Einschränkung der Berufungsanträge – und die Zulässigkeit der Berufung

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel an, wenn der Antrag freiwillig eingeschränkt wird.

Einschränkung der Berufungsanträge – und die Zulässigkeit der Berufung

Nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600, 00 € übersteigt. In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall erfüllte die uneingeschränkt eingelegte Berufung des Klägers nach dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert zunächst diese Voraussetzung. Der Wert der Beschwer lag über 600, 00 €. Mit der Einschränkung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht fiel jedoch der Wert des Beschwerdegegenstands auf höchstens 351, 96 € und damit unter den maßgeblichen Wert.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung kommt es jedoch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel an, wenn der Antrag freiwillig eingeschränkt wird.

Zwar ist grundsätzlich für die Wertberechnung der Wert des Beschwerdegegenstands im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung maßgebend (vgl. § 4 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Rechtsmittelkläger seine Anträge, ohne durch äußere Umstände dazu genötigt zu sein, freiwillig einschränkt; in diesen Fällen kann der Rechtsmittelkläger keine günstigere Behandlung beanspruchen, als wenn er das Rechtsmittel von vornherein in unzulässigem Umfang eingelegt hätte1. Der Gesetzgeber will die Berufungsinstanz nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG nur eröffnen, wenn die Angelegenheit für die beschwerte Partei eine gewisse Bedeutung hat. Ob dies der Fall ist, steht erst bei der Stellung der Anträge fest.

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Der Kläger hat seine Berufungsanträge in diesem Sinne freiwillig auf einen Wert unterhalb der Berufungssumme eingeschränkt. Es stünde der Freiwilligkeit der Einschränkung der Klageanträge auch nicht entgegen, wenn das Landesarbeitsgericht diese im Laufe des Rechtsgesprächs angeregt haben sollte. Die Einschränkung der Berufung war nicht durch eine objektive Veränderung der materiellen Rechtslage bedingt. Ein Fall der freiwilligen Beschränkung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Rechtsmittelkläger seiner Klage insoweit keine Erfolgsaussicht mehr beimisst2.

Das Bundesarbeitsgericht ist auch nicht befugt, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung kann nur durch das Arbeitsgericht erfolgen. Dem Revisionsgericht ist demgegenüber im Gesetz ebenso wenig eine entsprechende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz eingeräumt wie dem Berufungsgericht3. Eine Regelung über eine Nichtzulassungsbeschwerde – wie § 72a ArbGG sie für die Revisionszulassung vorsieht – besteht für das Berufungsverfahren nicht. Deshalb ist es auch unerheblich, dass das Landesarbeitsgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2016 – 3 AZR 230/14

  1. vgl. BAG 19.01.2006 – 6 AZR 259/05, Rn. 18 mwN; 23.03.2004 – 3 AZR 35/03, zu I 2 der Gründe mwN; 9.07.2003 – 10 AZR 615/02, zu 2 der Gründe; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 96[]
  2. BAG 9.07.2003 – 10 AZR 615/02, zu 2 der Gründe[]
  3. vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 48[]
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