Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebs Nordrhein-Westfalen (MTV) sieht in § 6 Nr. 2 vor, dass die Arbeitnehmer entsprechend der Art ihrer Tätigkeit in die vereinbarten Lohn- bzw. Gehaltsgruppen eingestuft werden.

Dabei sollen nicht die beruflichen Bezeichnungen, sondern allein die Tätigkeitsmerkmale der zu verrichtenden Arbeit und die beruflichen Anforderungen maßgebend sein.
Nach § 6 Nr. 4 MTV enthalten die Gruppenpläne die Merkmale der tariflichen Lohn- und Gehaltsgruppen sowie Beispiele für typische Tätigkeiten, die „als Richtlinie“ gelten sollen. Maßgebend für die Eingruppierung sind die Gruppenmerkmale. Nach § 6 Nr. 5 MTV erfolgt die Eingruppierung im Fall der gleichzeitigen Ausübung mehrerer Tätigkeiten, die in verschiedene Entgeltgruppen fallen, entsprechend der überwiegenden Tätigkeit.
Die im MTV erwähnten Merkmale der tariflichen Lohngruppen sind im Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 13.06.2014 (LTV) näher bestimmt.
In der – höchsten – Lohngruppe I LTV sind die einfachen und qualifizierten Facharbeiter zu finden. Lohngruppe II LTV listet das Fahrpersonal auf. Die Lohngruppen III und IV LTV regeln die Vergütung der ungelernten Arbeitskräfte. Bei diesen unterscheiden die Tarifvertragsparteien zwischen denen mit „einfacher Arbeit“ (mit Beispielen) und einer „Grundeingruppierung“ in Lohngruppe IV LTV sowie – ersichtlich darauf aufbauend – ungelernten Arbeitskräften mit Tätigkeiten, die über den Rahmen der Richtbeispiele in Lohngruppe IV LTV hinausgehen; soweit dort Tätigkeiten im Backprozess angesprochen werden, ist dies vorliegend ohne Bedeutung. Dabei sind die Beispielstätigkeiten zur Lohngruppe IV LTV einerseits tatsächlich nur Beispiele insofern, als es auch weitere „einfache Arbeiten“ gibt, die dort nicht aufgeführt sind. Andererseits handelt es sich auch um Richtbeispiele im tariflichen Sinne mit der Folge, dass auch die Lohngruppe IV LTV zutreffend ist, wenn diese durch die Tätigkeit erfüllt sind. Nach das Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung haben die Tarifvertragsparteien mit der Benennung von Richtbeispielen für die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einzelnen Tätigkeitsmerkmalen deutlich gemacht, dass sie im Regelfall davon ausgehen, bei der Ausübung der genannten Tätigkeit seien die Anforderungen dieser Gruppe erfüllt. Das bedeutet – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, dass eine andere Entgeltgruppe oder ein anderes Tätigkeitsmerkmal für diese Tätigkeit grundsätzlich nicht in Betracht kommt1. Dem entspricht hier die tarifliche Systematik, nach der gerade ein Übersteigen der Anforderungen von Beispielstätigkeiten der Lohngruppe IV LTV das „Heraushebungsmerkmal“ von Tätigkeiten der Lohngruppe III LTV begründet.
Der die Tätigkeitsmerkmale enthaltende LTV umfasst auch die industrielle Fertigung und Verarbeitung von Backwaren. Er ist auf Arbeitgeberseite vom Verband Deutscher Großbäckereien e.V. geschlossen worden und erfasst nach seinem Geltungsbereich die Betriebe der Großbäckereien und des Brot- und Backwarenvertriebs. Angesichts dessen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Tarifbegriff des „Einpackens“ erstrecke sich auch auf die Bedienung entsprechender Maschinen und die damit verbundenen Einzeltätigkeiten, nicht zu beanstanden. Das mag nicht zwingend ausschließen, Tätigkeiten an Einpackmaschinen tariflich auch höher zu bewerten. Dies bedürfte jedoch einer entsprechend substantiierten Darlegung.
Dies gilt umso mehr als die Tätigkeitsmerkmale für die Eingruppierung in der Backwarenindustrie nicht in einem langfristig geltenden Manteltarifvertrag, sondern in den teilweise nur sehr kurzfristig geltenden Lohntarifverträgen jeweils neu vereinbart werden. Von daher ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihren tariflichen Begriffen auch jeweils die aktuelle technische Entwicklung der Produktion zugrunde legen.
Soweit der Arbeitnehmer meinen sollte, die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit an der Verpackungsmaschine sei unter den Bedingungen einer industriellen Brot- und Backwarenindustrie nicht mehr angemessen, mag dies verständlich erscheinen. Die Aktualisierung der Tätigkeitsmerkmale im Hinblick auf neue Produktionsmethoden und damit verbundene Anforderungen an die Tätigkeiten ist jedoch nicht die Aufgabe der Gerichte, sondern der Tarifvertragsparteien. Das gilt vorliegend umso mehr, als – wie dargelegt – die Tätigkeitsmerkmale im Geltungsbereich der Tarifverträge nicht in – langfristigen – Manteltarifverträgen vereinbart worden sind, sondern in den jeweils sehr kurzfristigen Entgelttarifverträgen festgehalten und fortgeschrieben werden. Strukturelle Veränderungen müssen ggf. in den Tarifverträgen umgesetzt werden, nicht aber in der hierzu ergehenden Rechtsprechung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2018 – 4 AZR 104/17
- BAG 20.06.2012 – 4 AZR 438/10, Rn. 16 mwN[↩]
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