Erfordert die Prüfung, ob das allgemeine Tätigkeitsmerkmal einer Entgeltgruppe erfüllt ist, einen wertenden Vergleich, sind entsprechende Anforderungen an die Darlegung seitens der Arbeitnehmerin zu stellen. Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt dem klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast.

Vertritt der Arbeitnehmer er die Auffassung, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren als der vom Arbeitgeber angenommenen Entgeltgruppe, obliegt es ihm, je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalls diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals der maßgebenden Entgeltgruppe – unter Einschluss etwaiger darin vorgesehener Qualifizierungen – seien im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt1.
Bei der Bestimmung des Umfangs der Darlegungslast ist grundsätzlich zwischen der Aufgabe des Gerichts und derjenigen des Arbeitnehmers zu unterscheiden. Die Auslegung der Tarifnormen ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung dem Gericht ebenso obliegt wie die Subsumtion des vorgetragenen Lebenssachverhalts unter die Normen. Der Arbeitnehmer muss seinerseits diejenigen Tatsachen beibringen, die dem Gericht die Rechtsanwendung auf den konkreten Fall ermöglichen2.
Danach obliegt es regelmäßig dem Arbeitnehmer, die ihm übertragenen Aufgaben im Einzelnen darstellen. Das gilt auch, soweit er ein tarifliches Qualifizierungsmerkmal für die von ihm auszuübende Tätigkeit in Anspruch nimmt, welches eine Eingruppierung nach einer höheren Entgeltgruppe begründen soll. Dies ist etwa der Fall, wenn das Tätigkeitsmerkmal der höheren Entgeltgruppe gegenüber der sog. Ausgangsentgeltgruppe eine weitere, tariflich höher bewertete Anforderung vorsieht3.
Allein die genaue Darstellung der übertragenen Aufgaben ist aber dann nicht ausreichend, wenn dieses Vorbringen aufgrund der tariflichen Tätigkeitsmerkmale noch keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob und inwieweit der Beschäftigte über die Merkmale einer Ausgangsentgeltgruppe hinaus auch qualifizierende tarifliche Anforderungen der von ihm begehrten höheren Entgeltgruppe erfüllt4. Das ist etwa der Fall, wenn das Tätigkeitsmerkmal der höheren Entgeltgruppe auf dem einer niedrigeren Entgeltgruppe aufbaut und eine zusätzliche tarifliche Anforderung – „Qualifizierungsmerkmal“ – vorsieht, deren genauer Inhalt sich erst durch eine Darstellung der Tätigkeit in der Ausgangsentgeltgruppe und deren Anforderungen erschließt5. Der klagende Beschäftigte hat dann nicht nur seine eigene Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Vielmehr ist darüber hinaus ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet. Dieser Vortrag muss dem Gericht einen Vergleich zwischen der Tätigkeit in der Ausgangsentgeltgruppe und der unter das höher bewertete Tarifmerkmal fallenden erlauben6.
Ist danach ein Sachvortrag erforderlich, der einen wertenden Vergleich ermöglicht, hängt der Umfang der im Einzelfall erforderlichen Darlegung von dem konkret in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmal ab.
Haben die Tarifvertragsparteien die Anforderungen der Ausgangsentgeltgruppe durch die Verwendung eines feststehenden Berufsbilds oder mittels rechtlich geregelter Aus- oder Weiterbildungen bestimmt, genügt der Beschäftigte, der eine Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe geltend macht, deren zusätzliche tarifliche Anforderung sich erst anhand der „Normaltätigkeit“ der tariflich niedriger bewertenden Tätigkeit bestimmen lässt, seiner Darlegungslast, wenn er in einem ersten Schritt Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, dass seine Tätigkeit dem Tarifmerkmal der Ausgangsentgeltgruppe entspricht. Die Auslegung dieses Tätigkeitsmerkmals und damit die Bestimmung der „Normaltätigkeit“ ist hingegen Aufgabe des Gerichts. Dazu gehört auch die Feststellung, welche Einzelaufgaben Gegenstand der von den Tarifvertragsparteien genannten Ausbildung7 oder des feststehenden Berufsbilds sind8. Soweit das Bundesarbeitsgericht einen Vortrag des klagenden Beschäftigten verlangt hat, die Tätigkeit eines bestimmten Berufsbilds oder die Inhalte einer bundes- oder landesgesetzlich geregelten Ausbildung als solche darzulegen9, wird daran nicht mehr festgehalten.
In einem zweiten Schritt müssen diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die Erfüllung des tariflich höher bewerteten Tätigkeitsmerkmals ergeben soll. Dabei muss erkennbar sein, welche Tatsachen zur Begründung der Tatbestandsvoraussetzungen welches Tätigkeitsmerkmals verwendet werden sollen10. Begründen sie die Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der Ausgangsentgeltgruppe, sind sie „verbraucht“ und können nicht mehr für das höherwertige Tätigkeitsmerkmal herangezogen werden11. Bleiben tatsächliche Umstände unklar, hat das Gericht ggf. im Rahmen seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO auf eine Ergänzung des Vortrags hinzuwirken12. Die abstrakte Bestimmung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede des angeführten Tarifmerkmals der Ausgangsentgeltgruppe und des Tätigkeitsmerkmals der beanspruchten höheren Entgeltgruppe obliegt dem Gericht.
In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Arbeitnehmerin im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit ihrer Darlegungslast genügt: Die Arbeitnehmerin hat im Rahmen einer detaillierten Schilderung der von ihr auszuübenden Tätigkeit dargelegt, dass sie Tätigkeiten einer Erzieherin ausübt. Welche Aufgaben eine Erzieherin im Tarifsinn zu erfüllen hat, ist vom Gericht im Wege der Tarifauslegung zu ermitteln. So hat auch das Bundesarbeitsgericht schon wiederholt den Tarifbegriff des Erziehers ausgelegt13. Es obliegt dem Gericht zu beurteilen, ob der Vortrag der Arbeitnehmerin den rechtlichen Schluss erlaubt, die Anforderungen der Entgeltgruppe S 8a TVöD/VKA seien erfüllt. Überdies hat die Arbeitnehmerin vorgetragen, welche der ihr übertragenen Aufgaben aus ihrer Sicht der höheren Entgeltgruppe zuzuordnen sind. Weiter gehender Vortrag war zur Erfüllung ihrer Darlegungslast nicht zu verlangen. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Übrigen auch nicht zu entnehmen, welchen Sachvortrag es zur Durchführung des erforderlichen wertenden Vergleichs vermisst hat. Es hat lediglich pauschal ausgeführt, die Arbeitnehmerin hätte die von ihr dargestellten Aufgaben „nicht hinreichend von der Normaltätigkeit einer Erzieherin abgegrenzt und damit ins Verhältnis gesetzt“.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 4 AZR 252/19
- st. Rspr., etwa BAG 18.03.2015 – 4 AZR 702/12, Rn. 35; 21.03.2012 – 4 AZR 292/10, Rn. 18, jew. mwN; grdl. BAG 24.09.1980 – 4 AZR 727/78, BAGE 34, 158; 19.03.1978 – 4 AZR 300/78[↩]
- vgl. zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 17[↩]
- vgl. etwa BAG 28.02.2018 – 4 AZR 678/16, Rn. 37 mwN: Tätigkeit auf einem „Peilschiff“; 18.03.2015 – 4 AZR 702/12, Rn. 37: neben „gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen“ zusätzlich „selbständige Leistungen“[↩]
- grdl. BAG 24.09.1980 – 4 AZR 727/78, BAGE 34, 158[↩]
- zu einzelnen Qualifizierungsmerkmalen sh. etwa BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 38: „höheres Maß von Verantwortlichkeit“; 27.01.2016 – 4 AZR 916/13, Rn. 32: „mit Entscheidungsverantwortung“; 26.08.2015 – 4 AZR 992/12, Rn. 34, 37: „vertiefte gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse“; 13.11.2013 – 4 ABR 16/12, Rn. 35: „besondere Vertrauensstellung“; 25.02.2009 – 4 AZR 20/08, Rn. 28, 39 ff.: „schwierige Tätigkeiten“; 22.10.2008 – 4 AZR 735/07, Rn. 31: „erweiterte Kenntnisse und Fertigkeiten“[↩]
- erstmals zum wertenden Vergleich BAG 20.10.1993 – 4 AZR 47/93, zu B II 3 c der Gründe; weiterhin etwa BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 38; 9.12.2015 – 4 AZR 11/13, Rn. 18 ff.; 21.01.2015 – 4 AZR 253/13, Rn. 17 ff., 34; 16.05.2013 – 4 AZR 445/11, Rn. 14[↩]
- vgl. BAG 13.11.2019 – 4 AZR 490/18, Rn. 44, BAGE 168, 306: Erzieher; 6.07.2016 – 4 AZR 91/14, Rn. 24: Ergotherapeutin[↩]
- sh. etwa BAG 29.01.2020 – 4 ABR 8/18, Rn. 22: Stationsleitung[↩]
- sh. etwa BAG 23.10.2012 – 4 AZR 48/11, Rn. 40: Heilerziehungspflegerin; 23.02.2011 – 4 AZR 313/09, Rn. 32: Logopädin; 16.11.2011 – 4 AZR 777/09, Rn. 29: Physiotherapeutin; 27.08.2008 – 4 AZR 484/07, Rn. 30, BAGE 127, 305: Landschaftsgärtner[↩]
- vgl. BAG 23.02.2005 – 4 AZR 191/04, zu I 3 c cc (2) der Gründe; 20.02.2002 – 4 AZR 6/01, zu C II 5 b aa der Gründe[↩]
- zB BAG 7.05.2008 – 4 AZR 303/07, Rn. 31 ff.[↩]
- vgl. auch BAG 13.05.2020 – 4 AZR 173/19, Rn. 17[↩]
- sh. nur BAG 13.11.2019 – 4 AZR 490/18, Rn. 44 mwN, BAGE 168, 306[↩]