Entwicklung beruht, kann dem Feststellungsbegehren nicht entnommen werden. Er bedingte im Übrigen auch dessen Unbestimmtheit.
Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall kam noch hinzu, dass das Betriebsratsmitglied nicht dargetan hat, dass die Jahresgehälter der Arbeitnehmer der von ihm gebildeten Vergleichsgruppe (sämtlich) auf einer betriebsüblichen beruflichen Entwicklung beruhen.
Die beanspruchte Verpflichtung zur Zahlung der durchschnittlichen Gehaltssteigerung der benannten Arbeitnehmer vermag nicht mit den Maßgaben das Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung zu unterschiedlichen Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe begründet zu werden. Nach diesen kommt es hinsichtlich der anzupassenden Vergütungshöhe darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben worden sind. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein9. Das setzt aber (zunächst) voraus, dass die Vergleichspersonen einschließlich einer Betriebsüblichkeit deren beruflicher Entwicklung „an sich“ feststehen10; selbst bei der Vergleichbarkeit des Amtsträgers mit nur einem Arbeitnehmer kann hierauf nicht verzichtet werden11. Das Betriebsratsmitglied verkennt, dass die Durchschnittsbetrachtung bei einer sehr kleinen Vergleichsgruppe die Höhe der Entgeltanpassung betrifft und keine aus ihr zu schließende quantifizierbare Betriebsüblichkeit der beruflichen Entwicklung von Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren12.
Auch unter Heranziehung des tätigkeitsbezogenen Sicherungsanspruchs von § 37 Abs. 5 BetrVG hat sich das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 4 BetrVG an dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung zu orientieren. Maßgebender Zeitpunkt für den Vergleich ist zunächst der Zeitpunkt der Wahl des Betriebsratsmitglieds, also der Zeitpunkt, in dem sich dieses noch ausschließlich seiner beruflichen Tätigkeit gewidmet hat13, sowie bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats der Zeitpunkt ihres Nachrückens in den Betriebsrat14. Das gilt auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder15.
Mit dem Entgeltschutz nach § 37 Abs. 4 BetrVG (ebenso wie mit dem Tätigkeitsschutz nach § 37 Abs. 5 BetrVG) soll sichergestellt sein, dass Mitglieder des Betriebsrats gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit üblicher beruflicher Entwicklung keine wirtschaftlichen (oder beruflichen) Nachteile erleiden. Weil das Betriebsratsmitglied wegen der Übernahme des Amts nicht oder nicht in gleichem Umfang in den Arbeitsprozess eingegliedert ist16, soll sein Arbeitsentgelt (seine Tätigkeit) grundsätzlich demjenigen (derjenigen) entsprechen, das es verdient haben (der er nachgehen) würde, wenn es das Betriebsratsamt nicht übernommen und deshalb eine bessere berufliche Entwicklung genommen hätte. Vor dem Hintergrund dieses Schutzzwecks ist nach der Regelungskonzeption von § 37 Abs. 4 und Abs. 5 BetrVG im Sinn eines Mindestschutzes keine Annahme über die individuelle berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds anzustellen, sondern bei der Bemessung des Arbeitsentgelts (bei der Zuweisung einer beruflichen Tätigkeit) das Arbeitsentgelt (die Tätigkeit) vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung heranzuziehen. Maßgeblich ist also schutzzweckbezogen nicht die hypothetische Entwicklung des Betriebsratsmitglieds selbst, sondern die betriebliche Weiterentwicklung, die ein vergleichbarer Arbeitnehmer nach den betriebsüblichen Umständen durchläuft.
Dieser Schutzzweck greift grundsätzlich nicht, wenn das Betriebsratsmitglied mit dem Arbeitgeber dauerhaft eine andere, gegenüber der Tätigkeit bei seiner Amtsaufnahme geringerwertige Tätigkeit vereinbart und sich die Arbeitsvertragsparteien zugleich entsprechend dem im Betrieb zur Anwendung kommenden Vergütungssystem auf eine dieser Tätigkeit entsprechende, niedrigere Vergütung verständigen. Weder statuiert § 37 Abs. 4 BetrVG eine dahingehende prinzipielle „vertragliche Veränderungssperre“ noch ist in solch einem Fall der vom Betriebsratsmitglied erlittene „Nachteil“ typischerweise betriebsratsamtsbedingt. Dem steht nicht entgegen, dass § 37 Abs. 4 (und Abs. 5) BetrVG als Ausprägung des Benachteiligungsverbots des § 78 Satz 2 BetrVG und wesentlicher Teil des Regelungskomplexes in § 37 BetrVG zwingend ist17. Es geht in solch einer Konstellation nicht darum, dass die Arbeitsvertragsparteien die Rechtsfolgen des Anspruchs nach § 37 Abs. 4 (oder Abs. 5) BetrVG abbedingen, sondern dass sich die dem Anspruch zugrundeliegenden Tatsachen ändern. Als Ausprägung und Konkretisierung von § 78 Satz 2 BetrVG schützt § 37 Abs. 4 (ebenso wie Abs. 5) BetrVG das Betriebsratsmitglied vor Benachteiligungen; seine Maßgaben dürfen aber nicht ihrerseits zu einer über die konzeptionelle Normausgestaltung hinausgehenden Besserstellung des Betriebsratsmitglieds führen. Um eine solche handelte es sich aber, wenn ein (und sei es noch) nicht gemäß § 38 BetrVG von der beruflichen Tätigkeit freigestelltes Betriebsratsmitglied, das nach der Amtsübernahme mit dem Arbeitgeber eine geringerwertigere Tätigkeit und ein entsprechend abgesenktes Entgelt vereinbart, allein aufgrund seiner Stellung als Betriebsratsmitglied Anspruch auf eine Vergütung (und Vergütungsanpassung) entsprechend der ursprünglich vereinbarten höherwertigen Tätigkeit hätte.
Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Eine Benachteiligung in diesem Sinn ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht18. Daher kann sich etwa im Fall einer wegen der Betriebsratstätigkeit notwendigen Versetzung des Betriebsratsmitglieds sein Arbeitsentgelt gleichwohl nach dem Arbeitsentgelt der nach seinem bisherigen Arbeitsplatz vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung bemessen19.
Zwar kann ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Zahlung einer höheren Vergütung auch aus § 78 Satz 2 BetrVG folgen. § 37 Abs. 4 BetrVG ist keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts eines Betriebsratsmitglieds. Mit dieser Vorschrift ist lediglich die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots durch einfacher nachzuweisende Anspruchsvoraussetzungen erleichtert; daneben kann aber ein unmittelbarer Anspruch auf eine bestimmte Vergütung aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 78 Satz 2 BetrVG bestehen, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. § 78 Satz 2 BetrVG enthält ein an den Arbeitgeber gerichtetes allgemeines Verbot, das Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsratsmitglied daher eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die es ohne seine Amtstätigkeit durchlaufen hätte. Von dem Benachteiligungsverbot wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt erfasst20.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. November 2022 – 7 AZR 122/22
- BAG 14.10.2020 – 7 AZR 286/18, Rn.20 mwN[↩]
- BAG 18.01.2017 – 7 AZR 205/15, Rn. 15[↩]
- vgl. BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn.20 mwN[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 21 mwN[↩]
- BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 24 ff.[↩]
- BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 22; 18.01.2017 – 7 AZR 205/15, Rn. 16[↩]
- vgl. BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 22 mwN; vgl. zu letzterem Aspekt auch bereits BAG 13.11.1987 – 7 AZR 550/86, zu III 3 a der Gründe[↩]
- vgl. BAG 17.08.2005 – 7 AZR 528/04, zu 1 b bb (1) der Gründe[↩]
- vgl. BAG 21.02.2018 – 7 AZR 587/16, Rn. 27; 21.02.2018 – 7 AZR 496/16, Rn. 29[↩]
- vgl. dazu BAG 21.02.2018 – 7 AZR 587/16, Rn.19; 21.02.2018 – 7 AZR 496/16, Rn.20 f.[↩]
- vgl. BAG 17.08.2005 – 7 AZR 528/04, zu 1 b bb (1) der Gründe; 13.11.1987 – 7 AZR 550/86, zu IV der Gründe[↩]
- vgl. im Einzelnen auch ausf. BAG 19.01.2005 – 7 AZR 208/04, zu II der Gründe[↩]
- vgl. BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn.20 f. mwN; ebenso zB DKW/Wedde 18. Aufl. § 37 Rn. 88; Weber GK-BetrVG 12. Aufl. § 37 Rn. 144 und 146; Fitting 31. Aufl. § 37 Rn. 119; Richardi/Thüsing BetrVG 17. Aufl. § 37 Rn. 71[↩]
- BAG 15.01.1992 – 7 AZR 194/91, zu II 1 a der Gründe[↩]
- vgl. BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 24 f.[↩]
- Richardi/Thüsing BetrVG 17. Aufl. § 37 Rn. 69[↩]
- vgl. BAG 18.01.2017 – 7 AZR 205/15, Rn. 22[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG 18.05.2016 – 7 AZR 401/14, Rn. 21 mwN[↩]
- vgl. Richardi/Thüsing BetrVG 17. Aufl. § 37 Rn. 77[↩]
- zu all dem BAG 22.01.2020 – 7 AZR 222/19, Rn. 29[↩]