Eingruppierung – und die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit

Im Rahmen der Eingruppierung ist festzustellen, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer mit jeweils welchen Zeitanteilen übertragen und wie diese von Seiten der Arbeitgeberin organisiert sind. Auf dieser Grundlage ist dann zu bestimmen, ob es sich bei der verrichteten Tätigkeit um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder um getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten handelt.

Eingruppierung – und die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit

Gegenstand der tariflichen Bewertung ist gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 des im hier einschlägigen Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Niedersachsen vom 24.02.2014 (MTV)  die „tatsächlich verrichtete Tätigkeit“. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung, nach der eine überwiegende Tätigkeit für die Eingruppierung maßgebend sein soll. Jedoch handelt es sich um einen allgemein anerkannten Grundsatz des Eingruppierungsrechts, dass sich die auszuübende Tätigkeit eines Arbeitnehmers aus verschiedenen Teiltätigkeiten unterschiedlicher Entgeltgruppen zusammensetzen kann1.

Anhaltspunkte dafür, die Tarifvertragsparteien des MTV hätten von dieser Regel abweichen wollen, bestehen nicht. Insbesondere setzt eine „Tätigkeit“ iSd. tarifvertraglichen Regelung des § 6 Abs. 2 MTV schon begrifflich nicht voraus, dass der Arbeitnehmer nur eine in einer Gehalts- oder Lohngruppe aufgeführte Tätigkeit ausschließlich ausübt oder diese einheitlich einem tariflichen Tätigkeitsmerkmal entsprechen muss. Auch ein Arbeitnehmer, der nur teilweise etwa als Verkäufer und teilweise in anderer Funktion eingesetzt wird, wird als solcher „tätig“2. Der tarifvertraglichen Regelung ist ebenso wenig zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien von einem anderen Maß als der überwiegend auszuübenden Tätigkeit ausgegangen wären3.

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Für die Bestimmung, ob es sich im konkreten Fall um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder mehrere getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten handelt, gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes4. Die anzuwendenden Maßstäbe sind lediglich weniger streng5.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist danach zunächst noch festzustellen, ob es sich im konkreten Fall um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder mehrere getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten handelt, gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes4. Die anzuwendenden Maßstäbe sind lediglich weniger streng5. Danach wird festzustellen sein, welche Einzeltätigkeiten der Arbeitnehmer in welchem zeitlichen Umfang auszuüben hat. Die bisherigen Feststellungen sind nicht ausreichend. Sie beschränken sich insoweit auf die ungefähre Beschreibung der Tätigkeit. Den Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, wie die Tätigkeit des Arbeitnehmers organisiert ist, insbesondere ob dessen Teilaufgaben im Schwedenshop, im Bistro, im Mitarbeiter- und im Kundenrestaurant sowie ggf. auch in der Warenverräumung von vornherein tatsächlich auseinander gehalten und auch organisatorisch voneinander getrennt sind oder etwa nach der eigenen bedarfsorientierten Einschätzung des Arbeitnehmers ineinander übergehen.

In einem nächsten Schritt wird sodann zu prüfen sein, ob die tariflich gesondert zu bewertenden Teiltätigkeiten oder die einheitliche Gesamttätigkeit einem oder mehreren Tätigkeitsbeispielen entsprechen. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Tätigkeit innerhalb der zu bewertenden Gesamt- oder Teiltätigkeit zeitlich überwiegend, also zu mehr als 50 % der Arbeitszeit ausgeübt wird. Zwingend erforderlich ist das aber nicht. Die anfallenden Aufgaben können auch durch ihre qualitativen Anforderungen den Schwerpunkt der Tätigkeiten bilden und für die Gesamt- oder Teiltätigkeit so bedeutsam sein, dass diese insgesamt dem „Bild“ der durch das Tätigkeitsbeispiel beschriebenen Tätigkeit entspricht. Es muss sich um dem Tätigkeitsbeispiel typischerweise zuzuordnende Tätigkeiten handeln. Im Entscheidungsfall kommen insoweit aus den Gehaltsgruppen (§ 3 GLTV) – je nach genauem Zuschnitt der Tätigkeit – etwa die Beispiele Verkäufer oder Kassierer mit einfacher Tätigkeit (Gehaltsgruppe II GLTV) oder Büfettkräfte mit Kontrollaufgaben (Lohngruppe II Lohnstaffel b GLTV) in Betracht.

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Sollte die dem Arbeitnehmer übertragene Tätigkeit nicht überwiegend einem Tätigkeitsbeispiel entsprechen, ist die Erfüllung der in Betracht kommenden allgemeinen Tätigkeitsmerkmale zu prüfen. Bei deren Auslegung können die Tätigkeitsbeispiele als Richtlinien für die Bewertung mit herangezogen werden6.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 4 ABR 29/19

  1. BAG 8.07.2015 – 4 AZR 111/14, Rn. 33 mwN[]
  2. vgl. BAG 26.08.2015 – 4 AZR 41/14, Rn. 43[]
  3. so etwa in BAG 26.08.2015 – 4 AZR 41/14, Rn. 44[]
  4. dazu im Einzelnen BAG 16.10.2019 – 4 AZR 284/18, Rn. 17; 28.02.2018 – 4 AZR 816/16, Rn. 24 f. mwN, BAGE 162, 81[][]
  5. st. Rspr., zB BAG 24.02.2016 – 4 AZR 980/13, Rn. 15 mwN; 25.08.2010 – 4 ABR 104/08, Rn. 15[][]
  6. sh. zuletzt BAG 13.11.2019 – 4 ABR 3/19, Rn. 25; 23.01.2019 – 4 ABR 56/17, Rn. 27 mwN[]

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