Diskriminierung eines Stellenbewerbers wegen Schwerbehinderung – und die Bemessung der Entschädigung

Im Fall einer Nichteinstellung ist für die Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG an das Bruttomonatsentgelt anzuknüpfen, das der/die erfolglose Bewerber/in erzielt bzw. ungefähr erzielt hätte, wenn er/sie die ausgeschriebene Stelle erhalten hätte.

Diskriminierung eines Stellenbewerbers wegen Schwerbehinderung – und die Bemessung der Entschädigung

Dies folgt für das Bundesarbeitsgericht aus der in § 15 Abs. 2 AGG getroffenen Bestimmung, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre1.

Im hier entschiedenen Fall befand das Bundesarbeitsgericht, dass der Bewerber durch eine Entschädigung in Höhe von 1, 5 auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten angemessen für den durch die unzulässige Diskriminierung – ausschließlich – wegen der (Schwer)Behinderung erlittenen immateriellen Schaden entschädigt wird; dieser Betrag ist zudem erforderlich, aber auch ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung zu erzielen. Da es auf ein Verschulden nicht ankommt, können Gesichtspunkte, die mit einer etwaigen Abwesenheit oder einem geringen Grad von Verschulden zusammenhängen, nicht mindernd bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden2. Auf der anderen Seite sind im vorliegenden Verfahren aber auch keine Umstände erkennbar, die einen höheren Grad von Verschulden der Arbeitgeberin belegen, weshalb auch keine Veranlassung besteht, die Entschädigung höher festzusetzen. Auf die Frage, ob die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG die Kappungsgrenze von drei Monatsgehältern nicht übersteigen durfte, weil der Stellenbewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, kommt es danach nicht an3.

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Aus dem Umstand, dass es sich bei der Arbeitgeberin um eine private Arbeitgeberin handelt, folgt nicht, dass eine höhere Entschädigung als 1, 5 auf der Stelle erzielbare Bruttomonatsentgelte angemessen wäre. Der Stellenbewerber hat insoweit geltend gemacht, die Entschädigung sei auch eine Sanktion dafür, dass der/die Bewerber/in nicht die Chance erhalte, ein Arbeitseinkommen zu erzielen und dadurch in seinem/ihrem Geltungs- bzw. Achtungsanspruch berührt sei4. Es ist jedoch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Sanktion für die entgangene Chance, ein Arbeitseinkommen zu erzielen, bei einem privaten Arbeitgeber höher zu bemessen sein sollte als bei einem öffentlichen Arbeitgeber.

Ein höherer Entschädigungsanspruch lässt sich auch nicht mit dem Argument des Stellenbewerbers begründen, dass er bereits das 50. Lebensjahr vollendet habe, und dass diese Gruppe älterer schwerbehinderter Menschen nach § 155 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht in angemessenem Umfang zu berücksichtigen ist. Der Stellenbewerber macht selbst ausschließlich eine Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung, nicht dagegen eine Benachteiligung auch wegen des Alters geltend. Danach besteht kein Anlass von der bei einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes regelmäßig als angemessen anzusehenden Entschädigungshöhe von 1, 5 Bruttomonatsentgelten abzuweichen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juni 2023 – 8 AZR 136/22

  1. vgl. etwa BAG 25.11.2021 – 8 AZR 313/20, Rn. 44, BAGE 176, 226; 28.05.2020 – 8 AZR 170/19, Rn. 24, BAGE 170, 340[]
  2. vgl. etwa BAG 28.05.2020 – 8 AZR 170/19, Rn.20 f., BAGE 170, 340[]
  3. vgl. BAG 25.11.2021 – 8 AZR 313/20, Rn. 45, BAGE 176, 226[]
  4. vgl. BAG 28.05.2020 – 8 AZR 170/19, Rn. 25, BAGE 170, 340[]
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