Direktionsrecht bei einem Solo-Trompeter

Ein Musiker (Solo-Trompeter) ist nach Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV verpflichtet, im Rahmen der durch seinen Klangkörper wahrzunehmenden Aufgaben mit allen in Anlage 2 des KTV-V bezeichneten Instrumenten seiner Instrumentengruppe mitzuwirken auch wenn im Arbeitsvertrag keine Nebeninstrumente genannt sind.

Direktionsrecht bei einem Solo-Trompeter

Mit dieser Begründung hat das Bundesarbeitsgericht in dem hier vorliegenden Fall die Klage eines Solo-Trompeters abgewiesen. Die Parteien streiten über den Umfang des Direktionsrechts des Beklagten. Der Beklagte, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt ein Sinfonieorchester. Der Kläger ist dort seit dem 1. September 1995 beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist die Stellenbezeichnung als 1. und Solo-Trompeter mit Hauptinstrument Trompete angegeben. Bei Nebeninstrumente ist keines genannt (—). Der für den Südwestfunk geltende Orchestertarifvertrag sowie die Orchesterordnung des Südwestfunks sind Bestandteil des Arbeitsvertrags. Zum 1. Januar 2008 traten der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum Manteltarifvertrag des SWR (KETV-MTV), der Vergütungstarifvertrag für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk (Klangkörpertarifvertrag – Vergütung – KTV-V), der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum TV Arbeitszeit des SWR (KETV-TV AZ) sowie der Tarifvertrag zur Überleitung in die ab 1. Januar 2008 in Kraft tretenden Tarifverträge für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk (TV Überleitung Klangkörper – TV ÜK) in Kraft. Der Kläger wurde in der Vergangenheit vom Beklagten und seinem Rechtsvorgänger in einer koordinierten und alternierenden Position beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt einen weiteren 1. und Solo-Trompeter. Beide wurden, abgesehen von Orchesterteilungen, alternierend eingesetzt. War eine Stimmverdoppelung musikalisch geboten, zog der Beklagte zusätzlich einen externen Trompeter heran. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne nicht durch Weisung zur Mitwirkung mit weiteren Instrumenten seiner Instrumentengruppe herangezogen werden, da er nach seinem Arbeitsvertrag nicht zum Spielen von Nebeninstrumenten verpflichtet sei. Er könne selbst entscheiden, ob er bei einer bestimmten Produktion andere Instrumente als die Große Trompete spielen wolle. Auch der Paralleleinsatz mit dem anderen 1. und Solo-Trompeter sei unzulässig. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

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In seiner Begründung bestätigt das Bundesarbeitsgericht die Feststellung des Landesarbeitsgerichts,dass der Kläger nach Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV verpflichtet ist, im Rahmen der durch seinen Klangkörper wahrzunehmenden Aufgaben mit allen in Anlage 2 des KTV-V bezeichneten Instrumenten seiner Instrumentengruppe mitzuwirken.

Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Beklagte nimmt in Anspruch, den Kläger zur Mitwirkung mit weiteren Instrumenten im tariflich geregelten Umfang heranziehen zu können. Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – sogenannte Elementenfeststellungsklage –1. Die begehrte Feststellung ist geeignet, die Reichweite des Direktionsrechts des Beklagten klarzustellen.

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Kraft beiderseitiger Tarifbindung kommen nach § 4 Abs. 1 TVG die Rechtsnormen des KETV-MTV auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung. Nach Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV sind die Klangkörpermitglieder im Rahmen der durch die jeweiligen Klangkörper wahrzunehmenden Aufgaben verpflichtet, in bzw. mit allen in Anlage 2 des KTV-V näher bezeichneten Stimmen bzw. Instrumenten der jeweiligen Stimm- bzw. Instrumentengruppe mitzuwirken. Die Tarifnorm legt das Direktionsrecht des Beklagten fest und konkretisiert die Arbeitspflicht auf die Mitwirkung mit den in der bezeichneten Anlage genannten Instrumenten. Der Beklagte ist danach berechtigt, den Kläger zur Mitwirkung mit der Piccolotrompete, dem Kornett, dem Flügelhorn, der Naturtrompete und dem Posthorn – gegen Zahlung einer Leistungszulage nach TZ 5.2 KTV-V – heranzuziehen. Der Kläger kann nicht frei entscheiden, ob er mit diesen Instrumenten mitwirkt.

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Zwischen den Parteien besteht keine für den Kläger günstigere vertragliche Abmachung, die der tariflichen Regelung nach § 4 Abs. 3 TVG vorgeht. Dies ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags vom 23. Oktober 1996.

Dem Arbeitsvertrag liegt der Musterarbeitsvertrag nach O 214.1 OTV und damit ein Formulararbeitsvertrag zugrunde. Dieser ist nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden kann, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten. Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden2.

Der Arbeitsvertrag entspricht inhaltlich vollständig dem Musterarbeitsvertrag nach O 214.1 OTV. Der OTV und die Orchesterordnung sind nach § 2 Satz 1 Bestandteil des Arbeitsvertrags. Die Parteien wollten einen Arbeitsvertrag schließen, der die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des OTV unterstellt. Dies gilt auch in Bezug auf die in § 1 des Arbeitsvertrags enthaltene Vereinbarung zur geschuldeten Tätigkeit. Auch insoweit vollzieht der Arbeitsvertrag lediglich die Vorgaben des Musterarbeitsvertrags nach, ohne davon abzuweichen.

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Mit der Stellenbezeichnung „1. und Solo-Trompeter“ wird die Funktion des Klägers innerhalb des Sinfonieorchesters beschrieben, ohne dass damit die von ihm zu spielenden Instrumente festgelegt werden. Diese ergeben sich aus der Bezeichnung der Instrumente in § 1 des Arbeitsvertrags in Verbindung mit dem OTV und der Orchesterordnung, die Bestandteil des Arbeitsvertrags sind.

Das Direktionsrecht des Beklagten ist nicht deshalb beschränkt, weil in der Rubrik „Hauptinstrument“ Trompete eingetragen ist und in der Rubrik „Nebeninstrument(e)“ drei Striche vermerkt sind. Auch der Regelungsgehalt der Festlegung der „Verpflichtungen“ des Klägers erschöpft sich in der Umsetzung der tariflichen Vorgaben von O 212 OTV; danach sind die Vertragsinstrumente des Orchestermitglieds (Haupt- und Nebeninstrument) in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Welche Rechtsfolgen sich aus dieser Festlegung ergeben, regelt wiederum der OTV. Nach O 541 Buchst. c OTV löst das Spielen eines im Arbeitsvertrag nicht vorgesehenen Instruments den Anspruch auf eine Sondervergütung aus.

Dass von der jeweiligen Tariflage abweichende Vereinbarungen nicht gewollt waren, ergibt sich deutlich aus § 4 des Arbeitsvertrags („Besondere Vereinbarungen“). An der im Musterarbeitsvertrag für solche Vereinbarungen vorgesehenen Stelle haben die Parteien in Bezug auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und die Reichweite des Direktionsrechts keine von der Tariflage abweichende Regelung getroffen. Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat die Aufnahme einer zusätzlichen Beschreibung der geschuldeten Tätigkeit in den Arbeitsvertrag im Schreiben vom 16. März 1995 sogar ausdrücklich abgelehnt.

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Danach kann dahingestellt bleiben, ob die ergänzende Auslegung der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags insgesamt zu einer Anwendung des KETV-MTV führt.

Auch wenn der Kläger nach O 320 ff. OTV durch Ausübung des Direktionsrechts nicht zur Mitwirkung mit weiteren Instrumenten verpflichtet werden konnte, richtet sich die Mitwirkungspflicht nach Ablösung des OTV nunmehr nach dem kraft Tarifbindung anwendbaren KETV-MTV. Nach § 2 des Arbeitsvertrags ist der OTV nicht mehr Vertragsbestandteil, da er nur bis zu einer neuen Abmachung gelten sollte. Seit dem 1. Januar 2008 gelten die neuen Tarifverträge. Wurde das Direktionsrecht des Arbeitgebers in Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV gegenüber der früheren Tariflage erweitert, ist dies nicht zu beanstanden. Es unterliegt der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, bei einer tariflichen Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstigere Bestimmungen zu vereinbaren3. Dies ist von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt4.

Aus TZ 3.4 TV ÜK ergibt sich kein anderes Ergebnis. Danach bleibt zwar in Bezug auf die Verpflichtung zum Spielen eines Nebeninstruments die bisherige arbeitsvertragliche Vereinbarung maßgeblich. Daraus folgt jedoch lediglich, dass der Kläger nach wie vor die jetzt in TZ 5.2 KTV-V normierte Leistungszulage für das Spielen nicht vereinbarter Instrumente erhält; die tariflich geregelte Mitwirkungspflicht des Klägers wird dadurch nicht beschränkt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2012 – 10 AZR 779/10

  1. st. Rspr., vgl. BAG 19.10.2011 – 4 AZR 811/09 – Rn. 13, DB 2011, 2783[]
  2. BAG 19.10.2011 – 4 AZR 811/09 – Rn. 18, 26, DB 2011, 2783[]
  3. BAG 27.10.2010 – 10 AZR 410/09 – Rn. 17, ZTR 2011, 172; 22.04.2009 – 4 ABR 14/08 – Rn. 34, BAGE 130, 286[]
  4. BAG 13.08.2009 – 6 AZR 301/08 – Rn. 29, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesagentur für Arbeit Nr. 2[]
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