Die Beschäftigten im Warenserviceteam üben gewerbliche Tätigkeiten im tariflichen Sinn („vorwiegend körperlich-mechanisch“)1 aus.

Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht für den Geltungsbereich des Lohntarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (LTV).
Bei den ausgeübten Tätigkeiten im Warenserviceteam handelt es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit und nicht um tariflich getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten2. Die von den Beschäftigten in den Warenserviceteams ausgeübte Tätigkeit dient dem Ziel, die Warenbestückung und ‑präsentation in den Verkaufsräumen sicherzustellen und stets in dem vorgegebenen Zustand zu erhalten. Mit der Schaffung der Warenserviceteams wurden ua. Tätigkeiten, die zuvor im Verkauf beschäftigte Arbeitnehmerinnen verrichteten, herausgelöst und mit anderen zu einer neuen Tätigkeit mit einem eigenen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst. Diese umfasst alle für diesen Zweck erforderlichen Arbeitsschritte nach Anlieferung der Ware (ggf. vorbereitet vom Logistikunternehmen), den Transport in die Verkaufsräume, die dortige Präsentation sowie das Ordnen und Sortieren nebst der Entsorgung von Bügeln und Verpackungen. Auch die Bearbeitung von Retouren, Rücklieferungen und Umlagerungen gehört zu diesem einheitlichen Tätigkeitsbild, da sie das Ziel hat, aktuell nicht benötigte Waren wieder aus den Verkaufsräumen zu entfernen. Die von der Arbeitgeberin vertretene Auffassung, es handele sich um zehn verschiedene Teiltätigkeiten, verkennt die Einheitlichkeit der Arbeitsaufgabe, die den Arbeitnehmerinnen in den Warenserviceteams übertragen wurde. Eine solche Aufspaltung verstieße gegen das sog. Atomisierungsverbot bei der Eingruppierung3.
Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist dann zurückzugreifen, wenn ein einzelnes Tätigkeitsbeispiel seinerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, wenn dasselbe Tätigkeitsbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen vorkommt und damit als Kriterium für eine bestimmte Vergütungsgruppe ausscheidet, oder wenn es um eine Tätigkeit geht, die in den tariflichen Tätigkeitsbeispielen nicht aufgeführt ist. Soweit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die Tätigkeitsbeispiele im Rahmen der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe als Richtlinien für die Bewertung mitzuberücksichtigen4.
Bei den im Warenserviceteam beschäftigten Arbeitnehmerinnen handelt es sich nicht um „Auszeichner“ im Tarifsinn. Zwar werden auch Waren ausgezeichnet, dies macht aber nur einen kleineren Teilaspekt der Tätigkeit aus. Zudem ist das Beispiel auch in der Lohngruppe II Lohnstaffel a) LTV enthalten, so dass eine bestimmte Eingliederung daraus nicht ableitbar ist.
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen kann die Tätigkeit im Warenserviceteam nicht insgesamt als Lagerarbeit iSd. Beispiels der Lohngruppe II Lohnstaffel b) LTV charakterisiert werden.
Unter einem Lagerarbeiter ist ein gewerblicher Arbeitnehmer zu verstehen, der in einem Warenlager arbeitet. Es handelt sich um vorwiegend körperlich-mechanische Arbeit1. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Tätigkeit in einem Lager im herkömmlichen Sinn erbracht wird5.
Ein Teil der Tätigkeiten im Warenserviceteam kann danach als Lagerarbeit eingeordnet werden. Dies korrespondiert auch mit den Begrifflichkeiten der Tätigkeitsbeschreibung für das Warenserviceteam (Wareneinlagerung, Warenzwischenlagerung, Pflege aller Hand- und Reserveläger). Auch verrichten die Arbeitnehmerinnen einen Teil ihrer Tätigkeiten auf der Fläche des Warenserviceteams im zweiten Obergeschoss der Filiale. Allerdings sind nähere Feststellungen hierzu nicht getroffen worden, die eine Zuordnung zu diesem Richtbeispiel zuließen. Im Übrigen findet ein anderer Teil der Tätigkeiten in den Verkaufsräumen statt, ist im Ergebnis direkt an den Kunden gerichtet und steht einer typischen Lagertätigkeit nicht nahe, wie beispielsweise die Warenpflege und ‑präsentation einschließlich des Aktionsaufbaus.
Maßgebend für die Eingliederung in die Lohngruppen sind danach die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale des LTV. Dabei nimmt das Landesarbeitsgericht zutreffend an, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte für die Auffassung des Betriebsrats gibt, die Tätigkeit im Warenserviceteam erfordere eine besondere Geschicklichkeit, Übung oder Erfahrung und sei deshalb tariflich nach Lohngruppe II Lohnstaffel c) LTV zu bewerten. Entscheidend kommt es deshalb darauf an, ob die von den Zustimmungsersetzungsanträgen erfassten Arbeitnehmerinnen nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) LTV Tätigkeiten ausüben, die ohne handwerkliche Vor- oder Ausbildung ausgeführt werden – was zutrifft und auch die Beteiligten so sehen – und in der Regel körperlich schweres Arbeiten im Tarifsinn erfordern. Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist bei den Arbeitnehmerinnen des Warenserviceteams erfüllt.
Als körperlich schwere Arbeit im Tarifsinn ist eine solche zu verstehen, die körperlich mühsam, anstrengend, hart und ermüdend ist. Dabei kommt es nicht auf die reine Muskelbeanspruchung an, sondern alle Umstände sind zu berücksichtigen, die auf den Menschen belastend einwirken und zu körperlichen Reaktionen führen. Neben der Muskelbeanspruchung können dies Faktoren wie eine ausschließlich stehende Tätigkeit, die notwendige Körperhaltung, taktgebundene, repetitive Arbeit, nervliche und sensorische Belastungen, Lärm und Umwelteinwirkungen und soziale Belastungsfaktoren sein6. Dabei sind unter Berücksichtigung der Regelbeispiele an das Ausmaß der muskelmäßigen Belastung keine hohen Anforderungen zu stellen7. Um anzunehmen, dass die körperlich schwere Arbeit „in der Regel“ vorliegt, muss diese nicht im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit überwiegend erbracht werden. Vielmehr ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Tätigkeit ständig wiederkehrend in rechtlich erheblichem Ausmaß körperlich schweres Arbeiten bedingt. Der Begriff „in der Regel“ grenzt sich ab gegenüber einer nur gelegentlich schweren körperlichen Arbeit. Diese wird lediglich „zuweilen, manchmal, ab und zu“ geleistet8.
Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht orientiert sich zwar an der Rechtsprechung zum Verständnis der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe II Lohnstaffel b) LTV, behält diese Maßstäbe bei der Subsumtion hinsichtlich der Anforderungen an die Regelhaftigkeit, mit der solche Arbeiten anfallen müssen, aber nicht bei.
Es kommt, wie das Landesarbeitsgericht Hamm in der Vorinstanz9 offensichtlich annimmt, nicht darauf an, ob die anfallenden Belastungen zahlenmäßig denen nahekommen, über die die Rechtsprechung bisher zu befinden hatte. In diesen Entscheidungen wurden keine festen Maßstäbe gesetzt. Vielmehr sind danach alle Belastungsfaktoren zu prüfen und einzuordnen. Zudem hat das Beschwerdegericht bei seiner Bewertung der Tätigkeit in den Warenserviceteams außer Acht gelassen, dass an das Ausmaß der muskelmäßigen Beanspruchung keine hohen Anforderungen zu stellen sind10. Wenn es annimmt, es müsse ein Anwendungsbereich für die Lohngruppe II Lohnstaffel a) LTV verbleiben, übersieht es, dass diese lediglich gewisse Fertigkeiten erfordert, aber gerade nicht auf körperlich belastende Umstände wie sog. Zwangshaltungen oder das Bewegen von Gewichten abstellt. Schließlich legt es seiner Entscheidung zwar den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff „in der Regel“ zugrunde, orientiert daran aber letztlich nicht die Subsumtion. Allein aus dem prozentual geringen Anteil von Greif- und Hebevorgängen an der Gesamtarbeitszeit kann nicht geschlossen werden, diese fielen nicht regelmäßig an.
Das Bundesarbeitsgericht kann nach § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da die dafür notwendigen Feststellungen getroffen sind. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu einer Umgruppierung in die Lohngruppe II Lohnstaffel a) LTV zu Recht verweigert. Nach den von den Beteiligten nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den Tätigkeiten der von den Anträgen erfassten Arbeitnehmerinnen im Warenserviceteam um solche, die in der Regel körperlich schweres Arbeiten erfordern und deshalb nach Lohngruppe II Lohnstaffel b) LTV zu vergüten sind. Auf den nach § 92 Abs. 2 ArbGG, § 559 ZPO ohnehin nicht berücksichtigungsfähigen neuen Sachvortrag des Betriebsrats in der Rechtsbeschwerdebegründung kommt es nicht an.
Die Tätigkeit in den Warenserviceteams erfordert nach einer Gesamtbewertung körperlich schweres Arbeiten im Tarifsinn. Insbesondere bei der Warenvorbereitung, bei der Warenverräumung und bei der Retourenbearbeitung – die zusammen einen rechtserheblichen Anteil der Gesamttätigkeit ausmachen – fallen Greif- und Hebevorgänge an, die als körperlich belastend angesehen werden können. Dies sind durchschnittlich pro Arbeitnehmerin und Acht-Stunden-Tag 11,5 Greif- und Hebevorgänge mit einem Gewicht von mehr als acht Kilogramm und durchschnittlich 50 Greif- und Hebevorgänge mit einem Gewicht zwischen zwei und acht Kilogramm. Darüber hinaus fallen durchschnittlich 148 Greif- und Hebevorgänge mit geringeren Gewichten an. Diese Arbeiten können je nach Tätigkeitsbereich/Abteilung zusätzlich mit Zwangshaltungen verbunden sein, wobei zugunsten der Arbeitgeberin davon ausgegangen werden kann, dass hierunter nur Arbeiten in gebückter, kniender oder überstreckter Haltung fallen. Dies gilt beispielsweise, wenn Waren in untere Regalbereiche oder hohe Regalbereiche eingeordnet werden müssen oder wenn Faltboxen zu stapeln sind, wie sich auch aus den von der Arbeitgeberin zur Akte gereichen Fotoaufnahmen ergibt. Zum körperlich schweren Arbeiten gehört auch die Bewegung der mit Kleidungsstücken befüllten Rollstangen oder entsprechender Containerwagen. Es steht insoweit fest, dass jede Arbeitnehmerin an jedem Arbeitstag durchschnittlich 680 Kilogramm zu bewegen hat. In einer Gesamtschau stellen diese Anforderungen eine körperliche Belastung dar, die – im Vergleich zur Bewertung der Lohnstaffel a), die diesen Faktor nicht berücksichtigt – tariflich von Relevanz ist. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass hinsichtlich der in der Lohnstaffel b) als Richtbeispiel aufgeführten Tätigkeit eines Lagerarbeiters nicht danach unterschieden wird, welche Gewichte ein solcher Arbeitnehmer – ggf. unter Verwendung von Hilfsmitteln, zu bewegen hat. Die Bewertung der Tätigkeit im Warenserviceteam als körperlich schweres Arbeiten scheitert vor diesem Hintergrund auch nicht daran, dass mögliche andere Belastungsfaktoren allenfalls in kleinerem Umfang von Bedeutung sind. Die verschiedenen Faktoren müssen nicht kumulativ vorliegen, wenn eine Belastungsart – wie hier – hinreichend ausgeprägt auftritt.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin kommen eine Orientierung an arbeitsschutzrechtlichen Grundsätzen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens anhand der Leitmerkmalmethode nicht in Betracht. Entscheidender Maßstab ist das tarifliche Eingruppierungssystem und dessen Verständnis. Die Tarifvertragsparteien bestimmen grundsätzlich eigenständig, welche Faktoren sie bei der Einordnung in eine bestimmte Lohngruppe als entscheidend ansehen. Dabei können sie sowohl Umstände, die arbeitsschutzrechtlich ohne Bedeutung sind, als relevant bewerten als auch arbeitsschutzrechtlich bedeutsame Belastungen nicht gesondert berücksichtigen. Letzteres trifft – wie dargelegt – für die tarifliche Anforderung „körperlich schweres Arbeiten“ zu.
Die körperlich schwere Arbeit fällt auch „in der Regel“ an. Nach der Auswertung der Arbeitgeberin führen die Arbeitnehmerinnen im Mittel alle 2, 29 Minuten und damit durchschnittlich insgesamt 209 mal pro Tag einen Greif- und Hebevorgang aus. Greif- und Hebevorgänge mit Gewichten über acht Kilogramm sind im Mittel alle 41, 5 Minuten vorzunehmen und damit etwa 11, 5 mal am Tag. Ähnliches ergibt sich für Tätigkeiten in – nach der Definition der Arbeitgeberin – sog. Zwangshaltungen in gebückter, kniender oder überstreckter Haltung. Diese kommen durchschnittlich alle 3,33 Minuten vor, also 144 mal am Tag. Von einem nur gelegentlichen Anfall dieser Tätigkeiten kann deshalb nicht die Rede sein, unabhängig davon, dass der einzelne Vorgang nur eine geringe Zeit in Anspruch nimmt und der Anteil an der Gesamtarbeitszeit gering sein mag.
Anders als die Arbeitgeberin meint, ist nicht zwischen einzelnen Arbeitnehmerinnen zu differenzieren, weil deren Belastung im Erhebungszeitraum unterschiedlich ausgefallen sei. Sie hat den Betriebsrat im Hinblick auf die beabsichtigte Umgruppierung aller betroffenen Arbeitnehmerinnen identisch informiert und die Tätigkeiten in dem Warenserviceteam einheitlich beschrieben. Damit hat sie zugleich den Sachverhalt festgelegt, über den im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu entscheiden ist. Die Arbeitgeberin behauptet auch nicht, einzelnen Arbeitnehmerinnen würden im Wege des Direktionsrechts ausschließlich und dauerhaft Tätigkeiten zugewiesen werden, die mit einer geringeren Belastung verbunden sind.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2019 – 4 ABR 56/17
- vgl. BAG 3.12 1985 – 4 AZR 314/84[↩][↩][↩]
- vgl. dazu allgemein BAG 24.02.2016 – 4 AZR 980/13, Rn. 13, 15; 21.04.2010 – 4 AZR 735/08, Rn.19; jeweils mwN aus dem Bereich des Einzelhandels etwa BAG 29.07.1992 – 4 AZR 502/91, zu 2 b der Gründe, BAGE 71, 56 [Auszeichnerin in der Warenannahme]; 7.11.1990 – 4 AZR 67/90 – [Auffüllkraft und Auszeichnerin][↩]
- vgl. dazu BAG 13.04.2016 – 4 AZR 13/13, Rn. 70[↩]
- BAG 27.09.2000 – 10 ABR 48/99, zu II B 2 der Gründe [zum LTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz vom 26.08.1999]; 29.07.1992 – 4 AZR 502/91, zu 3 a der Gründe, BAGE 71, 56 [zum wortgleichen LTV vom 06.07.1989]; 7.11.1990 – 4 AZR 67/90 – [zum wortgleichen LTV vom 16.05.1988][↩]
- BAG 16.04.1997 – 10 AZR 201/96, zu II 2 b der Gründe[↩]
- vgl. zusammenfassend BAG 27.09.2000 – 10 ABR 48/99, zu II B 3 b cc der Gründe; 29.07.1992 – 4 AZR 502/91, zu 4 der Gründe, BAGE 71, 56 [jeweils zu wortgleichen Tarifverträgen des Einzelhandels][↩]
- BAG 27.09.2000 – 10 ABR 48/99, zu II B 3 b ee der Gründe[↩]
- BAG 27.09.2000 – 10 ABR 48/99, zu II B 3 c der Gründe[↩]
- LAG Hamm 17.10.2017 – 7 TaBV 39/17[↩]
- BAG 27.09.2000 – 10 ABR 48/99, zu II B 3 bb, ee der Gründe[↩]
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