Die versäumte Klagefrist bei der Kündigungsschutzklage und das Anwaltsverschulden

Das Verschulden eines (Prozess-)Bevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG) bei einer Kündigungsschutzklage ist, wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden hat, dem klagenden Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Die versäumte Klagefrist bei der Kündigungsschutzklage und das Anwaltsverschulden

Die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bejaht die Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten bei der Nichteinhaltung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG. Gestützt wird die Zurechnung auf § 85 Abs. 2 ZPO entweder in direkter oder analoger Anwendung1. Begründet wird die Zurechnung insbesondere damit, bei der Klagefrist handele es sich um eine prozessuale Frist, auf die die Regelung des § 85 Abs. 2 ZPO Anwendung finde. Nach der Gegenansicht ist eine Zurechnung des Verschuldens eines Bevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu verneinen2. Zur Begründung wird ua. darauf verwiesen, bei der Klagefrist handele es sich nicht um eine prozessuale, sondern um eine materiell-rechtliche Frist3. Grundsätzlich müsse auf die Sorgfaltspflichten des Arbeitnehmers selbst und nicht auf diejenigen des Prozessbevollmächtigten abgestellt werden. Durch eine Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten werde der Zugang zum Gericht unnötig erschwert, was mit der sozialen Zielsetzung des Kündigungsschutzes nicht vereinbar sei4.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Zurechnung des Verschuldens des (Prozess-)Bevollmächtigten gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 85 Abs. 2 ZPO erfolgen.

Aus dem Wortlaut des § 5 KSchG ergibt sich nicht, dass allein auf die Situation des einzelnen Arbeitnehmers und dessen Kenntnisstand bzw. auf sein alleiniges Verschulden abzustellen ist5. Zwar verweist § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG auf den „Arbeitnehmer“ und die „ihm“ zuzumutende Sorgfalt. Daraus folgt aber keine Sperre für eine jegliche Zurechnung von Versäumnissen des Bevollmächtigten. Eine solche Sichtweise ist mit dem Prinzip der (unmittelbaren) Stellvertretung und der Regelungstechnik des Gesetzgebers nicht in Einklang zu bringen. Der Arbeitnehmer kann sich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage von einem (Prozess-)Bevollmächtigten vertreten lassen. Ebenso wenig wie die Formulierung „auf seinen Antrag“ iSd. § 5 Abs. 1 KSchG als „seinen höchstpersönlichen Antrag“ verstanden werden kann, kann aus der Formulierung „ihm zuzumutenden Sorgfalt“ hergeleitet werden, es komme ausschließlich auf ihn in Person an, und dies, obgleich eine Vertretung bei der Antragstellung möglich ist und der Gesetzgeber hierfür „vor die Klammer gezogene“ allgemeine Vorschriften geschaffen hat. Dies entspricht der üblichen Regelungstechnik des Gesetzgebers, ansonsten stetig erforderliche Wiederholungen bei den einzelnen „besonderen“ Vorschriften zu vermeiden. So stellt beispielsweise § 233 ZPO, auf den § 85 Abs. 2 ZPO unstreitig Anwendung findet, auf „ihr Verschulden“ einer Partei ab. Aus dem auf die Person des Arbeitnehmers bezogenen Wortlaut des § 5 KSchG kann deshalb nicht geschlossen werden, Versäumnisse des Bevollmächtigten könnten dem Arbeitnehmer nicht zugerechnet werden6.

§ 85 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich anwendbar. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ordnet für das Urteilsverfahren im ersten Rechtszug grundsätzlich eine entsprechende Geltung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten und damit auch der allgemeinen vor den Amtsgerichten geltenden Vorschriften (§§ 495 ff. iVm. §§ 1 – 252 ZPO) an. Diese Anwendbarkeit kann nicht mit dem Argument abgelehnt werden, bei der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG handele es sich um eine materiell-rechtliche und keine prozessuale Frist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Frist des § 4 Satz 1 KSchG eine prozessuale Klageerhebungsfrist und nicht als materiell-rechtliche Frist zu qualifizieren7.

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Die Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO ist auch nicht auf bestimmte Typen prozessualer Fristen (bspw. Rechtsmittel-/Rechtsbehelfs-, Rechtsmittelbegründungs- oder Präklusionsfristen) beschränkt. Die Regelung erfasst auch solche Fristen, die erstmalig – wie § 4 Satz 1 KSchG – den Zugang zum Gericht eröffnen8. Nach seinem Wortlaut erfasst die Regelung die gesamte Prozessführung im Arbeitsgerichtsprozess einschließlich der Verfahrenseinleitung. Eine Differenzierung ist nicht vorgesehen. Dabei können Konsequenzen einer versäumten Rechtsmittelfrist ebenso einschneidend für den Arbeitnehmer sein und ein existenzielles Ausmaß annehmen wie die Versäumung der Klagefrist9 . Die mit materiell-rechtlichen Folgen versehene Fristbindung der Kündigungsschutzklage stellt deshalb auch keine Besonderheit des Rechtsschutzsystems dar, die es rechtfertigen würde, die sonst bei fristgebundenen Rechtsmitteln vorgesehene Zurechnung des Vertreterverschuldens abweichend zu behandeln10 . Der Vertrauenstatbestand, den der Gesetzgeber den Fristen des KSchG beimisst, ist dem der anderen sog. Prozessfristen vergleichbar11. Es würde zu Wertungswidersprüchen führen, wenn ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten hier folgenlos bliebe, der gleiche Fehler ihm bei der Einlegung der Berufung aber zugerechnet würde12.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, so das BAG, ebenfalls nicht. Die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG), die Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten es nicht, von einer Zurechnung des Vertreterverschuldens bei der Klageerhebung abzusehen13. Zwar folgt aus dem aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes, dass dem Bürger der Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf14.

Diese Grundsätze verbieten aber eine Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten bei der Versäumung der Klagefrist nicht. Der Zugang zu Gericht und der wirkungsvolle Rechtsschutz werden dadurch nicht unzumutbar erschwert. Auch der Grundsatz des fairen Verfahrens wird nicht verletzt. Der Arbeitnehmer trägt lediglich das mit der Einschaltung eines Dritten im Rechtsverkehr verbundene Risiko15. Durch die Einschaltung eines Dritten wird sich für den Betroffenen regelmäßig der Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz verbessern. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, die durch den Dritten verursachten Fehler und Versäumnisse, insbesondere die Versäumung einer Klagefrist, verantworten zu müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist § 85 Abs. 2 ZPO deshalb mit dem Grundgesetz vereinbar und eine durch ein Vertreterverschulden bewirkte Verkürzung gerichtlichen Rechtsschutzes durch das Interesse der Gewährleistung von Rechtssicherheit als wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit gerechtfertigt16.

Der Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass eine Partei, die ihren Prozess durch einen Vertreter führt, sich in jeder Weise so behandeln lassen muss, als wenn sie den Prozess selbst geführt hätte. Die Heranziehung eines Vertreters soll nicht zu einer Verschiebung des Prozessrisikos zu Lasten des Gegners führen17. Ohne eine Zurechnung des Vertreterverschuldens würde dieses Risiko zu Lasten des Gegners verschoben. Die vertretene Partei könnte sich auf ihr fehlendes Eigenverschulden berufen und zum Nachteil der anderen Partei die betreffende Prozesshandlung mit fristwahrender Wirkung nachholen. Die andere Partei müsste stets einkalkulieren, dass die Fristversäumung durch ihren Gegner nicht auf dessen eigenem Verschulden, sondern auf nicht zurechenbarem Vertreterverschulden beruht. Der Umstand, dass das Verfahrensrecht der Partei gestattet, sich eines Vertreters zu bedienen, soll aber eben nicht dazu führen, das Prozessrisiko zu Lasten des Gegners zu vergrößern18. Der Vertreter hat nach dem Repräsentationsprinzip nicht nur die Rechte der Partei wahrzunehmen, sondern muss in gleicher Weise auch ihre Pflichten erfüllen19, beispielsweise fristgemäß Kündigungsschutzklage erheben. Deshalb fallen Unterlassungen von gebotenen Prozesshandlungen in die Risikosphäre der Partei. Wie im materiellen Recht die Willenserklärungen des Vertreters nicht nur für, sondern auch gegen den Vertretenen wirken (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB), gilt Entsprechendes auch im Prozessrecht für Prozesshandlungen. Die in § 85 Abs. 2 ZPO angeordnete Verschuldenszurechnung setzt die nach § 85 Abs. 1 ZPO stattfindende Zurechnung der Prozesshandlungen auf der Verschuldensebene fort. Der Bevollmächtigte repräsentiert die Partei in jeder Hinsicht20. Eine Ablehnung der Verschuldenszurechnung im Rahmen der Frist des § 4 Satz 1 KSchG und eine etwaige nachträgliche Zulassung der Klage stünden im Übrigen im Gegensatz zu dem vom Kündigungsschutzgesetz anerkannten Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst baldigen Klarheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses21 und würde zu einer Risikoverschiebung zu Lasten des Gegners führen, die aber gerade nach dem Sinn und Zweck des § 85 Abs. 2 ZPO verhindert werden soll. Die genannten Fristen dienen der Beendigung eines Schwebezustands und damit dem Rechtsfrieden. Die von § 4 Satz 1 KSchG gewünschte Rechtssicherheit und -klarheit lässt § 5 KSchG im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit zurücktreten, aber – wiederum im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit – nur unter den engen gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 KSchG22.

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Auch wird der Arbeitnehmer durch eine Zurechnung des Verschuldens des Bevollmächtigten nicht völlig schutzlos gestellt. Wenn auch oft Kausalität und Schaden nicht immer leicht zu beweisen sein werden, verbleibt den Betroffenen ein Regressanspruch gegen den Prozessbevollmächtigten23. Zwar ist dieser auf Schadensersatz in Geld gerichtete Anspruch nicht geeignet, den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solchen komplett zu kompensieren. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit einer Zurechnung des Anwaltsverschuldens mit dem Grundgesetz für Verfahren festgestellt, die sogar deutlich intensiver in höchstpersönliche und damit einem Regress nicht zugängliche Rechtspositionen eingreifen als das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren24.

Schließlich ist § 85 Abs. 2 ZPO auch nicht erst nach Erhebung der Kündigungsschutzklage anwendbar, sondern schon im Vorfeld einer Klageerhebung25. Die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO verlangt noch kein bestehendes Prozessrechtsverhältnis26 oder eine Prozessvollmacht im „strengen“ Sinn27. Ausreichend ist das Bestehen eines wirksamen Mandats im Innenverhältnis28 . Weder kann nach dem Wortlaut davon ausgegangen werden, dass ein Prozessrechtsverhältnis schon vorliegen müsse, noch aufgrund eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals. In § 85 Abs. 2 KSchG ist ausschließlich vom „Bevollmächtigten“ die Rede, nicht aber vom „Prozessbevollmächtigten“. Selbst wenn man aufgrund der Tatsache, dass der Vierte Teil des 2. Abschnitts im 1. Buch der ZPO mit „Prozessbevollmächtigter und Beistände“ überschrieben ist, aus systematischen Gründen davon ausginge, mit dem Bevollmächtigten sei ausschließlich ein Prozessbevollmächtigter gemeint, ließe sich daraus das Erfordernis eines Prozessrechtsverhältnisses nicht herleiten. Bevollmächtigter wird der Beauftragte nämlich schon mit Erteilung einer Prozessvollmacht und einer entsprechenden Mandatierung29.

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Soweit § 85 Abs. 1 ZPO von „Prozesshandlungen“ spricht, ist dies ebenfalls nicht notwendig mit der Existenz eines Prozessrechtsverhältnisses verknüpft. So ist zB die ein Prozessrechtsverhältnis erst begründende Klageerhebung bereits eine Prozesshandlung. § 85 Abs. 2 ZPO differenziert nicht danach, ob es sich um eine Prozesshandlung innerhalb eines bereits anhängigen Verfahrens handelt oder es um die Einleitung eben dieses Verfahrens geht30 . Vielmehr ist die Norm auf die gesamte Prozessführung, das heißt alle Prozesshandlungen und Unterlassungen von Prozesshandlungen, anwendbar. Schon die – beabsichtigte – Erhebung einer Klage stellt daher eine solche „Prozesshandlung“ iSd. § 85 ZPO dar. Die Unterlassung einer gebotenen Prozesshandlung hat demnach den notwendigen prozessualen Bezug. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO ist lediglich, dass zur beabsichtigten Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses eine (Prozess-)Vollmacht erteilt wird und ein rechtswirksam begründetes Auftragsverhältnis zugrunde liegt, nicht aber, dass bereits ein Prozessrechtsverhältnis besteht31.

Der dargestellten Anwendbarkeit des § 85 Abs. 2 ZPO steht nicht der Umstand entgegen, dass im Rahmen einer bloßen Rechtsberatung eines gekündigten Arbeitnehmers durch einen Rechtsanwalt, anders als bei dessen Mandatierung unter Erteilung einer Prozessvollmacht, eine Zurechnung des Anwaltverschuldens nach § 85 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet. Darin liegt kein Wertungswiderspruch. Vielmehr rechtfertigt sich das Ergebnis als Konsequenz aus der Einschaltung eines Stellvertreters32. Die gewillkürte Stellvertretung beruht auf der vom Arbeitnehmer erteilten Vollmacht, deren Umfang er selbst bestimmt. Vom Umfang der Vollmacht hängt wiederum der Kreis der Prozesshandlungen ab, für die das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichsteht33. Der Arbeitnehmer, der eine Prozessvollmacht erteilt, hat selbst seinen Wirkungskreis zur effektiven Durchsetzung seiner Rechte und der Inanspruchnahme der Gerichte erweitert. Er hat sich der alleinigen Verantwortung für die Erfüllung der Obliegenheit, Fristen zu wahren, begeben34. Ebenso wie ihm ein rechtzeitiges und korrektes Handeln seines Prozessbevollmächtigten zugute kommt, kann ihm dessen verspätetes Tätigwerden schaden. Der Arbeitnehmer, der sich lediglich von einem Rechtsanwalt beraten lässt, ist demgegenüber nach wie vor auf seine eigene Initiative angewiesen, die Klage rechtzeitig zu erheben. Er behält die Verantwortung für die rechtzeitige Klageerhebung und delegiert sie nicht.

Auch die Gesetzgebungsgeschichte35 und der Sinn und Zweck der Regelungen sprechen für eine Zurechnung des Vertreterverschuldens36. Aus der Begründung zu § 4 KSchG 1951 geht hervor, dass die nachträgliche Klagezulassung der Wiedereinsetzung entsprechen sollte. So heißt es in der Begründung des Entwurfs eines Kündigungsschutzgesetzes der Bundesregierung37: „Bei schuldloser Fristversäumung ist, wie im früheren Recht, eine nachträgliche Zulassung der Klage vorgesehen, § 4. Die Vorschrift entspricht den in den Ländergesetzen der amerikanischen Zone über diese Frage getroffenen Vorschriften.“ Dies spricht für eine Zurechnung des Vertreterverschuldens nach § 232 Abs. 2 ZPO aF, der ehemals im Zusammenhang des Wiedereinsetzungsrechts geregelten Zurechnungsnorm, an deren Stelle § 85 Abs. 2 ZPO getreten ist38. Auch gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolgen des § 85 Abs. 2 ZPO für die Erhebung der Kündigungsschutzklage und deren nachträgliche Zulassung nach dem Kündigungsschutzgesetz einschränken wollte39. Die Lösung des § 85 Abs. 2 ZPO aus ihrem ehemaligen Zusammenhang mit dem Wiedereinsetzungsrecht (§ 232 Abs. 2 ZPO aF) spricht vielmehr zusätzlich gegen eine Beschränkung der Anwendbarkeit der Vorschrift auf bestimmte Typen prozessualer Fristen30. Vielmehr wurde der Charakter der Vorschrift als allgemeine über den Regelungskomplex der Wiedereinsetzung hinaus geltende Zurechnungsnorm und allgemeiner Grundsatz für die Prozessvertretung, der ihr auch bis dahin schon beigemessen wurde, festgeschrieben40.

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Der Zurechnung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Klagefrist steht schließlich nicht entgegen, dass der Gesetzgeber diese im Zuge der Änderung des § 5 KSchG mit Wirkung ab 1. April 2008 im Bewusstsein dieser Problematik und trotz entsprechender Bitte des Bundesrats41 nicht zum Bestandteil dieser Norm gemacht hat. Daraus kann nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber lehne eine Zurechnung ab. Dieser hat nicht nur nicht geregelt, dass zuzurechnen sei, sondern auch nicht, dass nicht zuzurechnen sei. Die Frage wurde vielmehr „offen“ gelassen mit dem Ziel, insoweit eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen. So sollte nach der Gesetzesbegründung durch die vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit einer Revision eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung ermöglicht werden42, was gerade bei der Frage der Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten im Rahmen des § 4 Satz 1 KSchG angesichts der konträren Auffassungen der Landesarbeitsgerichte von Bedeutung ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 2 AZR 472/08

  1. LAG Rheinland-Pfalz 20. September 2005 – 5 Ta 176/05 -; LAG Köln 10. März 2006 – 3 Ta 47/06 – NZA-RR 2006, 319; LAG Sachsen-Anhalt 8. März 2005 – 11 Ta 3/05 -; LAG Bremen 26. Mai 2003 – 2 Ta 4/03 – NZA 2004, 228; LAG Düsseldorf 20. Dezember 2002 – 15 Ta 447/02 – NZA-RR 2003, 323; LAG Nürnberg 12. März 2002 – 5 Ta 177/01 – NZA-RR 2002, 490; Thüringer LAG 30. November 2000 – 7 Ta 19/2000 -; Sächsisches LAG 9. Mai 2000 – 4 Ta 120/00 -; LAG Baden-Württemberg 26. August 1992 – 8 Ta 80/92 – LAGE KSchG § 5 Nr. 58; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 17 ff.; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1845; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 5 Rn. 25 ff.; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 27 ff.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 39 ff.; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 13 ff.; Griebeling NZA 2002, 838, 842 ff.; Tschöpe/Fleddermann BB 1998, 157[]
  2. LAG Hamburg 18. Mai 2005 – 4 Ta 27/04 – NZA-RR 2005, 489; Hessisches LAG 10. September 2002 – 15 Ta 98/02 -; LAG Hamm 24. September 1987 – 8 Ta 95/87 – LAGE KSchG § 5 Nr. 31; LAG Niedersachsen 28. Januar 2003 – 5 Ta 507/02 – NZA-RR 2004, 17; KR/Friedrich 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 69 ff.; ErfK/Kiel 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 7; Vollkommer in Arbeitsgesetzgebung und Arbeitsrechtsprechung FS Stahlhacke S. 599 ff.; Wenzel in Zivilprozess und Praxis FS E. Schneider S. 325 ff.; Wenzel DB 1970, 730; Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 134 ff.[]
  3. Brox/Rüthers/Henssler Arbeitsrecht 17. Aufl. Rn. 523; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 85 Rn. 10[]
  4. Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 108; Wenzel DB 1970, 730, 736[]
  5. aA wohl KR/Friedrich 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 112[]
  6. s. auch Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 102 f.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 49 f.; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 25 f.[]
  7. vgl. BAG 26. Juni 1986 – 2 AZR 358/85 – BAGE 52, 263; 24. Juni 2004 – 2 AZR 461/03 – AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9[]
  8. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 28; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 43 ff.; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1845[]
  9. Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 100[]
  10. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 28[]
  11. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 45; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1845[]
  12. vgl. APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 28; Griebeling NZA 2002, 838, 843[]
  13. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 19; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 46 ff.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 99 f.; Griebeling NZA 2002, 838, 843[]
  14. etwa BVerfG 29. November 1989 – 1 BvR 1011/88 – BVerfGE 81, 123) . Das einfache Recht und seine Anwendung darf im Einzelfall nur sachangemessene Zugangsvoraussetzungen verlangen, um dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden (etwa BVerfG 29. November 1989 – 1 BvR 1011/88 – aaO[]
  15. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 19; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 28; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 5 Rn. 26; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1845[]
  16. vgl. BAG 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 – BVerfGE 60, 253; 8. Mai 1973 – 2 BvL 5/72, 2 BvL 6/72, 2 BvL 7/72, 2 BvL 13/72 – BVerfGE 35, 41; vgl. Griebeling NZA 2002, 838, 843[]
  17. vgl. BAG 18. Juli 2007 – 5 AZR 848/06 – AP ZPO § 85 Nr. 22 = EzA ZPO 2002 § 85 Nr. 1; BGH 11. Juni 2008 – XII ZB 184/07 – NJW 2008, 2713, 2715; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. § 85 Rn. 2; MünchKommZPO/v. Mettenheim 3. Aufl. § 85 Rn. 9; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 85 Rn. 1; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 50; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 92 ff.; Griebeling NZA 2002, 838, 842; Barth SAE 2008, 340, 341[]
  18. Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 93; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 85 Rn. 8[]
  19. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 50[]
  20. Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 93 f.[]
  21. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 20; Stahlhacke/Vossen 9. Aufl. Rn. 1845; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 28; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 50[]
  22. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 20[]
  23. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 19; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 101[]
  24. zB Asylverfahren BVerfG 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 – BVerfGE 60, 253[]
  25. so aber LAG Hamm 21. Dezember 1995 – 5 Ta 602/94 – LAGE KSchG § 5 Nr. 73; 27. Februar 1996 – 5 Ta 106/95 – LAGE KSchG § 5 Nr. 86; Berkowsky NZA 1997, 352, 355; Rieble Anm. zu LAG Hamm 27. Januar 1994 – 8 Ta 274/93 – LAGE KSchG § 5 Nr. 65; Wenzel in Zivilprozess und Praxis FS E. Schneider S. 325, 343[]
  26. so zutreffend Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 103 f.; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 32 ff.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 53 ff.; Tschöpe/Fleddermann BB 1998, 157, 159; Griebeling NZA 2002, 838, 842; Barth SAE 2008, 340, 341[]
  27. BGH 27. April 1995 – III ZR 169/93 – BGHR ZPO § 233 Verschulden 25[]
  28. BGH 12. Dezember 2001 – XII ZB 219/01 -; 11. Juni 2008 – XII ZB 184/07 – NJW 2008, 2713, 2714; Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 85 Rn. 22, 24; MünchKommZPO/v. Mettenheim 3. Aufl. § 85 Rn. 21; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 85 Rn. 12; Musielak/Weth ZPO 6. Aufl. § 85 Rn. 15[]
  29. vgl. Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 104; Barth SAE 2008, 340, 341; Griebeling NZA 2008, 838, 842[]
  30. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 18[][]
  31. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 36; Griebeling NZA 2002, 838, 842[]
  32. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 19; Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 36 ff.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 103 ff.[]
  33. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 37[]
  34. vgl. HaKo/Gallner 3. Aufl. § 5 KSchG Rn. 19[]
  35. ausführlich hierzu: Schmid Die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Beschluss S. 16 ff.[]
  36. so auch Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 38 ff., 51 f.; Holthaus Versäumung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG – Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage trotz Anwaltsverschuldens? S. 87 f.; Griebeling NZA 2002, 838, 842[]
  37. BT-Drucks. 1/2090 S. 13[]
  38. vgl. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 39[]
  39. Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 39 f.[]
  40. vgl. BT-Drucks. 7/5250 S. 6; siehe auch Francken Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten S. 40[]
  41. vgl. BT-Drucks. 16/7716 Anlage 3 S. 24, 35 und Anlage 4 S. 37, 39[]
  42. vgl. BT-Drucks. 16/7716 Anlage 1 S. 7, 25[]
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