Die Kürzung des Urlaubs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG führt zu einer Anpassung der Urlaubsdauer an die während der Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht. Sie ist damit Ausdruck des im gesamten Urlaubsrecht anwendbaren allgemeinen Rechtsgedankens, dass der Umfang des Erholungsurlaubs während des Urlaubsjahres zur bestehenden Arbeitspflicht ins Verhältnis zu setzen ist. Bei diesem Verständnis steht § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG im Einklang mit dem Unionsrecht.

Der Arbeitgeber kann das Kürzungsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer (empfangsbedürftigen) rechtsgeschäftlichen Erklärung ausüben. Er kann den Urlaub vor, während und nach dem Ende der Elternzeit kürzen, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
Urlaub, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt werden kann, verfällt während der Elternzeit nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums.
Während der Elternzeit, die zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses führt, entstehen nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG Urlaubsansprüche1. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, denn nur ein entstandener Urlaubsanspruch kann gekürzt werden2.
Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 3 BEEG den noch nicht gewährten Urlaub abzugelten. Dies entspricht der Bestimmung in § 7 Abs. 4 BUrlG, der zufolge der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
Die Bestimmung des § 7 Abs. 3 BUrlG regelt die Befristung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Übertragung auf das nächste Kalenderjahr sowie den Verfall des Urlaubs am Ende des Urlaubsjahres bzw. eines Übertragungszeitraums. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württembergs3 findet das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG während der Elternzeit keine Anwendung. Die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG gehen § 7 Abs. 3 BUrlG vor (vgl. zu § 17 Abs. 2 BErzGG BAG 28.07.1992 – 9 AZR 340/91, zu 1 b der Gründe, BAGE 71, 50). Dies ergibt die Auslegung des § 17 BEEG.
Hat der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 BEEG den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. § 17 Abs. 2 BEEG trifft bezüglich der Erfüllung und des Verfalls des Urlaubs eine eigenständige, von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubsjahres4.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Vorschrift entkoppelt den grundsätzlich der Kürzung unterliegenden Urlaubsanspruch vom Urlaubsjahr und nimmt ihn somit von einem Verfall nach § 7 Abs. 3 BUrlG während der Elternzeit aus. Das Bundesarbeitsgericht muss im Streitfall nicht entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG der Kürzung unterliegende und nicht bereits von § 17 Abs. 2 BEEG erfasste Urlaubsanspruch nach Beendigung der Elternzeit befristet ist.
Darauf lässt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG schließen. Danach kann der Arbeitgeber „den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit“ um ein Zwölftel kürzen. Das Gesetz stellt auf „jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit“ ab. Für die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung, dass die Ansprüche auf Erholungsurlaub bereits am Jahresende oder am Ende des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen sind, gibt der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG keinen Anhaltspunkt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Urlaub unabhängig vom Ablauf des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraums gekürzt werden kann.
Dieses Verständnis entspricht auch der Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat für den Fall des Zusammentreffens von Elternzeit und Urlaub ein nach Zeitabschnitten differenzierendes Regelungssystem geschaffen. § 17 Abs. 2 BEEG bezieht sich auf den vor Beginn der Elternzeit noch nicht oder nicht vollständig erhaltenen Urlaub. Durch die eigenständige, von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubsjahres wird Arbeitnehmern die Möglichkeit eingeräumt, ihren vor der Elternzeit nicht (vollständig) erhaltenen Urlaub auf ein volles Kalenderjahr zu verteilen5. § 17 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ermöglicht dem Arbeitgeber, den (anteilig) auf die Zeit der Inanspruchnahme der Elternzeit entfallenden Urlaub an die suspendierten Hauptleistungspflichten anzupassen. Die Vorschrift räumt dem Arbeitgeber das Recht ein, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Zusammen stellen die Bestimmungen des § 17 BEEG eine abschließende Sonderregelung für die mit der Elternzeit im Zusammenhang stehenden Urlaubsansprüche dar. Für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG besteht während der Elternzeit kein Raum.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, der sich von dem des § 7 Abs. 3 BUrlG unterscheidet. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers trägt dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitspflicht während der Elternzeit ruht und der in der Elternzeit befindliche Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann. Die gesetzliche Kürzungsbefugnis vermeidet ein Ansammeln von Urlaub gegen den Willen des Arbeitgebers für Zeiten, in denen die Arbeitspflicht elternzeitbedingt ruht6. Mit der Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfolgt der Gesetzgeber demgegenüber ein Ziel, das während der Elternzeit aufgrund der für einen feststehenden Zeitraum ausgesetzten Arbeitspflicht seine Wirkung von vornherein verfehlt. Die Bestimmung soll in erster Linie dazu beitragen, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr erfüllt wird, damit der Arbeitnehmer in einem einigermaßen regelmäßigen Rhythmus eine gewisse Zeit der Erholung und Entspannung von der geschuldeten Arbeitsleistung erhält7.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Die darin vorgesehene Kürzungsmöglichkeit verstößt weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG noch gegen § 5 Nr. 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18.06.2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU8. Dies kann das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen.
Der Unionsgerichtshof hat entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach der bei der Berechnung des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines vom Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Elternurlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird9. Der Zweck des unionsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen, beruht auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Der Erholungszweck setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausgeübt hat, die es zu dem in der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit rechtfertigt, dass er über einen Zeitraum der Erholung, der Entspannung und der Freizeit verfügt10. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG schreibt danach nicht vor, dass Zeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs berücksichtigt werden müssen. Der nationale Gesetzgeber kann somit eine Regelung treffen, nach der die Anzahl der Urlaubstage von vornherein um die Dauer der Elternzeit anteilig gekürzt wird. Dementsprechend steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht entgegen, wenn der nationale Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie hinaus die Zeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit zunächst bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs berücksichtigt, dem Arbeitgeber jedoch das Recht einräumt, den Urlaubsumfang für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit im Wege der Kürzung an die ausgesetzte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers anzupassen11.
Durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG wird auch nicht iSv. § 5 Nr. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung in Rechte eingegriffen, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben.
Nach § 5 Nr. 2 Satz 1 der Rahmenvereinbarung müssen die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Von der Formulierung „Rechte, die der Arbeitnehmer … erworben hatte oder dabei war zu erwerben“ werden alle unmittelbar oder mittelbar aus dem Arbeitsverhältnis abgeleiteten Rechte und Vorteile hinsichtlich Bar- und Sachleistungen erfasst, auf die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat. Hierzu zählt auch der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub12. § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung steht einer nationalen Bestimmung entgegen, nach der Arbeitnehmer im Anschluss an ihren Elternurlaub den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verlieren, den sie vor der Geburt ihres Kindes erworben haben13.
§ 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, den Arbeitnehmern während der Zeit des Elternurlaubs zu garantieren, dass sie Rechte auf künftige Leistungen des Arbeitgebers in demselben Umfang erwerben, als ob sie weiterhin ihre bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit ausgeübt hätten14. Es muss lediglich sichergestellt werden, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befindet wie vor dem Elternurlaub15. Alle übrigen Regelungen des Status des Arbeitsverhältnisses während des Elternurlaubs überlässt § 5 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern. Sie können festlegen, inwieweit Zeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit, in denen das Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht ruht, bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs berücksichtigt werden16.
Die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgesehene Möglichkeit zur Kürzung des während der Elternzeit erworbenen Erholungsurlaubs führt nicht zu einem Rechtsverlust des betroffenen Arbeitnehmers. Die Kürzung bewirkt lediglich die Anpassung der Urlaubsdauer an die während der Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht und verwirklicht damit den im gesamten Urlaubsrecht anwendbaren allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Umfang des Erholungsurlaubs während des Urlaubsjahres zur bestehenden Arbeitspflicht ins Verhältnis zu setzen ist.
Nach Erfüllung der Wartezeit steht dem Arbeitnehmer zwar gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 BUrlG bereits am 1.01.des Urlaubsjahres der volle Jahresurlaub zu, der bezogen auf eine Arbeitsleistung an sechs Tagen in der Woche kalenderjährlich 24 Werktage beträgt. Bei einer abweichenden Verteilung der Arbeitszeit wird die Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer erreicht, indem die maßgebliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der Urlaubstage in der Sechstagewoche ins Verhältnis gesetzt wird17. Der dem Arbeitnehmer am Jahresanfang zustehende Erholungsurlaub ist damit aber noch nicht in diesem Umfang iSv. § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung endgültig „erworben“. Vielmehr kann sich der Umfang des Urlaubsanspruchs bei einem Wechsel der Anzahl der Arbeitstage während des Urlaubsjahres ändern mit der Folge, dass der Jahresurlaubsanspruch für das betreffende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung unterjährig neu zu berechnen ist18. Durch diesen allgemeinen – auch außerhalb der Elternzeit geltenden – Grundsatz soll eine Gleichwertigkeit der Urlaubsdauer sichergestellt werden19. Auch wenn ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr in einen unbezahlten Sonderurlaub wechselt, ist bei der dadurch gebotenen Neuberechnung des Jahresurlaubsanspruchs zu berücksichtigen, in welchem Zeitraum die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben20. Beginnt die Elternzeit im laufenden Kalenderjahr, führt dementsprechend auch die Kürzung des Erholungsurlaubs zu einer Neuberechnung des Jahresurlaubsanspruchs im laufenden Urlaubsjahr. Zwar bedarf es hierfür zusätzlich einer (Kürzungs-)Erklärung des Arbeitgebers. Solange dem Arbeitgeber aber dieses gesetzliche Kürzungsrecht zusteht, hat der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch noch nicht iSv. § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung „erworben“.
Ein Verstoß gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung ergibt sich auch nicht daraus, dass ein erst in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres mit der Elternzeit beginnender Arbeitnehmer gegenüber einem in der zweiten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer benachteiligt würde21.
Gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Daraus hat die Rechtsprechung den Umkehrschluss hergeleitet, dass eine Zwölftelung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 BUrlG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte nach erfüllter Wartezeit unzulässig ist22. Somit bleibt einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach dem 30.06.eines Kalenderjahres rechtlich beendet wird, der ungekürzte Urlaubsanspruch erhalten, während einem Arbeitnehmer, dessen Elternzeit nach dem 30.06.eines Jahres beginnt, nach einer Kürzungserklärung des Arbeitgebers nur der an das Ruhen des Arbeitsverhältnisses angepasste Urlaub zusteht23.
Hierin liegt keine Benachteiligung von Arbeitnehmern in der Elternzeit. Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen, und solche, die in der zweiten Jahreshälfte ausscheiden, befinden sich hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht in einer vergleichbaren Situation. Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG und des daraus hergeleiteten Umkehrschlusses ist auf die besondere Situation der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugeschnitten. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass der Arbeitnehmer durch die Anwendung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte „den vollen Urlaubsanspruch verliert, auch wenn er erst gegen Ende des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet“24. Damit korrespondierend verhindert § 6 Abs. 1 BUrlG bei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen, dass ein Arbeitnehmer, dem der volle Jahresurlaub bereits von seinem früheren Arbeitgeber gewährt worden ist, für denselben Zeitraum zweimal Urlaub verlangen kann25. Die besondere Situation der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der etwaigen Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ist mit der Elternzeit nicht vergleichbar. Während der Elternzeit besteht das Arbeitsverhältnis fort. Ein Ausgleich des Urlaubs zwischen dem alten und einem neuen Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht erforderlich. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ermöglicht es unabhängig davon, den Urlaubsumfang für das gesamte Urlaubsjahr ins Verhältnis zu der im selben Zeitraum bestehenden Arbeitspflicht zu setzen, dh. um volle Kalendermonate des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zu kürzen.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG verletzt auch nicht den Grundsatz, dass ein unionsrechtlich gewährleisteter Urlaub (hier die Elternzeit) nicht das Recht beeinträchtigen darf, einen anderen unionsrechtlich gewährleisteten Urlaub (hier den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub) zu nehmen, der einen anderen Zweck als der erstgenannte verfolgt26. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich daraus nicht herleiten lässt, dass der Elternurlaub bei der Berechnung des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung anzusehen ist27.
Die Anpassung des Urlaubsanspruchs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG an die durch die Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht wird weder automatisch noch durch einen Realakt des Arbeitgebers bewirkt. Sie setzt voraus, dass der Arbeitgeber von der ihm eingeräumten Kürzungsbefugnis durch die Abgabe einer (empfangsbedürftigen) rechtgeschäftlichen Erklärung Gebrauch macht.
Möchte der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, muss er sein Kürzungsrecht ausüben. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss28. Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Dazu ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will (vgl. zu § 17 Abs. 1 Satz 1 BErzGG BAG 28.07.1992 – 9 AZR 340/91, zu 1 c der Gründe, BAGE 71, 50).
Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat29. Das Gesetz unterstellt allein den „Erholungsurlaub“ der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch.
Zwar wandelt sich nach der neueren Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der aus Freistellung von der Arbeitspflicht und Bezahlung zusammengesetzte Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erfüllten Urlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG um, ohne dass der finanzielle Aspekt des originären Urlaubsanspruchs zunächst erlischt30.
Gleichwohl unterliegt der Abgeltungsanspruch nicht der Kürzung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Trotz des gemeinsamen Ursprungs besteht zwischen dem Urlaubs- und dem Urlaubsabgeltungsanspruch keine Zweckidentität, die ein Kürzungsrecht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedingen könnte. Der Beendigungszeitpunkt bildet eine Zäsur, die nicht nur die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub betrifft. Ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht mehr zu Erholungszwecken unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht freigestellt werden. Zudem können weder neue Urlaubsansprüche entstehen noch bestehende nach § 7 Abs. 3 BUrlG erlöschen. Der innere Zusammenhang zwischen der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten bzw. zu leistenden Arbeit und dem Urlaub wird durch die Ablösung des Freistellungsanspruchs von der Vergütungskomponente und deren Umwandlung in einen Abgeltungsanspruch aufgelöst30. Als reiner Geldanspruch hängt die Erfüllbarkeit des Abgeltungsanspruchs nicht von der Arbeitsfähigkeit oder einer bestimmten Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ab; zudem unterliegt er nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes31. Ist danach das für den originären Erholungsurlaub geltende Regelungsregime auf den Abgeltungsanspruch nicht mehr anwendbar, ist auch das Kürzungsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG betroffen.
Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben32, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen33. Letzteres ist Ausfluss der dem Arbeitgeber eingeräumten Dispositionsbefugnis, von dem Kürzungsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG Gebrauch zu machen oder hiervon abzusehen. Der Arbeitgeber kann sein Wahlrecht erst dann sinnvoll ausüben, wenn er weiß, dass und für welchen Zeitraum Elternzeit in Anspruch genommen werden soll. Die Kürzungsbefugnis setzt somit ein Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG voraus, durch das der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit festgelegt werden. Dieses Verständnis ist im Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG angelegt, der auf jeden vollen Kalendermonat „der“ Elternzeit abstellt. Die Verwendung des bestimmten Artikels legt nahe, dass der Arbeitgeber den Urlaub nicht für „irgendeine“ sich noch nicht abzeichnende, sondern nur für eine konkret in Rede stehende Elternzeit kürzen kann.
In dem Ausweisen einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen in Entgeltabrechnungen liegt ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte regelmäßig keine Kürzungserklärung iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Die Regelung dient der Transparenz. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält34. Angaben in einer Entgeltabrechnung stellen grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern lediglich Wissenserklärungen dar35.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 495/17
- BAG 19.05.2015 – 9 AZR 725/13, Rn. 11, BAGE 151, 360[↩]
- vgl. BAG 19.05.2011 – 9 AZR 197/10, Rn. 24, BAGE 138, 58[↩]
- LAG Baden-Württemberg 07.07.2017 – 9 Sa 10/17[↩]
- vgl. BAG 23.01.2018 – 9 AZR 200/17, Rn.19, BAGE 161, 347; 15.12 2015 – 9 AZR 52/15, Rn. 21, BAGE 154, 1[↩]
- vgl. BAG 15.12 2015 – 9 AZR 52/15, Rn. 22, BAGE 154, 1[↩]
- vgl. bereits zu § 8d MuSchG aF BAG 15.02.1984 – 5 AZR 192/82, zu II 2 b der Gründe, BAGE 45, 155[↩]
- vgl. BAG 19.02.2019 – 9 AZR 423/16, Rn. 25 mwN[↩]
- ABl. EU L 68 vom 18.03.2010 S. 13; im Folgenden Rahmenvereinbarung[↩]
- vgl. EuGH 4.10.2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 38[↩]
- vgl. EuGH 4.10.2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 27 f.[↩]
- vgl. Düwell jurisPR-ArbR 45/2018 Anm. 3; Oberthür ArbRB 2019, 13, 16[↩]
- vgl. EuGH 22.04.2010 – C-486/08 – [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 53 f. mwN[↩]
- vgl. EuGH 22.04.2010 – C-486/08 – [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 56[↩]
- vgl. EuGH 16.07.2009 – C-537/07 – [Gómez-Limón Sanchéz-Camacho] Rn. 40, 43; BAG 27.01.2011 – 6 AZR 526/09, Rn. 41, BAGE 137, 80[↩]
- vgl. EuGH 22.04.2010 – C-486/08 – [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 51 mwN; 22.10.2009 – C-116/08 – [Meerts] Rn. 38 f.[↩]
- vgl. EuGH 4.10.2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 35[↩]
- vgl. BAG 21.07.2015 – 9 AZR 145/14, Rn. 17; 15.03.2011 – 9 AZR 799/09, Rn. 25, BAGE 137, 221[↩]
- vgl. zu den Umrechnungsformeln BAG 19.03.2019 – 9 AZR 406/17, Rn. 28 ff.[↩]
- vgl. BAG 19.03.2019 – 9 AZR 406/17, Rn. 23, 29; vgl. auch ErfK/Gallner 19. Aufl. BUrlG § 3 Rn. 15; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 611 Rn. 926[↩]
- vgl. BAG 19.03.2019 – 9 AZR 406/17, Rn.20[↩]
- vgl. Daum RdA 2019, 49, 54; aA Klein jurisPR-ArbR 35/2018 Anm. 2[↩]
- BAG 9.08.2016 – 9 AZR 51/16, Rn. 16 mwN[↩]
- vgl. Klein jurisPR-ArbR 35/2018 Anm. 2[↩]
- vgl. den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit vom 30.11.1962, BT-Drs. IV/785 S. 3[↩]
- vgl. BT-Drs. IV/785 S. 3; BAG 16.12 2014 – 9 AZR 295/13, Rn. 37, BAGE 150, 207; 21.02.2012 – 9 AZR 487/10, Rn. 16, BAGE 141, 27[↩]
- vgl. EuGH 20.01.2009 – C-350/06 und – C-520/06 – [Schultz-Hoff ua.] Rn. 26 mwN; vgl. auch Boecken FS Düwell 2011 S. 53; Kamanabrou RdA 2014, 321, 326[↩]
- vgl. EuGH 4.10.2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 37[↩]
- vgl. BAG 19.05.2015 – 9 AZR 725/13, Rn. 12, BAGE 151, 360[↩]
- mit ausf. Begründung BAG 19.05.2015 – 9 AZR 725/13, Rn. 10, 13 ff., BAGE 151, 360[↩]
- vgl. BAG 22.01.2019 – 9 AZR 45/16, Rn. 23[↩][↩]
- vgl. BAG 19.06.2012 – 9 AZR 652/10, Rn. 15, BAGE 142, 64[↩]
- vgl. BAG 19.05.2015 – 9 AZR 725/13, Rn. 14 mwN, BAGE 151, 360[↩]
- ErfK/Gallner 19. Aufl. BEEG § 17 Rn. 4; Arnold/Tillmanns/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 17 BEEG Rn. 10; aA NK-GA/Osnabrügge § 17 BEEG Rn. 8[↩]
- BAG 13.10.2015 – 1 AZR 130/14, Rn. 29; 10.01.2007 – 5 AZR 665/06, Rn. 18 mwN, BAGE 120, 373[↩]
- vgl. BAG 19.03.2019 – 9 AZR 881/16, Rn. 16; 18.04.2012 – 5 AZR 307/11, Rn. 16[↩]