Der Anspruch auf eine Zulage nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) setzt u.a. voraus, dass durch den Wechsel der Beschäftigung eine wesentliche Verminderung der Arbeitszeit eintritt.

Eine wesentliche Verminderung liegt nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw vor, wenn die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinausgehenden Stunden um mehr als 20 Stunden absinken. Die Ermittlung der Differenz erfolgt nach Satz 2 der Protokollerklärung.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts München [1] handelt es sich bei der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw nicht um eine Auslegungshilfe, sondern um eine normative Regelung [2].
Der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung kommt deutlich zum Ausdruck, da die zwingend formulierte Protokollerklärung das Kriterium der wesentlichen Verminderung der Arbeitszeit inhaltlich ausgestaltet. Sie definiert nicht nur das erforderliche Maß der Verminderung (Satz 1), sondern gibt auch den Rechenweg zur Ermittlung der Verminderung vor (Satz 2). Die Ermittlung der über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Stunden nach Satz 2 der Protokollerklärung erfolgt dergestalt, dass alle dienstplanmäßig geleisteten und bezahlten Stunden der letzten 48 Kalendermonate zu addieren und danach durch 48 zu dividieren sind, um den gemäß Satz 1 der Protokollerklärung erforderlichen Monatsbezug herzustellen [3].
Die Protokollerklärung bezweckt damit offensichtlich eine rechtssichere Handhabung des § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw durch verbindliche Vorgaben. Etwaige Auslegungsschwierigkeiten ändern nichts an dieser Zielsetzung.
Referenzzeitraum[↑]
Die Tarifvertragsparteien haben demnach einen Referenzzeitraum von ausnahmslos 48 Kalendermonaten vorgegeben.
Die Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw kann auch nicht wegen der Gefahr einer „Doppelsicherung“ im Falle mehrerer, innerhalb von 48 Kalendermonaten entstehender Tatbestände der Einkommenssicherung dahingehend ergänzend ausgelegt werden, dass in solchen Konstellationen ein kürzerer Referenzzeitraum gelten soll, welcher nur die Monate ab dem Eintreten des letzten Sicherungsfalls berücksichtigt. Selbst bei Unterstellung einer diesbezüglich unbewussten Regelungslücke könnte diese nicht durch das Bundesarbeitsgericht geschlossen werden. Eine solche ergänzende Tarifauslegung ist den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum in der Frage bleibt, wie die Lücke zu schließen ist, und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen ist, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden [4]. Den Tarifvertragsparteien verblieben hier neben der Verkürzung des Referenzzeitraums noch andere Gestaltungsmöglichkeiten. So könnten sie den 48-monatigen Referenzzeitraum beibehalten und besondere Berechnungsvorgaben machen.
Es konnte daher im hier entschiedenen Fall für das Bundesarbeitsgericht daher unentschieden bleiben, ob es sich bei der Arbeitszeitreduzierung des Zivilbeschäftigten infolge des zum 30.11.2010 erfolgten Auslaufens der sog. Opt-out-Regelung (§ 46 Nr. 4 Abs. 3b, § 50 Abs. 4 Buchst. a TVöD-BT‑V [Bund]), die die Beklagte als Maßnahme nach dem TV UmBw „gewertet“ hat, tatsächlich um einen Fall der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw handelte und deshalb eine „Doppelsicherung“ zu vermeiden war. In der Sache ist das allerdings zweifelhaft. Eine tarifliche Einkommenssicherung setzt eine Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 TV UmBw voraus. Erforderlich ist eine durch die Umstrukturierung der Bundeswehr veranlasste Organisationsentscheidung [5]. Selbst wenn eine bloße Änderung der Arbeitszeitorganisation eine solche Entscheidung sein könnte [6], beruhte diese hier nicht erkennbar auf einer Neuausrichtung der Bundeswehr. Das Auslaufen der sog. Opt-out-Regelung zum 30.11.2010 zwang selbstredend zu einer Umstrukturierung des zivilen Wachdienstes. Die Beklagte hat bislang aber nicht hinreichend dargelegt, dass dessen ungeachtet der eigentliche Grund für die Umstrukturierung des Wachdienstes eine Organisationsentscheidung war, welche durch die Umstrukturierung der Bundeswehr bedingt war und nicht nur den Wegfall der Opt-out-Regelung arbeitszeitrechtlich nachvollzog.
Überstunden[↑]
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Regelung des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT‑V (Bund), wonach ua. beim Wachpersonal die über 168 Stunden hinausgehende Zeit bei der Bemessung des Entgelts mit 50 vH als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet wird, bei der Ermittlung der vor dem Wechsel der Beschäftigung dienstplanmäßig geleisteten und bezahlten Stunden nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw nicht zu berücksichtigen ist. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT‑V (Bund) regelt nur die „Bemessung des Entgelts“, dh. die Bewertung und Vergütung der Arbeitszeit. Hierfür nimmt er in Abweichung von den Vorgaben des TVöD-AT eine monatsbezogene Pauschalierung vor [7]. Es handelt sich mithin nicht um eine Arbeitszeitregelung. Ein Bezug zur Ergänzung der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw besteht daher nur hinsichtlich der Höhe der Zulage. Bei deren Berechnung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw iVm. der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT ist die spezielle Vergütungsregelung des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT‑V (Bund) zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Zweck der Ergänzung der Einkommenssicherung, welche das aufgrund von Mehrarbeit bislang erzielte Einkommen sichern soll [8].
Arbeitsunfähigkeit[↑]
Hinsichtlich der Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ist zu differenzieren.
Hat ein Beschäftigter wegen Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbracht und keine Leistungen nach § 22 TVöD-AT in Form von Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschuss mehr beanspruchen können, sind keine fiktiven Arbeitszeiten in die Berechnung nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw einzustellen. Für solche Zeiträume wurde kein Einkommen bezogen, so dass eine Einkommenssicherung nicht veranlasst ist. Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt darauf schließen, dass solche Zeiten nicht zu berücksichtigen sind [9].
Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT sind hingegen zu berücksichtigen. Seit dem 1.05.2017 ist dies in der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ausdrücklich vorgesehen. Für zurückliegende Zeiträume kann der Neuregelung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen des einschränkungslosen Stichtags ihres Inkrafttretens zwar keine Rückwirkung im Sinne einer Klarstellungsfunktion beigemessen werden. Dies ist jedoch letztlich unerheblich, da Sinn und Zweck der ergänzenden Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ohnehin die Einstellung der Entgeltfortzahlungszeiträume in die Referenzbetrachtung gebieten. Die Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT soll das Einkommensniveau im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erhalten und bildet damit einen Teil des Einkommens, welches durch § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw gesichert werden soll. Der Beschäftigte hat wegen seiner Arbeitsunfähigkeit zwar keine Leistung erbracht, die entsprechenden Stunden ausgefallener Arbeitszeit wurden aber auf gesetzlicher und tariflicher Grundlage „bezahlt“ im Sinne des Satzes 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw. Die Leistung von Entgeltfortzahlung gehört zur Realität des Arbeitsverhältnisses, welche bezogen auf den Referenzzeitraum abgebildet werden soll [10]. Im Arbeitsverhältnis sind bei der Vergütung der Arbeitsleistung auch entgeltfortzahlungspflichtige „unproduktive“ Ausfallzeiten (zB aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub) zu berücksichtigen. Sie sind Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas [11].
Soweit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.06.2013 [12] wegen des Abstellens auf die Voraussetzung der Arbeitsleistung im Wortlaut der Protokollerklärung („geleistet“) und auf den systematischen Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TV UmBw entnommen werden könnte, dass auch Zeiten von Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT unberücksichtigt bleiben sollen, hält das Bundesarbeitsgericht hieran nicht fest. Diese Erwägungen waren auf den damals zu entscheidenden Fall zugeschnitten, in dem keine der Entgeltfortzahlungspflicht unterliegenden Zeiträume in Streit standen. Die Beklagte kann sich diesbezüglich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es fehlt insoweit schon an einer gefestigten, dh. ständigen Rechtsprechung [13].
Ob Zeiten der Leistung von Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 TVöD-AT im Referenzzeitraum einzubeziehen sind, bedarf hier keiner Entscheidung.
Urlaub[↑]
Zeiten der Inanspruchnahme von Erholungsurlaub mit Bezug von Urlaubsentgelt nach § 26 Abs. 1 iVm. § 21 TVöD-AT sind stets als dienstplanmäßig geleistete und bezahlte Stunden im Sinne des Satzes 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw anzusehen. Dies folgt zwar nicht aus dem Wortlaut der Protokollerklärung, aber aus dem Zweck der Einkommenssicherung. Diese würde praktisch leerlaufen, wenn das Stundenvolumen des jeweiligen Jahresurlaubs im Referenzzeitraum unbeachtet bliebe und nur das um die Urlaubsdauer reduzierte Stundenvolumen durch 48 zu dividieren wäre. Ein solches Tarifverständnis wäre zudem mit dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach § 1 BUrlG nicht vereinbar, da sich die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs dann bezogen auf die Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw anspruchshindernd auswirken würde (anders bei Verkleinerung von Dividend und Divisor [14]). Eine solch negative Folge der Urlaubsnahme wäre von der Öffnungsklausel für Tarifverträge in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht getragen [15]. Beschäftigte könnten aus wirtschaftlichen Erwägungen sogar davon abgehalten werden, ihren Anspruch auf Erholungsurlaub geltend zu machen. Die Schaffung eines Anreizes, auf den Urlaub zu verzichten, ist aber jedenfalls bzgl. des auch unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs nicht mit dem Ziel vereinbar, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen soll [16].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Juni 2019 – 6 AZR 576/17
- LAG München 25.07.2017 – 9 Sa 929/16[↩]
- vgl. zur Unterscheidung BAG 27.07.2017 – 6 AZR 701/16, Rn. 23; 4.08.2016 – 6 AZR 129/15, Rn. 31; vgl. auch BAG 14.06.2017 – 7 AZR 390/15, Rn. 29[↩]
- BAG 20.06.2013 – 6 AZR 907/12, Rn. 33 ff.[↩]
- BAG 26.01.2017 – 6 AZR 450/15, Rn. 24[↩]
- vgl. BAG 22.09.2016 – 6 AZR 423/15, Rn. 23, BAGE 157, 23; 19.12 2013 – 6 AZR 94/12, Rn. 35; 16.05.2013 – 6 AZR 619/11, Rn. 26[↩]
- vgl. BAG 16.05.2013 – 6 AZR 619/11, Rn. 28, 40[↩]
- vgl. BAG 27.03.2014 – 6 AZR 621/12, Rn. 26 ff.[↩]
- BAG 20.06.2013 – 6 AZR 907/12, Rn. 51[↩]
- vgl. BAG 20.06.2013 – 6 AZR 907/12, Rn. 29 ff.[↩]
- vgl. BAG 20.06.2013 – 6 AZR 907/12, Rn. 37[↩]
- vgl. BAG 6.09.2018 – 6 AZR 367/17, Rn. 21 mwN, BAGE 163, 271[↩]
- BAG 20.06.2013 – 6 AZR 907/12, Rn. 29 ff.[↩]
- vgl. BAG 23.01.2019 – 7 AZR 733/16, Rn. 43[↩]
- vgl. BAG 8.05.2018 – 9 AZR 383/17, Rn. 22[↩]
- vgl. BAG 30.01.2019 – 10 AZR 596/17, Rn. 31 ff.[↩]
- vgl. EuGH 6.11.2018 – C‑684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 42[↩]