Eingruppierung einer Pflegedienstleiterin – und die Buftis

Beschäftigte in der Pflege leiten im Regelfall eine „große Gruppe“ oder ein „großes Team“ iSd. Entgeltgruppe P 11 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA, wenn ihnen als Gruppen- oder Teamleitung mehr als neun Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) fachlich unterstellt sind. Mit dem Begriff „in der Regel“ haben die Tarifvertragsparteien aber zu erkennen gegeben, dass im Ausnahmefall neben der Zahl fachlich unterstellter Beschäftigter auch andere Faktoren für die Bewertung maßgeblich sein können, ob eine Gruppe oder ein Team als „groß“ im Tarifsinn anzusehen ist. Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) sind keine Beschäftigten iSd. Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA, da sie nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Der Gruppen- oder Teamleitung fachlich unterstellte Freiwillige nach dem BFDG sind aber bei der Wertung, ob eine Gruppe oder ein Team ausnahmsweise als „groß“ anzusehen ist, zu berücksichtigen.

Eingruppierung einer Pflegedienstleiterin – und die Buftis

Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht für ein Arbeitsverhältnis, für das aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung der „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, einschließlich des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (§ 1 Abs. 2 TVÜ-VKA)“ gelten. Damit sind für die Eingruppierung der Pflegedienst die §§ 12 und 13 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 zum TVöD/VKA maßgebend. Die Überleitung der Beschäftigten erfolgt zwar grundsätzlich unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit (§ 29a Abs. 1 TVÜ-VKA). Die Pflegedienst hat jedoch mit Schreiben vom 07.11.2017 fristgemäß einen Antrag nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA gestellt1.

Bei der Tätigkeit der Pflegedienst als Leiterin des pflegerischen Dienstes handelt es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA).

Nach § 12 Abs. 2 TVöD/VKA ist Bezugspunkt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Maßgebend für dessen Bestimmung ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten2.

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Nach diesen Maßstäben dienen alle von der Pflegedienst auszuübenden Tätigkeiten der Leitung des Pflegedienstes und damit dem Arbeitsergebnis der Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der Schüler. Das betrifft sowohl die fachliche Leitung als auch die Steuerung der inhaltlichen und organisatorischen Abläufe sowie Ausbau und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebote. Soweit die Pflegedienst darüber hinaus auch Aufgaben wie zB diejenige der Hygienebeauftragten wahrnimmt, die innerhalb des von ihr betreuten Bereichs anfallen, gehören diese als Zusammenhangsarbeiten zur einheitlich zu bewertenden Leitungstätigkeit3.

Im vorliegenden Fall erfüllt die Pflegedienst die tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA:

Für die Anwendung der speziellen Tätigkeitsmerkmale für Leitende Beschäftigte in der Pflege ist nach Satz 5 der Vorbemerkung Nr. 1 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA unerheblich, dass die Pflegedienst ihre Tätigkeit in einer Schule zu erbringen hat und damit außerhalb des Geltungsbereichs des TVöD-B oder TVöD-K beschäftigt ist. Maßgebend ist allein, ob der Arbeitsvorgang von dem speziellen Tätigkeitsmerkmal erfasst wird.

Der pflegerische Dienst der Förderschule ist jedenfalls eine Gruppe iSd. tariflichen Vorschriften, die von der Pflegedienst geleitet wird.

Die Tarifvertragsparteien sind hinsichtlich des Aufbaus der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege von einer bestimmten Organisationsstruktur ausgegangen (Satz 1 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA). Unterste Leitungsebene ist danach die „Gruppen- bzw. Teamleitung“, während die Station die kleinste organisatorische Einheit darstellt. Ein „Bereich bzw. eine Abteilung“ umfasst in der Regel mehrere Stationen. Aus dem Aufbau der Tätigkeitsmerkmale für die Leitenden Beschäftigten in der Pflege wird weiterhin deutlich, dass die Eingruppierung von einem mehrstufigen, hierarchischen Organisations- und Leitungsmodell ausgeht. Dieses besteht in den Entgeltgruppen P 9 bis P 14 TVöD/VKA aus den drei Ebenen Gruppe/Team, Station und Bereich/Abteilung. Innerhalb der Ebenen wird weiter nach deren Größe oder nach dem Maß der Verantwortlichkeit bzw. dem Umfang und der Bedeutung des Aufgabengebiets sowie dem Maß an Selbständigkeit unterschieden. Allen Ebenen ist gemeinsam, dass dort Leitungsaufgaben ausgeübt werden4. Bei einem Team oder einer Gruppe handelt es sich um eine kleinere Einheit, typischerweise die Teileinheit einer Station, die nicht organisatorisch verselbständigt ist, sondern sich (nur) durch die Zusammenfassung von Beschäftigten auszeichnet5.

Die in einer Gruppe oder in einem Team zusammengefassten Beschäftigten müssen der Leitungskraft nach Satz 2 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA „fachlich“ unterstellt sein. Das umfasst etwa die Befugnis, in der Pflege fachliche Weisungen zu erteilen, Arbeitsinhalte festzulegen und das Recht, Arbeitsergebnisse zu überprüfen6.

Bei dem durch die Pflegedienst geleiteten pflegerischen Dienst handelt es sich jedenfalls um eine Zusammenfassung von Beschäftigten in einer Einheit, die der pflegerischen Versorgung der Schüler dient. Durch die in dieser Einheit erbrachten Leistungen wird die notwendige medizinische Behandlungspflege sowie die erforderliche Grund- und Förderpflege während des Schulbesuchs gewährleistet. Jedenfalls die Pflegefachkräfte sind der Pflegedienst auch fachlich unterstellt, so dass es auf die Freiwilligen nach dem BFDG zunächst nicht ankommt.

Bei der Gruppe handelt es sich im vorliegenden Fall – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm7 – um eine „große“ iSd. Entgeltgruppe P 11 Fallgruppe 1 TVöD/VKA:

Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aufgrund der im Stellenbesetzungsplan für den pflegerischen Dienst der Förderschule ausgewiesenen Stellen. Dort sind die Freiwilligen nach dem BFDG zwar genannt, aber nicht der Gruppe „Pflege“ zugeordnet. Allein deren Nennung an anderer Stelle belegt nicht, dass sie für die Größe der Gruppe zu berücksichtigen wären. Es handelt sich nicht um ausgewiesene Stellen iSd. Satzes 4 der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA. Entgegen der Auffassung des Arbeitgeberin steht dieser Umstand aber einer Berücksichtigung bei der Ermittlung der Größe einer Organisationseinheit iSd. Satzes 1 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA auch nicht entgegen. Nach Satz 4 der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA ist es für die Eingruppierung unschädlich, wenn im Organisations- und Stellenplan ausgewiesene Stellen nicht besetzt sind. Auf die tatsächliche Stellenbesetzung kommt es in diesem Fall nicht an8. Für den umgekehrten Fall, in dem einer Leitungskraft in der Pflege tatsächlich mehr Beschäftigte fachlich unterstellt sind als im Stellenplan vorgesehen, trifft der Tarifvertrag keine Regelung. Eine Begrenzung der zu berücksichtigenden fachlich unterstellten Beschäftigten auf die ausgewiesenen Stellen besteht daher nicht. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitgeberin wäre mit Sinn und Zweck der Tarifbestimmung, quantitativ größere Anforderungen an die Leitungsfunktion9 auch höher zu vergüten, nicht vereinbar.

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Eine „große Gruppe“ oder ein „großes Team“ im Tarifsinn liegt regelmäßig dann vor, wenn deren Leitung mehr als neun Vollzeitäquivalente iSd. Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA fachlich unterstellt sind. Da Teilzeitbeschäftigte nach der Vorbemerkung anteilig zu berücksichtigen sind, ist dies ab einer Unterstellung von mehr als 9, 00 Vollzeitäquivalenten der Fall. Dabei stellt diese Zahl keine starre Grenze zwischen den Entgeltgruppen P 10 und P 11 TVöD/VKA dar, sondern bestimmt lediglich „in der Regel“ die Abgrenzung zu einer „großen Gruppe“ oder einem „großen Team“. Es kann daneben andere Faktoren geben, die im Ausnahmefall zu einer abweichenden Bewertung führen können und die Gruppe oder das Team ihrer/seiner Struktur nach als „groß“ im Tarifsinn erscheinen lassen. Dabei muss es sich um Faktoren handeln, die an die Leitungsfunktion anknüpfen und quantitativ größere Anforderungen an diese stellen. Keine Berücksichtigung können dabei allerdings jeweils Umstände finden, die mit dem weiteren Qualifikationsmerkmal „höheres Maß von Verantwortlichkeit“ im Zusammenhang stehen, da dieses nach der Tarifsystematik gesondert bewertet wird10.

Danach handelt es sich bei der durch die Pflegedienst geleiteten Gruppe nicht bereits aufgrund der Anzahl der fachlich unterstellten Beschäftigten um eine „große“. Hierzu zählen allein die Pflegefachkräfte, die weniger als 9, 01 Vollzeitäquivalente ausmachen, nicht aber die Freiwilligen nach dem BFDG. Letztere sind der Pflegedienst zwar fachlich unterstellt. Sie sind aber keine Beschäftigten im Tarifsinn. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnormen11.

Die Freiwilligen nach dem BFDG sind der Pflegedienst fachlich unterstellt iSd. Satzes 2 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA. Die Pflegedienst ist Fachvorgesetzte der durch den Arbeitgeberin als „Pflegehilfskräfte“ bezeichneten Freiwilligen nach dem BFDG und bestimmt deren Einsatz sowohl in zeitlicher als auch fachlicher Hinsicht. Die Anforderung einer „fachlichen“ Unterstellung setzt entgegen der Auffassung des Arbeitgeberin nicht ein bestimmtes „Mindestmaß an Qualifikation“ der unterstellten Personen voraus. Bereits dem Wortsinn nach bedeutet „fachlich“ lediglich „ein bestimmtes Fach, Fachgebiet betreffend, dazu gehörend“12. Aus der Systematik der Regelungen zu Unterstellungsverhältnissen im TVöD ergibt sich zudem, dass die „fachliche Unterstellung“ nicht die Qualität der durch die Unterstellten auszuübenden Tätigkeiten betrifft. Vielmehr verwenden die Tarifvertragsparteien die Unterstellungsanforderung an anderen Stellen ohne jeglichen Zusatz, so dass sich „fachlich“ lediglich als Einschränkung zur vollständigen, mithin auch organisatorischen und/oder disziplinarischen Unterstellung darstellt13. Hierfür spricht auch die Tarifhistorie. Im Gegensatz zum BAT wird nicht mehr die Unterstellung von „Pflegepersonen“, also Angestellten, die von der Anlage 1b Abschnitt A BAT erfasst wurden14, verlangt, sondern lediglich von „Beschäftigten“. Eine bestimmte Qualifikation ist demnach gerade nicht mehr Voraussetzung.

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Es handelt sich bei den Freiwilligen nach dem BFDG aber nicht um „Beschäftigte“ iSd. Satzes 2 der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA. Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Im Allgemeinen und im juristischen Sprachgebrauch wird der Begriff des „Beschäftigten“ nicht einheitlich verwendet. Häufig wird er weiter verstanden als der Begriff des „Arbeitnehmers“ (vgl. zB § 7 Abs. 1 SGB IV, § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG). Demgegenüber bestimmt § 1 Abs. 1 TVöD/VKA, dass die tariflichen Regelungen „für Beschäftigte, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen“ gelten. Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet15. Aus der Vorbemerkung Nr. 9 zur Anlage 1 zum TVöD/VKA ergibt sich, dass dieses Verständnis auch der Anlage 1 zugrunde liegt. Danach werden Teilzeitbeschäftigte entsprechend dem Verhältnis der mit ihnen „im Arbeitsvertrag“ vereinbarten Arbeitszeit bei der Zahl der unterstellten Beschäftigten berücksichtigt (Satz 3). Weiterhin wird bestimmt, dass auch Beamtinnen und Beamte als unterstellte Beschäftigte „rechnen“ (Satz 1). Dies verdeutlicht, dass unterstellte Beschäftigte grundsätzlich in einem Arbeitsverhältnis stehen müssen und es einer besonderen Regelung bedarf, wenn Personen, die keine Arbeitnehmer sind, im Rahmen der tariflichen Bestimmungen über Unterstellungsverhältnisse zu berücksichtigen sein sollen. Eine solche ist aber nur für Beamte getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff der „unterstellten Beschäftigten“ denjenigen der „unterstellten Pflegepersonen“ ersetzt hat. Damit sind die Tarifvertragsparteien lediglich vom Erfordernis einer bestimmten Qualifikation der unterstellten Personen abgewichen. Eine Erweiterung des Beschäftigtenbegriffs war damit nicht verbunden.

Die Freiwilligen nach dem BFDG sind keine Beschäftigten in diesem Sinn. Sie sind keine Arbeitnehmer. Dem Bundesfreiwilligendienst liegt gemäß § 8 Abs. 1 BFDG eine Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Freiwilligen zugrunde. Es handelt sich um einen „öffentlichen Dienst des Bundes eigener Art“16. Ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet17. Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus den Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 8a ArbGG und § 9 Abs. 2, § 13 Abs. 1 BFDG, nach denen bestimmte arbeitsrechtliche Vorschriften für eine Tätigkeit im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes anzuwenden sind18.

Bei der durch die Pflegedienst geleiteten Gruppe handelt es sich jedoch aufgrund ihrer besonderen Struktur ausnahmsweise trotzdem um eine „große Gruppe“ im Tarifsinn.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es sich um die Anwendung des Begriffs der „großen Gruppe“ und damit um die eines unbestimmten Rechtsbegriffs handelt, nur der beschränkten Überprüfung. Es kann in der Revisionsinstanz nur dahingehend überprüft werden, ob es den Rechtsbegriff als solchen nicht verkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob es in sich widerspruchsfrei ist19.

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Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

Für die Frage, ob eine Gruppe ausnahmsweise als „groß“ iSd. Entgeltgruppe P 11 TVöD/VKA anzusehen ist, obwohl die Anzahl der unterstellten Beschäftigten 9, 00 Vollzeitäquivalente nicht übersteigt, ist – wie dargelegt – maßgebend, ob die mit der Leitung einer Gruppe verbundenen quantitativen Anforderungen trotzdem das tariflich als typisch angesehene Maß übersteigen. Dabei sind für die Bestimmung des „Normalmaßes“ die Anforderungen zugrundezulegen, die sich aus der von den Tarifvertragsparteien nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA vorgesehenen regelmäßigen Organisationsstruktur ergeben20. Es ist daher entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unerheblich, ob der Einsatz von Freiwilligen nach dem BFDG „in der Gesundheits- und Altenpflege gerade kein Einzel- und Ausnahmefall, sondern in vielen sozialen Einrichtungen – auch des Arbeitgeberin – der Regelfall ist“. Auch wenn dies der Fall sein sollte – wobei allerdings Feststellungen zum Ausmaß des Einsatzes und zum zahlenmäßigen Verhältnis zwischen Beschäftigten und Freiwilligen nach dem BFDG fehlen – ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass gerade durch deren Einsatz die Anforderungen an den jeweiligen Leitenden Beschäftigten in der Pflege in quantitativer Hinsicht steigen.

Ebenso ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Qualität der durch die Freiwilligen nach dem BFDG zu erbringenden Tätigkeiten vorliegend ohne Bedeutung. Auch wenn diese nur in der Grundpflege, nicht hingegen in der medizinischen Behandlungspflege eingesetzt werden, üben sie pflegerische Tätigkeiten aus und sind der Leitung der Gruppe fachlich unterstellt.

Das Bundesarbeitsgericht kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da die dafür notwendigen Feststellungen getroffen sind. Die Unterstellung der Freiwilligen nach dem BFDG zusätzlich zu den unterstellten Beschäftigten begründet für die Pflegedienst einen derart erhöhten Koordinierungsaufwand, dass sich die Gruppe ihrer Struktur nach als „groß“ darstellt.

Der Koordinierungsaufwand für die Leiterin einer Gruppe steigt mit der Anzahl der fachlich unterstellten Personen, und zwar unabhängig von der Rechtsnatur des dem Unterstellungsverhältnis zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. So muss die Pflegedienst die Einweisung der Freiwilligen nach dem BFDG in ihre Tätigkeit als Pflegehilfskräfte koordinieren, sie im Dienstplan berücksichtigen, ihnen Aufgaben zuweisen und deren Bearbeitung kontrollieren. Die Freiwilligen sind ihr insoweit in gleichem Maße fachlich unterstellt wie Beschäftigte und erhöhen die quantitativen Anforderungen an ihre Leitungstätigkeit ebenso, wie wenn ihr die entsprechende Anzahl weiterer Beschäftigter im Tarifsinn unterstellt wäre. Dies macht auch der Umstand deutlich, dass dann, wenn der Bedarf an Pflegehilfskräften nicht mit Freiwilligen nach dem BFDG gedeckt werden kann; vom Arbeitgeberin ersatzweise Beschäftigte im Tarifsinn befristet eingestellt werden. Damit leitet die Pflegedienst eine Gruppe von insgesamt 16 ihr fachlich unterstellten Personen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Dienst der Freiwilligen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BFDG in der Regel ganztätig geleistet wird, ist diese Anzahl nach dem Maßstab von Satz 1 Buchst. a der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA ausreichend, um die Gruppe als „groß“ im Tarifsinn anzusehen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgeberin kommt es für diese Wertung nicht darauf an, ob die Pflegedienst bei der Einstellung von Freiwilligen nach dem BFDG mitwirkt. An den gesteigerten quantitativen Anforderungen an ihre Leitungstätigkeit ändert dies nichts. Anhaltspunkte dafür, dass die Anzahl der Freiwilligen nach dem BFDG über den Bedarf hinaus alleine zum Zwecke einer höheren Eingruppierung der Pflegedienst erhöht wurde, sind weder vorgetragen noch erkennbar.

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Darüber hinaus erfordert die Tätigkeit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch ein höheres Maß von Verantwortlichkeit iSd. Entgeltgruppe P 11 Fallgruppe 1 TVöD/VKA.

Unter „Verantwortung“ im Tarifsinn ist die Verpflichtung der Beschäftigten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort – auch von anderen Beschäftigten, zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden. Die Begriffe „Verantwortung“ und „Verantwortlichkeit“ werden dabei in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes synonym verwendet. Zur Erfüllung des Qualifizierungsmerkmals muss in der auszuübenden Tätigkeit eine Verantwortung liegen, die die regelmäßig zu tragende Verantwortung, wie sie begriffsnotwendig schon in der niedrigeren Entgeltgruppe (hier Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA) enthalten ist, auf der die höhere aufbaut, deutlich wahrnehmbar übersteigt. Unausgesprochen setzt auch die Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA ein bestimmtes, der darin beschriebenen Tätigkeit als Gruppenleitung adäquates Maß an Verantwortung voraus, weil andernfalls das Qualifizierungsmerkmal der Entgeltgruppe P 11 TVöD/VKA keine Vergleichsgröße enthielte. Die Prüfung des Verantwortungsmaßstabs setzt daher einen wertenden Vergleich mit der nach Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA geforderten Verantwortung voraus, für den die klagende Partei die tatsächlichen Grundlagen vorzutragen hat21.

Vergleichsgruppe für das Maß von Verantwortlichkeit sind nicht die Gruppenleitungen bei dem jeweiligen Arbeitgeber. Vielmehr kommt es auf die allgemeinen Anforderungen an die Verantwortung einer Gruppenleitung unter Berücksichtigung der von den Tarifvertragsparteien nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 zum TVöD/VKA vorgesehenen regelmäßigen Organisationsstruktur an22.

Ein höheres Maß von Verantwortlichkeit kann sich grundsätzlich aus den Auswirkungen der Tätigkeit für den Arbeitgeber oder auch aus der Bedeutung der Angelegenheit für Dritte oder die Allgemeinheit ergeben. Im Hinblick auf das weitere Qualifizierungsmerkmal der Entgeltgruppe P 11 TVöD/VKA ist allerdings tarifsystematisch zu beachten, dass das Maß der Verantwortung sich nicht auf das quantitative Maß der Führungsverantwortung beziehen kann. Dieses ist in dem Qualifizierungsmerkmal „Leitung einer großen Gruppe“ abgebildet. Kriterien für ein gesteigertes Maß an Verantwortung im Tarifsinn können deshalb ua. die Verantwortlichkeit für – nicht unterstellte – Beschäftigte (auch anderer Gruppen) sein, der Umstand, dass die Tätigkeit bedeutsame Auswirkungen für das Leben Dritter hat oder dass die Belange des Arbeitgebers besonders berührt werden, zB bei der Verantwortung für teure oder komplexe Geräte23.

Nach diesen Grundsätzen ist die Pflegedienst Gruppenleiterin mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit. Der Pflegedienst sind vorliegend nicht nur Aufgaben übertragen, die denjenigen einer Gruppen-/Teamleitung entsprechen, sondern – unabhängig von der Frage der organisatorischen Verselbständigung – denen einer Stationsleitung/Leitung eines Funktionsbereichs im Tarifsinn.

Mit dem Begriff der Stationsleitung ist ein bestimmtes Berufsbild verbunden. Stationsleiter/innen in der Krankenpflege koordinieren die pflegerischen Aufgaben, die Pflegeübergaben und die Pflegedokumentation in ihrem Bereich. Sie haben die Personalführung einschließlich der Dienstplangestaltung inne, wirken an der Personalentwicklung und der praktischen Ausbildung von Nachwuchskräften mit und sind für die Qualitätssicherung zuständig. Hierfür kontrollieren sie die Einhaltung der Pflegestandards und der rechtlichen Vorgaben und führen Mitarbeiterschulungen durch. Darüber hinaus wirken sie in der Betriebsführung mit. Entsprechendes gilt auch für die Leitung eines Funktionsbereichs24. Die Aufgaben einer Gruppen-/Teamleitung beschränken sich hingegen auf die Leitung einer Personengruppe, die typischerweise eine Teileinheit einer Station oder eines Funktionsbereichs darstellt.

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Die Pflegedienst ist mit der Koordinierung des Personaleinsatzes und der Erstellung von Dienstplänen betraut, führt Mitarbeitergespräche, entwirft dienstliche Beurteilungen und Zeugnisse, wirkt bei der Personalbedarfsplanung mit, ist für das Beschaffungswesen und die Qualitätssicherung zuständig und darüber hinaus Hygienebeauftragte. Sie steuert die inhaltlichen und organisatorischen Abläufe des pflegerischen Dienstes der Förderschule und übt damit Aufgaben aus, die typischerweise einer Leitung eines Funktionsbereichs übertragen sind25. Die Beschäftigten sind der Pflegedienst nicht nur fachlich, sondern auch organisatorisch unterstellt26. Dies führt zu einem deutlich höheren Maß von Verantwortlichkeit als bei der Leitung einer Gruppe iSd. Entgeltgruppe P 10 TVöD/VKA.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgeberin wird die Verantwortlichkeit nicht dadurch gemindert, dass die Pflegedienst in ein multiprofessionelles Team eingebunden ist. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass andere an der Förderschule tätige leitende Beschäftigte die der Pflegedienst übertragenen Aufgaben anstatt ihrer zu verantworten hätten. Im Übrigen wäre eine Letztverantwortlichkeit für übertragene Leitungsaufgaben auch nicht erforderlich27.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 AZR 309/20

  1. zu diesem Erfordernis BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn.19, BAGE 162, 81 [zu § 26 TVÜ-Bund][]
  2. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 27 ff. zu § 12 TV-L[]
  3. vgl. zur Stationsleitung BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn.19 mwN; 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 31; zu Zusammenhangstätigkeiten BAG 25.01.2012 – 4 AZR 264/10, Rn. 38 ff., BAGE 140, 311[]
  4. BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 26 mwN[]
  5. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 24[]
  6. BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 33; 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 26[]
  7. LAG Hamm 14.05.2020 – 17 Sa 1458/19[]
  8. BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 30[]
  9. vgl. dazu BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 31[]
  10. ausf. zur „großen Station“ BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 23 ff.[]
  11. zu den Auslegungsgrundsätzen BAG 11.11.2020 – 4 AZR 210/20, Rn.20 mwN[]
  12. Duden Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl. Stichwort „fachlich“[]
  13. vgl. zum BAT BAG 22.03.2000 – 4 AZR 118/99, zu I 4 a bb der Gründe, BAGE 94, 154[]
  14. vgl. hierzu BAG 16.05.2012 – 4 AZR 290/10, Rn. 47 ff.; 15.02.2006 – 4 AZR 66/05, Rn. 18 ff.[]
  15. vgl. dazu ausführlich zuletzt BAG 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, Rn. 30 ff.[]
  16. BT-Drs. 17/4803 S. 17[]
  17. BT-Drs. 17/4803 S. 18; Schaub/Vogelsang 18. Aufl. § 177 Rn. 23[]
  18. vgl. GMP/Schlewing 9. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 105[]
  19. vgl. zur Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zuletzt zB BAG 13.11.2019 – 4 AZR 490/18, Rn. 50, BAGE 168, 306[]
  20. vgl. zum höheren Maß von Verantwortlichkeit BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 39[]
  21. zu Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 38[]
  22. zur „Station“ BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 39[]
  23. vgl. zu Entgeltgruppe P 13 TVöD/VKA BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 40[]
  24. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 22 mwN, 29[]
  25. vgl. dazu BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 22[]
  26. vgl. zu dieser Abgrenzung Breier/Dassau/Faber/Hoffmann TVöD Entgeltordnung VKA Stand September 2020 EntgO (VKA) Teil B XI 2 D 1.03.11.2 Erl.03.01.1 Rn. 22[]
  27. BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 25 [zur Stationsleitung][]