Eingruppierung eines Beschäftigten – in einer Serviceeinheit eines Landgerichts

Für die Eingruppierung eines in einer Serviceeinheit eines Landgerichts beschäftigten Justizangestellten, bei dem sich das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem TV-L sowie dem TVÜ-Länder bestimmt, sind §§ 22, 23 BAT sowie die Tätigkeitsmerkmale des Teils II Abschnitt T Unterabschnitt I – Angestellte bei Gerichten und Staatsanwaltschaften – der Anlage 1a zum BAT maßgebend.

Eingruppierung eines Beschäftigten – in einer Serviceeinheit eines Landgerichts

§ 17 TVÜ-Länder ordnet zunächst die Weitergeltung von §§ 22, 23 BAT einschließlich der Anlage 1a bis zum 31.12.2011 an. Die ursprünglich nur als vorübergehend angesehene Überleitung der Angestellten entsprechend der Anlage 2 zum TVÜ-Länder im Sinne einer formalen Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppen des BAT zu den neuen Entgeltgruppen des TVÜ-Länder ist mit Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung zum TV-L am 1.01.2012 als grundsätzlich dauerhaft bestimmt worden (§ 29a Abs. 2 TVÜ-Länder). Eine Überprüfung und ggf. Neufeststellung der mit der Überleitung erfolgten Eingruppierungen sollte danach für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit nicht mehr stattfinden1. Danach verbleibt es grundsätzlich – soweit sich die Tätigkeit nicht ändert2 – auch nach dem 1.01.2012 bei der zuvor zutreffenden Eingruppierung.

Der Arbeitnehmer übt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die ihm übertragene Tätigkeit in einer Serviceeinheit bei dem Landgericht E seit dem Jahr 2002 unverändert aus.

In Anwendung von § 22 BAT iVm. § 29a Abs. 2 TVÜ-Länder iVm. der Anlage 2 zum TVÜ-Länder war der Arbeitnehmer nach Überleitung aus Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 2 BAT in der Zeit vom 01.02.2018 bis zum 31.12.2018 nach Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TV-L zu vergüten.

Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BAT ist der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BAT). Nach Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (zB unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Die Tätigkeit des Arbeitnehmers macht im hier entschiedenen Fall, mit Ausnahme der Protokollführung in Strafsachen, einen einheitlichen, 95, 75 vH der Gesamtarbeitszeit erfassenden, Arbeitsvorgang aus.

Nach § 22 Abs. 2 BAT ist Bezugspunkt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT auch Zusammenhangarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten3.

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Die zu diesem Ergebnis führende Auslegung der tariflichen Bestimmungen hat das Bundesarbeitsgericht ausführlich in der Entscheidung vom 09.09.20204 begründet und sich dabei auch mit der vom beklagten Land vertretenen Auffassung auseinandergesetzt. Auf die dortigen Ausführungen wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass – entgegen der Auffassung des beklagten Landes – der durch das Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung weder die Systematik der tariflichen Regelungen noch die Tarifgeschichte entgegenstehen.

Das vom Bundesarbeitsgericht bei der Auslegung zugrunde gelegte Verständnis des Arbeitsvorgangs aufgrund einer „natürlichen Betrachtungsweise“ und damit die Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang führt nicht dazu, dass der Klammerzusatz zu Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT „praktisch vollends leer“ läuft5. Bei natürlicher Betrachtungsweise ist – in Abgrenzung zu einer wissenschaftlichen, juristischen oder persönlichen Betrachtung6 – darauf abzustellen, ob ein objektiver Außenstehender die einzelnen Tätigkeiten einem oder mehreren Arbeitsergebnissen zuordnen würde. Maßgebend ist daher, wie die Tätigkeit allgemein beschrieben und verstanden wird. Das ist abhängig von der durch den Arbeitgeber vorgenommenen Arbeitsorganisation. Je universeller eine Aufgabenzuweisung erfolgt, desto wahrscheinlicher ist es, dass bei natürlicher Betrachtungsweise ein großer Arbeitsvorgang vorliegt. Dementsprechend hängt es von der Organisation des Arbeitgebers ab, in welchem Umfang Tätigkeiten wie die in dem Klammerzusatz genannten zu einem eigenständigen Arbeitsergebnis führen. Das folgt aus der durch die Tarifvertragsparteien gewollten Abkehr von einer Bewertung von Gesamt- und Einzeltätigkeiten.

Die Zusammenfassung wiederkehrender und gleichartiger Tätigkeiten dient der Praktikabilität. Sie verändert die Eingruppierung nicht7, da sie nur gleichartige Tätigkeiten betrifft. Ob es einen Arbeitsvorgang gibt oder viele, die jeweils gleich zu bewerten sind, weil sie die gleichen Tätigkeiten erfordern, zieht keine unterschiedliche Eingruppierung nach sich.

Die teilweise geforderte Berücksichtigung der Tarifhistorie im Hinblick auf die Zeit vor Einführung des Arbeitsvorgangs als Bewertungskriterium8 führt nicht zu einem anderen Verständnis der tariflichen Regelungen. Soweit in Entscheidungen vor 1975 der Begriff „Arbeitsvorgang“ verwendet wurde, lässt dies keinen Rückschluss auf dessen Verständnis in § 22 BAT oder § 12 TV-L zu. Eine Definition des Arbeitsvorgangs, auf die die Tarifvertragsparteien bei Vereinbarung der neuen Eingruppierungsregelungen hätten zurückgreifen können, ist dabei nicht erfolgt9.

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Auch soweit das Bundesarbeitsgericht in früheren Entscheidungen Tätigkeiten einem „Arbeitsvorgang“ zugeordnet hat, liegt dieses Verständnis weder § 22 BAT noch § 12 TV-L zugrunde. Vor Einführung der neuen Eingruppierungsregelungen ist der Begriff als Synonym für die einzelnen Aufgaben eines Beschäftigten verstanden worden. Das Bundesarbeitsgericht ist zunächst davon ausgegangen, der Arbeitsvorgang sei kleiner als das Aufgabengebiet10 und hat dann beispielhaft Arbeitsvorgänge aufgeführt als Darstellung politischer Grenzen, Ortschaften, Flussläufe und Bodenbeschaffenheit bei Erstellung einer topographischen Karte11 oder als Festsetzung der Beschäftigungszeit, Dienstzeit, Berufszeit und Grundvergütung bei der selbstständigen Errechnung von Vergütungen12. In der Entscheidung vom 10.12.196913 hat er den Begriff des „einzelnen Arbeitsvorgangs“ gleichbedeutend mit einer „Einzelaufgabe“ verwendet. „Arbeitsvorgänge“ iSd. § 22 BAT und § 12 TV-L sind aber nicht Einzeltätigkeiten, sondern die Arbeitsleistungen, die zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen.

Soweit sich das beklagte Land erstmalig in der Revisionsinstanz darauf berufen hat, auch eine Mitteilung der – den BAT mit abschließenden – Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr aus dem Jahr 1975 belege, dass die Tarifvertragsparteien unter einem Arbeitsvorgang in Abkehr vom Begriff der „Gesamttätigkeit“ kleinere Einheiten verstanden hätten, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag noch berücksichtigungsfähig ist (vgl. § 559 Abs. 1 ZPO). Der gewerkschaftlichen Mitteilung kann nicht entnommen werden, eine Begrenzung der Arbeitsvorgänge auf möglichst kleine Einheiten sei Ziel beider Tarifvertragsparteien gewesen. Vielmehr wird in dieser davon ausgegangen, die Beispiele in dem Klammerzusatz zu Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT seien formuliert worden, damit „unter Bearbeitung eines Aktenvorgangs keine engbegrenzte Arbeitsleistung verstanden werden kann“.

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze bilden – mit Ausnahme der Protokollführung in Strafsachen – sämtliche dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten einen, 95, 75 vH der Arbeitszeit erfassenden Arbeitsvorgang. Diese dienen dem Arbeitsergebnis der Betreuung der Aktenvorgänge in der Serviceeinheit vom Eingang bis zum Abschluss des Verfahrens.

Der Begriff des Arbeitsvorgangs unterliegt als feststehender, abstrakter und den Parteien vorgegebener Rechtsbegriff in vollem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht, das bei Vorliegen der erforderlichen Tatsachenfeststellungen die Arbeitsvorgänge auch selbst bestimmen kann14.

Die Büro- und Schreibtätigkeiten, die Vorprüfung der Zuständigkeit, die Aufstellung von Vorschusskostenrechnungen für die Prozessgebühren, die Zustellung von Entscheidungen, die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen und Vollstreckungsklauseln, die selbstständige Beantwortung schriftlicher und mündlicher Sachstandsanfragen und Auskunftsersuchen formeller Art, die Verfügungen nach den Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi), die Entscheiderassistenz, die Tätigkeit des Kostenbeamten, die Ladung der Handelsrichter, die Vorbereitung von Verfügungen und die Erteilung der Notfristatteste dienen, bezogen auf den Aufgabenkreis des Arbeitnehmers, einem Arbeitsergebnis. Bei natürlicher Betrachtung ist dieses nicht jeweils die Erledigung der einzelnen anfallenden Aufgaben, sondern die vollständige Bearbeitung der Aktenvorgänge. Alle (Einzel-)Aufgaben sind, anders als die in Nr. 1 der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BAT genannten Beispiele, lediglich notwendige Zwischenschritte auf dem Weg zum endgültigen Abschluss des Verfahrens, die für sich genommen nicht zu einem eigenen Arbeitsergebnis führen. So wird durch die Erteilung einer Vollstreckungsklausel oder die Anordnung einer Zustellung zwar dem Verfahren Fortgang gegeben und dieses seinem Abschluss nähergebracht, der Vorgang aber nicht beendet. Daran ändert nichts, dass die Bearbeitung der Akte und damit die Tätigkeit des Arbeitnehmers durch Eingänge und Verfügungen sachbearbeitender Richter oder Rechtspfleger „unterbrochen“ wird und daher in mehreren Teilschritten erfolgt15. Demgegenüber endet die Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld ebenso wie die Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz mit dem Erlass eines Bescheids und ist damit abgeschlossen. Auch die Erstellung eines EKG oder die Fertigung einer Bauzeichnung führt – wenn nur dies als Tätigkeit zugewiesen ist, zur Erledigung der Aufgabe als Ganzes, nicht aber nur zur Erfüllung eines Zwischenschritts.

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Diesem Arbeitsergebnis sind auch die Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Zahlungsbestimmung zuzuordnen. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist zum Hauptverfahren zu zählen und untrennbar mit diesem verbunden.

Weiterhin sind die Aufgaben der Zählkartenanordnung als Zusammenhangarbeiten Teil dieses Arbeitsvorgangs. Sie sind erforderlich, um die Aktenbearbeitung organisieren und strukturiert durchführen zu können16.

Entgegen der Auffassung der Revision führen die Aufgaben nicht deshalb zu verschiedenen Arbeitsergebnissen, weil sie nach der durch das beklagte Land vorgenommenen Arbeitsorganisation organisatorisch voneinander getrennt zugewiesen worden wären. Die „ganzheitliche“ Übertragung der Tätigkeiten schließt zwar eine solche Trennung nicht von vornherein aus. Diese beschreibt lediglich das Konzept der Serviceeinheit und lässt keinen zwingenden Schluss auf die tatsächliche Arbeitsorganisation zu. Eine organisatorische Trennung ergibt sich aber weder aus der GStO NRW noch aus der AktO NRW oder den rechtlichen und tatsächlichen Umständen der Tätigkeit.

§ 4 GStO NRW lässt sich der vom beklagten Land angenommene „aufgabenbezogene Ansatz“ nicht entnehmen. Die Aufzählung der Aufgaben in mehreren Absätzen kennzeichnet keine organisatorische Trennung. Vielmehr enthält § 4 Abs. 1 GStO NRW lediglich eine allgemeine Beschreibung, die in § 4 Abs. 2 GStO NRW konkretisiert wird. Darüber hinaus steht die in § 4 Abs. 4 GStO NRW erwähnte „ganzheitliche Bearbeitungsweise“ der Annahme, in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GStO NRW würden getrennt zugewiesene Aufgaben beschrieben, entgegen. Zudem enthält die GStO NRW eine allgemeine Aufgabenbeschreibung für alle Geschäftsstellen an allen Gerichten in NRW. Sie ist damit – anders als die in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.02.201817 berücksichtigte Geschäftsstellenordnung für das Bundesverwaltungsgericht – nicht auf den Aufgabenbereich des Arbeitnehmers zugeschnitten.

Der AktO NRW lässt sich ebenfalls keine getrennte Zuweisung von Tätigkeiten an den Arbeitnehmer entnehmen. Diese enthält generelle Vorgaben zur Aktenführung und -verwaltung, bestimmt aber nicht, durch wen diese in welcher Art und Weise vorzunehmen ist.

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Soweit für die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben unterschiedliche Rechtsgrundlagen (zB § 3 KostVfG, §§ 127, 168, 706, 724 ZPO) bestehen, hat diese gesetzliche Festlegung der Zuständigkeit einzelner Organe der Rechtspflege keinen Einfluss auf die Arbeitsorganisation. Die Normen erlauben keinen Rückschluss darauf, welcher Person konkret welche Aufgaben übertragen werden, und ob dies zusammen mit anderen oder getrennt von diesen erfolgt.

Die dem Arbeitnehmer übertragene „Protokollführung in Strafsachen“ mit einem Anteil von 4, 25 vH der Arbeitszeit betrifft demgegenüber einen anderen Arbeitsbereich und steht in keinem Zusammenhang mit der Aktenführung in einer zivilrechtlichen Serviceeinheit. Diese bildet einen eigenen Arbeitsvorgang.

Bei der innerhalb des 95, 75 vH der Arbeitszeit ausmachenden Arbeitsvorgangs auszuübenden Tätigkeit des Arbeitnehmers handelt es sich um die eines Angestellten in einer Serviceeinheit bei Gericht iSd. Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1a/Vb Fallgruppe 2 BAT, die sich dadurch aus der Vergütungsgruppe VIb Fallgruppe 1a BAT heraushebt, dass sie schwierig ist.

Der Arbeitnehmer ist Angestellter in einer Serviceeinheit iSd. Protokollnotiz Nr. 1a zu Teil II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT. Er hat zwar keine Berufsausbildung zum Justizfachangestellten erfolgreich abgeschlossen, ist aber sonstiger Angestellter iSd. Protokollnotiz. Darüber hinaus bearbeitet er in einer durch das beklagte Land eingerichteten Serviceeinheit ganzheitlich Aufgaben eines Justizfachangestellten18.

Eine Eingruppierung als sonstiger Angestellter erfordert, dass der Arbeitnehmer über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie ein Justizfachangestellter verfügt. Dabei wird nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Berufsausbildung vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebiets, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet nicht ausreichen. Solche gleichwertigen Fähigkeiten können insbesondere durch Berufserfahrung erworben sein; auch aus der auszuübenden Tätigkeit können Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen eines Angestellten gezogen werden19.

Danach ist der Arbeitnehmer als sonstiger Angestellter anzusehen. Er verfügt ausweislich der Tätigkeitsdarstellung und -bewertung vom 12.05.2003 über eine Ausbildung für den Kanzleidienst mit Abschlussprüfung und ist seit 1992 von dem beklagten Land als Geschäftsstellenverwalter eingesetzt worden. Zudem hat er eine viermonatige Schulung am Arbeitsplatz inklusive Vermittlung des erforderlichen fachtheoretischen Wissens erhalten. Der Arbeitnehmer verfügt daher über gleichwertige Fähigkeiten zu denen eines Justizfachangestellten. Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.

Im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Betreuung der Akten in einer Serviceeinheit“ fallen schwierige Tätigkeiten iSd. Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1a/Vb Fallgruppe 2 BAT in rechtserheblichem Ausmaß an. Dieser umfasst 95, 75 vH und damit mindestens die Hälfte der Arbeitszeit (§ 22 Abs. 2 Satz 2 BAT) des Arbeitnehmers.

Bei der Bewertung eines Arbeitsvorgangs ist es zur Erfüllung einer qualifizierenden tariflichen Anforderung, hier der „schwierigen“ Tätigkeit, ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs schwierige Tätigkeiten ihrerseits in dem von § 22 Abs. 2 Satz 2, Satz 5 BAT bestimmten Maß anfallen. Hinsichtlich der zu diesem Ergebnis führenden Auslegung der tariflichen Bestimmungen sowie der Auseinandersetzung mit den hiergegen vorgebrachten Argumenten des beklagten Landes kann erneut auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 09.09.202020 verwiesen werden.

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Gemessen an diesen Grundsätzen übt der Arbeitnehmer mindestens zur Hälfte der ihm übertragenen Tätigkeit schwierige Tätigkeiten iSd. Vergütungsgruppe Vc/Vb BAT aus.

Die Ladung der Handelsrichter, die Zustellung von Entscheidungen, die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen, Vollstreckungsklauseln und Notfristattesten, die Aufgaben nach der Zählkartenanordnung, die Aufstellung von Vorschusskostenrechnungen für die Prozessgebühren, die Aufgaben bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Zahlungsbestimmung, die Tätigkeit des Kostenbeamten nach Verfahrensabschluss, die Vorbereitung von Verfügungen, die Vorprüfung der Zuständigkeit und die selbstständige Beantwortung schriftlicher und mündlicher Sachstandsanfragen und Auskunftsersuchen formeller Art sind nach Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. a, b, c, e, g, h Teil II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT schwierige Tätigkeiten iSd. Tätigkeitsmerkmals. Gleiches gilt für die Verfügungen nach der MiZi und die Entscheiderassistenz. Diese sind zwar nicht explizit im Katalog der schwierigen Tätigkeiten aufgelistet, entsprechen aber ihrer Wertigkeit nach den in Protokollnotiz Nr. 2 Buchst. c und g Teil II Abschnitt T Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT aufgelisteten Tätigkeiten21. Dies entspricht auch der Bewertung des beklagten Landes. Der Anteil dieser Tätigkeiten an der vom Arbeitnehmer auszuübenden Gesamtarbeitszeit beträgt 43, 08 vH, mithin 45 vH des maßgebenden Arbeitsvorgangs.

Damit fallen schwierige Tätigkeiten innerhalb des maßgebenden Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß an. Ohne diese kann ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis im Hinblick auf den Zuschnitt der auszuübenden Tätigkeit nicht erzielt werden, die Aktenbearbeitung wäre unvollständig. Das zeitliche Ausmaß ist rechtserheblich.

Der Arbeitnehmer konnte daher zunächst ab dem 1.01.2002 ein Entgelt nach Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1a BAT sowie nach Ablauf der Bewährungszeit ab dem 1.01.2005 ein solches nach Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 2 BAT beanspruchen.

Zum 1.11.2006 war der Arbeitnehmer in die „kleine“ Entgeltgruppe 9 TV-L (Stufenlaufzeit in Stufe 2 von fünf Jahren) überzuleiten (Teil A Anlage 2 zum TVÜ-Länder) und zunächst einer individuellen Zwischenstufe zuzuordnen, die jedenfalls zwischen den Entgeltstufen 3 und 4 lag.

Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TV-L war für die überzuleitenden Beschäftigten nach § 5 TVÜ-Länder ein Vergleichsentgelt unter Berücksichtigung der Grundvergütung, der allgemeinen Zulage und des Ortszuschlags der Stufe 1 oder 2 auf Grundlage der den Beschäftigten im Oktober 2006 zustehenden Bezüge zu bilden. Entsprechend diesem Vergleichsentgelt waren sie dann zunächst einer individuellen Zwischenstufe zuzuordnen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder).

Unter Zugrundelegung des – mangels anderweitigem Vortrag – kleinsten möglichen Ortszuschlags und unter Außerachtlassung etwaiger Funktionszulagen war für den Arbeitnehmer ein Vergleichsentgelt iHv.02.576,63 € brutto zu bilden. Die Grundvergütung für die Lebensaltersstufe nach vollendetem 39. Lebensjahr betrug in Vergütungsgruppe Vb BAT 1.959,67 € (Anlage 1c zum Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 31.01.2003 – VergTV), der Ortszuschlag Stufe 1 für Vergütungsgruppe Vb BAT 502,36 € (§ 29 Abs. 1, Abs. 2 BAT iVm. Anlage 5c zum VergTV) und die allgemeine Zulage 114,60 € (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte Bund/Länder vom 17.05.1982 idF vom 19.10.2001). Ab dem 1.11.2006 war für Entgeltgruppe 9 Stufe 3 ein Entgelt in Höhe von 2.410,00 € und für Stufe 4 ein solches in Höhe von 2.730,00 € vorgesehen.

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Zum 1.11.2008 erfolgte ein Stufenaufstieg in Entgeltgruppe 9 Stufe 4 TV-L (§ 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder).

Zum 1.01.2019 ist der Arbeitnehmer, da seine Tätigkeit unverändert geblieben ist, gemäß § 29b Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TVÜ-Länder in Entgeltgruppe 9a Stufe 6 TV-L übergeleitet worden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2023 – 4 AZR 36/22 (F)

  1. sh. Protokollerklärung zu § 29a Abs. 2 TVÜ-Länder; vgl. BAG 27.02.2019 – 4 AZR 562/17, Rn. 18 mwN[]
  2. sh. etwa BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn.19, BAGE 172, 130[]
  3. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 27 mwN, BAGE 172, 130[]
  4. BAG 09.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 28 – 57, BAGE 172, 130[]
  5. so aber zu Nr. 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TV-L Geyer ZTR 2021, 539, 552[]
  6. für Letzteres allerdings Geyer ZTR 2021, 539, 553[]
  7. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Januar 2023 Teil II § 12 Rn. 386 ff.[]
  8. vgl. insbesondere Geyer ZTR 2021, 539, 552[]
  9. vgl. zB die Verwendung des Begriffs ohne jegliche Erläuterung in BAG 23.05.1973 – 4 AZR 349/72; 27.03.1968 – 4 AZR 256/67; 14.02.1968 – 4 AZR 148/67[]
  10. BAG 9.10.1957 – 4 AZR 96/55, BAGE 5, 27[]
  11. BAG 6.12.1961 – 4 AZR 285/60, BAGE 12, 91[]
  12. BAG 27.10.1970 – 4 AZR 487/69[]
  13. BAG 10.12.1969 – 4 AZR 87/69[]
  14. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 59, BAGE 172, 130[]
  15. hierzu ausf. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 61, BAGE 172, 130[]
  16. vgl. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 60, BAGE 172, 130[]
  17. BAG 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn. 3, 30, BAGE 162, 81[]
  18. vgl. hierzu die Anlage zu § 4 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Justizfachangestellten/zur Justizfachangestellten vom 26.01.1998[]
  19. BAG 9.09.2020 – 4 AZR 196/20, Rn. 60[]
  20. BAG 09.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 65 ff., BAGE 172, 130[]
  21. vgl. zur Heranziehung der Tätigkeitsbeispiele als Richtlinien für die Subsumtion unter den Oberbegriff BAG 5.05.2021 – 4 AZR 666/19, Rn. 55; 14.10.2020 – 4 AZR 252/19, Rn. 42[]