Die Berufung ist dann unzulässig, wenn eine Partei durch ihren Rechtsanwalt die Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein innerhalb der Berufungsfrist nur per Fax einreicht – aber nicht über den elektronischen Rechtsverkehr.

Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in dem hier vorliegenden Fall die Berufung im Verfahren um eine Kündigung als unzulässig verworfen und dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht stattgegeben. Vor dem Arbeitsgericht Lübeck wehrte sich die Klägerin u.a. gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Nachdem die Klage erstinstanzlich abgewiesen worden war, ist das Ziel mit der Berufung weiterverfolgt worden. Dem schriftlichen Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die über die bestehende Pflicht für Rechtsanwälte aufklärte, Anträge zweitinstanzlich ausschließlich per elektronischem Rechtsverkehr einzureichen. Dennoch reichte der in Niedersachsen ansässige Rechtsanwalt der Klägerin die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist lediglich per Fax ein.
Schleswig-Holstein hat als bisher einziges Bundesland durch die Landesverordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs1 vorzeitig eingeführt, dass Rechtsanwälte und auch Behörden in Schleswig-Holstein nur noch über den elektronischen Rechtsverkehr Schriftsätze bei den Arbeitsgerichten einreichen können. Diese Nutzungspflicht ergibt sich aus § 46 g Arbeitsgerichtsgesetz. Danach sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Seit dem 1. Januar 2020 gilt diese Vorschrift.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ausgeführt, dass die Klägerin mit der mittels Fax eingereichten Berufung die Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts ignoriert und die Berufung nicht formgemäß eingelegt hat. Durch die Landesverordnung konnte § 46 g ArbGG schon vor dem 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt werden. Ermächtigungsgrundlage für die Landesverordnung ist Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 20132.
Außerdem gilt § 46 g ArbGG auch für die zweite Instanz, obwohl sich die Regelung im Gesetzesabschnitt für den ersten Rechtszug befindet und die Vorschrift in § 64 Abs. 7 ArbGG (Übernahme erstinstanzlicher Vorschriften für das Berufungsverfahren) nicht erwähnt ist. Die Geltung entspricht aber dem Willen des Gesetzgebers, dem ein Redaktionsversehen unterlaufen ist. Die im Gesetzgebungsverfahren immer wieder betonte gerichtsbarkeitsbezogene Nutzungsverpflichtung soll der gesamten Gerichtsbarkeit – und nicht nur einer einzelnen Instanz – Gelegenheit geben, zu überprüfen, wie der elektronische Rechtsverkehr funktioniert. Das lässt sich nur dann sinnvoll beurteilen, wenn der Rechtsverkehr instanzübergreifend einheitlich stattfindet.
Darüber hinaus blieb der Klägerin auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung versagt. Sie konnte sich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum ihres in Niedersachsen ansässigen Prozessbevollmächtigten als Wiedereinsetzungsgrund berufen, der die Schleswig-Holsteinische Landesverordnung nicht gekannt habe. Für ihn ergab sich aus der zutreffenden und unmissverständlichen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil ohne Weiteres, dass er die Berufung elektronisch einzureichen hatte. Das hätte er bei sorgfältigem und vollständigem Lesen der Rechtsmittelbelehrung feststellen können.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revisionsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25. März 2020 – 6 Sa 102/20