Eingruppierung eines Service-Agenten am Flughafen – und die "eingehende fachliche Einarbeitung"

Eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ im Sinne der Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA ist erforderlich, wenn zur Ausübung der Tätigkeit fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden, die – ohne eine Vor- oder Ausbildung vorauszusetzen – vom Arbeitgeber in der Regel binnen eines Zeitraums von sechs Wochen vermittelt werden können. Qualifikationen wie diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Rahmen der Vollzeitschulpflicht vermittelt werden und daher von einem Beschäftigten im Regelfall außerhalb des Arbeitsverhältnisses und unabhängig von diesem erworben werden, sind keine Vor- oder Ausbildung im Tarifsinn.

Eingruppierung eines Service-Agenten am Flughafen – und die "eingehende fachliche Einarbeitung"

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte ein „Service Agent“ geklagt, der seit dem Jahr 2015 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt ist. Der Arbeitnehmer ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di, die Arbeitgeberin ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e.V. Diese vergütet ihn nach Entgeltgruppe 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA). In der Zeit vom 01.09.2020 bis zum 30.09.2023 erhielt der Arbeitnehmer ein teilweise abweichendes Entgelt nach § 2 Abs. 1 S. 1 des Notlagentarifvertrags für den Dienstleistungsbereich der Flughäfen (Notlagen-TV Flughäfen 2020) vom 01.12.2020. 

Nach der für die Tätigkeit des Arbeitnehmers erstellte Stellenbeschreibung vom 29.04.2020 hat dieser sicherzustellen, dass die mit den Kunden vereinbarten Serviceleistungen – Betreuung älterer, mobilitätseingeschränkter oder behinderter Fluggäste, alleinreisender Kinder und anderer Fluggäste, die eine Begleitung benötigen – erbracht werden. Jedenfalls bis März 2020 erfolgte die Einarbeitung neuer Beschäftigter in einer 34-tägigen „Einweisungsphase“. Diese bestand aus einem „Lauftag“ zur Klärung organisatorischer Fragen, insgesamt acht Tagen theoretischer Schulung, sechs Tagen begleitetem Arbeiten („praktische Einweisung“), sieben Tagen Vertiefung („eigenständiges Arbeiten mit Einweiser im Standby“), fünf Tagen selbstständiger Arbeit im Betrieb sowie einem Workshop am letzten Tag. Die weiteren Tage waren arbeitsfrei. Es existieren ein Handbuch „Theoriewoche“ sowie ein „Betriebshandbuch“, in denen die Tätigkeiten der Service Agents eingehend beschrieben werden. Die Arbeitgeber beabsichtigt, die Einarbeitung zukünftig nach einem neuen Konzept vorzunehmen, in dem ein „Check In Day“, vier Tage „Boarding Training“ (theoretische Einweisung), drei Tage „Off Block“ (praktische Einweisung) sowie acht bis zwölf Tage „Take Off“ (begleitetes Arbeiten) vorgesehen sind. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu diesem Konzept verweigert. Es wird seit Januar 2022 im Rahmen einer Pilotierung angewendet.

Der Arbeitnehmer hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA zu, da für seine Tätigkeit, wie sich aus der 34-tägigen Einweisungsphase ergebe, eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ erforderlich sei. Eine solche sei bereits bei einer Dauer von in der Regel zwei bis vier Wochen gegeben. Zudem seien zur Ausübung der Tätigkeit weitere Kenntnisse, insbesondere hinsichtlich Fremdsprachen erforderlich. Darüber hinaus benötige er Einfühlungsvermögen und müsse die kulturellen und religiösen Hintergründe der zu befördernden Personen kennen und berücksichtigen. Das ergebe sich aus dem „Handbuch Theoriewoche“ und dem „Betriebshandbuch“. Daher sei insgesamt von einer die Einweisungsphase deutlich übersteigenden erforderlichen Einarbeitungszeit auszugehen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat seine Einstufungsklage abgewiesen1. Auf die Berufung des Arbeitnehmers hat das Hessische Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben2.Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil wiederhergestellt:

Der Arbeitnehmer ist als „Service Agent“ nicht nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA zu vergüten und kann daher keine Vergütungsdifferenz nebst Zinsen im Zeitraum von März 2019 bis Mai 2022 beanspruchen.

Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Damit richtet sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers – je nachdem, ab wann die beiderseitige Tarifgebundenheit bestand und ob ggf. der Arbeitnehmer einen Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) gestellt hat – nach § 22 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den in der Anlage 1a zum BAT geregelten Tätigkeitsmerkmalen oder nach § 12 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Hierzu fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Zugunsten des Arbeitnehmers kann aber unterstellt werden, dass sich die Eingruppierung – wie von ihm behauptet – nach § 12 TVöD/VKA iVm. der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA richtet.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es handele sich bei der Tätigkeit des Arbeitnehmers um einen einheitlichen Arbeitsvorgang.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA).

Nach § 12 Abs. 2 TVöD/VKA ist Bezugspunkt der tariflichen Bewertung der Arbeitsvorgang. Maßgebend für dessen Bestimmung ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben einer Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten3.

Danach handelt es sich bei den vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeiten um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Diese dienen sämtlich der Erfüllung der der Arbeitgeberin nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 obliegenden Verpflichtungen, mithin der Gewährleistung von Flugreisemöglichkeiten für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität, die denen anderer Bürger vergleichbar sind. Die Dokumentation dieser Tätigkeiten ist der Hilfeleistung selbst als Zusammenhangstätigkeit hinzuzurechnen.

Das Landesarbeitsgericht ist nach summarischer Prüfung zutreffend davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers jedenfalls eine „fachliche Einarbeitung“ iSd. Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA erfordert und damit die tarifliche Anforderung einer „einfachen Tätigkeit“ erfüllt. Sie hebt sich aber entgegen dessen Auffassung nicht aus einer Tätigkeit nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA heraus. Nach dem Vortrag des Arbeitnehmers ist nicht ersichtlich, dass eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ iSd. Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA erforderlich ist.

Eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ ist erforderlich, wenn zur Ausübung der Tätigkeit fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden, die – ohne eine Vor- oder Ausbildung vorauszusetzen – vom Arbeitgeber in der Regel binnen eines Zeitraums von sechs Wochen vermittelt werden können. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Vorschriften4.

Eine „Einarbeitung“ dient nach der Definition im Klammerzusatz Satz 2 zu Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA dem Erwerb derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Beherrschung der Arbeitsabläufe als solche erforderlich sind. „Eingehend“ bedeutet „sorgfältig und bis ins Einzelne gehend; ausführlich, breit, gründlich, intensiv, umfassend“5; unter „fachlich“ ist „ein bestimmtes Fach betreffend, dazu gehörend“6 zu verstehen. Eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ ist daher eine solche, bei der für die Tätigkeit objektiv erforderliche – und nicht nur förderliche – fachbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten ausführlich vermittelt werden.

Aus der Systematik der tariflichen Regelungen ergibt sich, dass eine Einarbeitung in der Regel nur dann im zeitlichen Sinn als „eingehend“ angesehen werden kann, wenn sie einen Zeitraum von mindestens sechs Wochen erfordert.

Die Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA hebt sich durch die „eingehende fachliche Einarbeitung“ aus einer solchen nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA heraus. Für eine „einfache Tätigkeit“ iSd. Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA ist nach deren Klammerzusatz Satz 1 lediglich eine fachliche Einarbeitung erforderlich, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht. Die „einfache Tätigkeit“ wiederum muss von der „einfachsten Tätigkeit“ der Entgeltgruppe 1 TVöD/VKA abgegrenzt werden.

Einfachste Tätigkeiten iSd. Entgeltgruppe 1 TVöD/VKA sind solche, die an Einfachheit nicht zu überbieten sind. Für eine ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgaben muss eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase von maximal ein bis zwei Tagen ausreichend sein. Es handelt sich im Wesentlichen um gleichförmige und gleichartige – gleichsam „mechanisch“ durchzuführende – Tätigkeiten7. Ist hingegen eine zweiwöchige Einarbeitungszeit erforderlich, um die Arbeitsabläufe beherrschen zu können, handelt es sich in der Regel bereits um eine einfache Tätigkeit iSd. Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA8. Diesen Zeitraum muss eine „eingehende fachliche Einarbeitung“, um sich von der nach Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA erforderlichen Einarbeitung ihrer Intensität nach hinreichend abzuheben, jedenfalls deutlich überschreiten. In der Regel wird daher ein Zeitraum von sechs Wochen erforderlich sein, um eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ annehmen zu können. Je nach Inhalt der Einarbeitung können auch kürzere oder längere Zeiträume ausreichend oder erforderlich sein.

Die „eingehende fachliche Einarbeitung“ bezieht sich dabei auf Kenntnisse und Fertigkeiten, die von der Arbeitgeberin vermittelt werden können und darüber hinaus keine spezielle Vor- und Ausbildung voraussetzen.

Die Heraushebung aus Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA, für deren Tätigkeiten ausdrücklich keine Vor- oder Ausbildung erforderlich ist, besteht ausschließlich in der nach Inhalt und Dauer intensiveren Einarbeitung. Dementsprechend kann auch bei Tätigkeiten der Entgeltgruppe 3 TVöD/VKA keine Vor- oder Ausbildung vorausgesetzt werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass bei dem jeweiligen Arbeitnehmer überhaupt keine Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden könnten. Die Anforderung bezieht sich ausweislich des Klammerzusatzes Satz 1 zu Entgeltgruppe 2 TVöD/VKA lediglich auf die spezielle Tätigkeit und die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, nicht aber auf die allgemeine (Vor-)Bildung des Arbeitnehmers. Qualifikationen, die im Regelfall von jedermann außerhalb des Arbeitsverhältnisses und unabhängig von diesem erworben werden, sind daher keine Vor- und Ausbildung im Tarifsinn9. Hierzu zählen insbesondere die im Rahmen der Vollzeitschulpflicht vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten und damit solche, über die Schüler mit dem einfachen Hauptschulabschluss als dem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 HSchG) verfügen.

Für die Ermittlung der erforderlichen Einarbeitung ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht maßgebend, welche Kenntnisse und Fertigkeiten die Arbeitgeberin tatsächlich vermittelt und welche sie in einem „Anforderungsprofil“ voraussetzt. Vielmehr kommt es darauf an, welche Einarbeitung objektiv bei einem Arbeitnehmer ohne Vor- und Ausbildung erforderlich ist, um die Tätigkeit ausüben zu können. Anderenfalls könnte die Arbeitgeberin durch ein höheres Anforderungsprofil die tarifliche Bewertung beeinflussen. Werden für die Tätigkeit Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt, die die Arbeitgeberin nicht als allgemeine Bildung voraussetzen kann, ist der Zeitraum, der für deren Erwerb erforderlich ist, der Einarbeitungszeit auch dann hinzuzurechnen, wenn diese nicht von der Arbeitgeberin vermittelt, sondern von ihr vorausgesetzt werden.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts unterliegt, soweit es um die Anwendung des Begriffs der „eingehenden fachlichen Einarbeitung“ und damit um die eines unbestimmten Rechtsbegriffs geht, nur der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Es kann nur dahingehend überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff als solchen erkannt und ihn bei der Subsumtion beibehalten hat, ob es Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat sowie darauf, ob es in sich widerspruchsfrei ist10.

Diesem Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Tätigkeit des Arbeitnehmers bedürfe einer „eingehenden fachlichen Einarbeitung“. Es sei entweder eine Einarbeitungszeit von mehr als sechs Wochen oder bei einer kürzeren Einarbeitungszeit eine Vorbildung erforderlich. Der Arbeitnehmer habe nicht nur physisch Barrierefreiheit herzustellen, sondern eine auf das Individuum angepasste interkulturelle Interaktion und eine professionelle Gesprächsführung in einer Fremdsprache durchzuführen. Er benötige daher kulturelle und kommunikative Kompetenzen sowie Sprachkenntnisse, die die Arbeitgeber nicht als „Teil eines Jedermann-Profils“ voraussetzen dürfe und die nur in einer Einarbeitung von mehr als sechs Wochen erlernt werden könnten.

Damit ist das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, eine „eingehende fachliche Einarbeitung“ erfordere regelmäßig einen Zeitraum von sechs Wochen. Es hat auch erkannt, dass bestimmte Vorkenntnisse keine „Vor- oder Ausbildung“ im Tarifsinn sind. Es ist aber von einem unzutreffenden Begriff der „Vor- und Ausbildung“ ausgegangen und hat zudem wesentliche Umstände bei der Subsumtion nicht berücksichtigt.

Das Landesarbeitsgericht hat lediglich solche Kenntnisse und Fertigkeiten nicht als „Vor- oder Ausbildung“ angesehen, die als „Teil eines Jedermann-Profils“ durch die Arbeitgeberin vorausgesetzt werden können. Hiervon sollen lediglich Kenntnisse, die Lesen und Schreiben vergleichbar sind, erfasst werden. Es hat damit den Begriff der „Vor- und Ausbildung“ zu eng gefasst. Während der Schulbildung, die mit einem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss endet, werden über Lesen und Schreiben hinausgehende Kenntnisse und Fertigkeiten – ua. Fremdsprachenkenntnisse – vermittelt.

Weiterhin hat das Landesarbeitsgericht bei der Annahme, es sei die Vermittlung von kulturellen und kommunikativen Kompetenzen erforderlich, außer Acht gelassen, dass dies Teil der durch die Arbeitgeber durchgeführten Einarbeitung ist. Aus dem durch den Arbeitnehmer vorgelegten; und vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Schulungsmaterial ergibt sich, dass neu eingestellte Arbeitnehmer ua. Informationen zu verschiedenen Arten von Behinderungen sowie zu Kommunikation und Umgang mit den mobilitätseingeschränkten Personen, die die Dienstleistungen der Arbeitgeberin in Anspruch nehmen, erhalten. Ferner werden fremde Kulturen und der durch die Arbeitgeber gewünschte Umgang mit diesen dargestellt.

Das Bundesarbeitsgericht kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, da die dafür notwendigen Feststellungen getroffen sind. Selbst wenn – wie vom Arbeitnehmer behauptet – die früher praktizierte „Einweisungsphase“ von 34 Tagen der erforderlichen Einarbeitungszeit entspricht, liegt darin keine „eingehende fachliche Einarbeitung“.

Die „Einweisungsphase“ dauert 34 Tage und ist damit deutlich kürzer als sechs Wochen. Sie ist auch nicht so ausgestaltet, dass ausnahmsweise ein kürzerer Zeitraum ausreichend wäre, um von einer „eingehenden fachlichen Einarbeitung“ auszugehen. Im Hinblick auf den großen Anteil praktischer Übungen kann die Einarbeitung nicht als besonders intensiv angesehen werden. Die theoretische Schulung und damit reine Wissensvermittlung umfasst weniger als die Hälfte der Einweisungszeit. Die letzten fünf Tage werden die Arbeitnehmer bereits selbstständig im Betrieb eingesetzt; es erfolgt keine Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mehr.

Der Arbeitnehmer hat nicht dargelegt, die Einarbeitungszeit sei durch die Arbeitgeber zu kurz bemessen. Hierfür ist nicht ausreichend, dass seine eigene Einarbeitungszeit um drei Tage verlängert worden ist. Maßgebend ist die objektiv erforderliche Einarbeitungszeit.

Dem Vortrag des darlegungs- und beweisbelasteten Arbeitnehmers11 lässt sich nicht entnehmen, dass die Arbeitgeber darüber hinaus Vorkenntnisse voraussetzen würde, die bei der Bestimmung der objektiv erforderlichen Einarbeitungszeit zu berücksichtigen wären.

Das gilt zunächst hinsichtlich der erforderlichen Sprachkenntnisse. Der Arbeitnehmer muss zwar mit den zu befördernden Personen ggf. in englischer Sprache kommunizieren können. Es ist aber nicht ersichtlich, dass hierfür Sprachkenntnisse der Kompetenzstufe A2 unzureichend wären.

Die Kultusministerkonferenz hat mit Beschluss vom 15.10.2004 Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9) festgelegt. Danach erreichen die Schülerinnen und Schüler bis zum Erwerb des Hauptschulabschlusses am Ende der Jahrgangsstufe 9 im Wesentlichen die Kompetenzstufe A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens. Sie können Wendungen und Wörter verstehen, wenn es um Dinge von ganz unmittelbarer Bedeutung geht, sofern deutlich und langsam gesprochen wird und sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen unkomplizierten und direkten Austausch von Informationen über vertraute Themen geht.

Für die Kommunikation mit den Fluggästen genügt ein einfacher Wortschatz. Fachvokabular wird nicht benötigt, da keine komplizierten Sachverhalte erläutert werden müssen. Der Arbeitnehmer muss sich den zu befördernden Personen vorstellen, diese begrüßen und ausweislich des Betriebshandbuchs der Arbeitgeberin mit ihnen Namen und Flugdaten abgleichen, den Ablauf der Beförderung absprechen (Möglichkeit zur selbstständigen Nutzung von Treppen, Rolltreppen und des E-Wagens) und in Erfahrung bringen, ob sie ihrer Auffassung nach beim Zoll anmeldepflichtige Waren bei sich führen. Ferner muss er den Ablauf der Passkontrolle erläutern. Demgegenüber obliegt es dem Arbeitnehmer nach dem Betriebshandbuch ausdrücklich nicht, die Anmeldepflicht oder die Gültigkeit von Dokumenten zu überprüfen oder die diesbezüglichen Grundsätze dem Fluggast zu erläutern. Er soll auch nicht zwischen Zoll- oder Kontrollpersonal und Fluggast übersetzen.

Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers ergibt sich aus der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin nichts Anderes. Dort werden zwar im Anforderungsprofil „gute deutsche und englische Sprachkenntnisse“ als Voraussetzung genannt. Dies lässt allerdings keinen Rückschluss auf die tatsächlich erforderlichen Kenntnisse zu. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage. Die Antwort darauf kann von den Parteien des Rechtsstreits weder unstreitig gestellt noch kann sie ohne jegliche Subsumtion einer Stellenbeschreibung entnommen werden12.

Aus dem Vortrag des Arbeitnehmers ist zudem nicht ersichtlich, dass dieser Fachkenntnisse in Form kultureller und kommunikativer Kompetenzen zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigen würde, die weder Teil der Schulbildung wären noch während der „Einweisungsphase“ vermittelt würden.

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen umfasst die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die die Schülerinnen und Schüler ua. befähigen, religiöse und kulturelle Werte zu achten (zB § 2 Abs. 2 Nr. 3 HSchG), die Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Achtung und Toleranz, der Gerechtigkeit und Solidarität zu gestalten (zB § 2 Abs. 2 Nr. 4 HSchG), andere Kulturen in ihren Leistungen kennenzulernen und zu verstehen (zB § 2 Abs. 2 Nr. 6 HSchG) und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zum sozialen Handeln zu entwickeln (zB § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 HSchG). Zudem ist Teil der „Einweisungsphase“ die Aufklärung über die Bedürfnisse behinderter Menschen und den Umgang mit ihnen.

Es ist nicht ersichtlich, welche darüber hinausgehenden Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich wären. Die Arbeitgeber genügt ihrer Schulungsverpflichtung nach Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 durch die Informationen während der Einweisungsphase. Der Arbeitnehmer hat auch nicht dargelegt, wo und wie er etwaige zusätzlich erforderliche Kenntnisse erworben hätte.

Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht, um dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu geben, ist vorliegend nicht geboten. Auf die Notwendigkeit weitergehenden Vortrags hatten sowohl das Arbeitsgericht in seinem Urteil als auch die Arbeitgeber in ihrer Berufungserwiderung hingewiesen. Damit hatte der Arbeitnehmer Anlass und nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG die prozessuale Obliegenheit, ergänzend substantiierten Vortrag zu erbringen. Dies ist nicht erfolgt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 4 AZR 317/22

  1. ArbG Frankfurt a.M. 07.05.21 – 24 Ca 1257/20[]
  2. Hess. LAG 15.07.2022 – 8 Sa 894/21[]
  3. BAG 19.10.2022 – 4 AZR 470/21, Rn.20 f.; ausf.09.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L[]
  4. vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen BAG 12.12.2018 – 4 AZR 147/17, Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326[]
  5. Duden Das Bedeutungswörterbuch 5. Aufl. Stichwort „eingehend“[]
  6. Duden aaO Stichwort „fachlich“[]
  7. BAG 20.05.2009 – 4 AZR 315/08, Rn. 28 f.; 28.01.2009 – 4 ABR 92/07, Rn. 49 f., BAGE 129, 238[]
  8. BAG 1.07.2009 – 4 ABR 18/08, Rn. 46, BAGE 131, 197[]
  9. vgl. BAG 11.10.2006 – 4 AZR 534/05, Rn. 33 zur Anforderung der Fahrerlaubnis[]
  10. zur Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zB BAG 13.11.2019 – 4 AZR 490/18, Rn. 50, BAGE 168, 306[]
  11. vgl. ausf. zur Darlegungs- und Beweislast BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19, Rn. 30 ff.[]
  12. vgl. BAG 24.02.2021 – 4 AZR 269/20, Rn. 48; 27.02.2019 – 4 AZR 562/17, Rn. 41 mwN[]

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