Die einem Arbeitnehmer fortzuzahlende Vergütung umfasst nicht die in einem betrieblichen Aushang zugesagte Streikbruchprämie.

Arbeitsentgelt im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG sind alle Vergütungsbestandteile, nicht dagegen Aufwendungsersatz. Eine dritte Kategorie von Zahlungen, also solche, die weder Aufwendungsersatz noch Arbeitsentgelt darstellt, ist der gesetzlichen Regelung des § 37 Abs. 2 BetrVG fremd1. Entsprechend sind im Rahmen des Lohnausfallprinzips nach § 37 Abs. 2 BetrVG neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen zu zahlen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr, Über, Nacht, Sonn- und Feiertagsarbeit, Erschwernis- und Sozialzulagen. Hierzu zählen, worauf die Revision richtig verweist, grundsätzlich auch Leistungen, die den tatsächlichen Arbeitsantritt voraussetzen2.
Unter Heranziehung der für eine Gesamtzusage maßgebenden Auslegungsgrundsätze3 war im hier entschiedenen Fall die Sonderzahlung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausschließlich denjenigen Arbeitnehmern versprochen, deren Arbeitspflicht an einem Streiktag nicht aus einem anderen Grund als dem der Teilnahme am Streik suspendiert war. Ein freigestellter Betriebsrat etwa unterfällt daher nicht dem Kreis der Anspruchsberechtigten, an die sich die ausgelobte Streikbruchprämie richtete.
Darauf deutet bereits die im jeweiligen betrieblichen Aushang formulierte Beschreibung des Adressatenkreises der „arbeitswilligen Mitarbeiter…, die bei einem Streik ihrer regulären Tätigkeit nachgehen und nicht streiken“ hin. Vor allem aber folgt dies aus dem Charakter der vor Beginn der Streikmaßnahmen zugesicherten Prämie. Sie richtete sich nur an Arbeitnehmer, die – dem erwarteten Streikaufruf nicht Folge leistend – tatsächlich während des Streiks ihre Arbeitsleistung erbringen. Die Arbeitgeberin hat sich, erkennbar für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, mit der Prämie keines Mittels allgemeiner Motivationssteigerung bedient, sondern wollte in der spezifischen Situation der Auseinandersetzung um einen Tarifvertragsschluss und eines vor diesem Hintergrund erwarteten Streiks dessen Folgen begrenzen. Eine Aufrechterhaltung des Betriebs trotz des Streiks vermochten nur diejenigen Arbeitnehmer zu gewährleisten, die ihrer Arbeitspflicht tatsächlich nachkommen konnten und hiervon nicht aus anderen Gründen – sei es Urlaub, Arbeitsunfähigkeit oder auch erforderliche Betriebsratstätigkeit – befreit waren.
Dieses Verständnis der Streikbruchprämie verbietet sich im Hinblick auf die Freistellung wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit nicht wegen der Schutzbestimmungen des § 78 BetrVG.
Nach dessen Satz 1 dürfen ua. die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Weiterhin dürfen sie nach Satz 2 wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist – ohne dass es auf eine Benachteiligungsabsicht ankäme – jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht4.
Der Arbeitnehmer wird als Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitspflicht an dem Streiktag aus Gründen seiner Mandatstätigkeit suspendiert war, durch die „Vorenthaltung“ der Streikbruchprämie nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Das Betriebsratsmitglied wird nicht anders behandelt als diejenigen Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt waren und deshalb ihre „reguläre Tätigkeit“ nicht erbracht haben.
Ein Anspruch auf die Prämienzahlungen wird nicht durch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vermittelt.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bildet für sich gesehen keine Anspruchsgrundlage5.
Wendet jedoch ein Arbeitgeber einer nach bestimmten Kriterien definierten Gruppe von Arbeitnehmern eine Leistung zu und nimmt damit andere Arbeitnehmer hiervon aus, kann dies dazu führen, dass er verpflichtet ist, dem6 ausgeschlossenen Arbeitnehmer die der Gruppe versprochene Leistung zu gewähren, wenn er bei der Festlegung der zugrunde liegenden Anspruchsvoraussetzungen gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt7. Voraussetzung für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Regelbildung des Arbeitgebers ist, dass dieser durch ein eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung geschaffen hat. Liegen einer Leistung bestimmte Voraussetzungen zugrunde, muss die vom Arbeitgeber damit selbst geschaffene Gruppenbildung gemessen am Zweck der Leistung sachlich gerechtfertigt sein8. Das ist der Fall, wenn die Differenzierungsgründe unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Leistung auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und nicht gegen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder gesetzliche Verbote verstoßen. Rechtsfolge einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist dann die Korrektur der arbeitgeberseitig bestimmten gleichbehandlungswidrigen Voraussetzung. Die sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung führt im Ergebnis zu einer Anpassung dieses Merkmals durch ein gleichbehandlungskonformes. Der Arbeitnehmer, der ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt wurde, kann die Leistung, von der er nach der Regelbildung des Arbeitgebers wegen Nichterfüllung des gleichbehandlungswidrigen Tatbestandsmerkmals ausgeschlossen war, von diesem verlangen, wenn es keine weiteren Voraussetzungen gibt oder etwaige weitere Voraussetzungen von ihm erfüllt werden9.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Arbeitgeberin nicht zu den Prämienzahlungen verpflichtet.
Für die Prämie ist der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet. Die Arbeitgeberin hat diese als freiwillige Leistung nach einem selbstbestimmten generalisierenden Prinzip zugesagt und in zweifacher Hinsicht eine Gruppenbildung vorgenommen. Sie hat zum einen unterschieden zwischen streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmern und zum anderen zwischen denjenigen Arbeitnehmern, deren Arbeitspflicht an einem Streiktag von vornherein aus anderen als streikbedingten Gründen suspendiert war, und denjenigen, bei denen das nicht der Fall war.
Aus der Ausgestaltung der Prämie ergibt sich deren Zweck. Die Arbeitgeberin wollte die zur Arbeitsleistung verpflichteten Arbeitnehmer mittels einer finanziellen Leistung dazu anhalten, sich an einem von ihr aufgrund der Tarifauseinandersetzung mit ver.di konkret erwarteten Streik nicht zu beteiligen, also von der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Möglichkeit zur Teilnahme an dieser Arbeitskampfmaßnahme10 keinen Gebrauch zu machen. Mit ihrem Versprechen einer Sonderleistung für diejenigen Arbeitnehmer, die einem gewerkschaftlichen Streikaufruf („Sollte es … tatsächlich zu einem Streik … kommen …“) nicht folgend weiter ihre Arbeitsleistung erbringen, sollte – als Streikabwehrmaßnahme – betrieblichen Ablaufstörungen entgegengewirkt und damit letztlich die Streikwirkung begrenzt werden. Gemessen an diesem Zweck sind die Gruppenbildungen aus arbeitskampfrechtlichen Gründen zulässig.
Es kann dahinstehen, inwieweit der von dem Arbeitnehmer – ergänzend – geltend gemachte Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die streitgegenständlichen Forderungen bilden würde. Die Prämiengestaltung der hier streitbefangenen Art mit ihrer zulässigen Differenzierung zwischen streikenden und nichtstreikenden Arbeitnehmern stellt von vornherein keine Maßregelung iSv. § 612a BGB dar11.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. August 2018 – 1 AZR 287/17
- ausf. BAG 13.07.1994 – 7 AZR 477/93, zu 1 b der Gründe, BAGE 77, 195[↩]
- für eine tarifvertragliche sog. Antrittsgebühr BAG 13.07.1994 – 7 AZR 477/93 – aaO[↩]
- dazu ausf. zB BAG 24.01.2017 – 3 AZR 372/15, Rn. 33[↩]
- BAG 25.06.2014 – 7 AZR 847/12, Rn. 29, BAGE 148, 299[↩]
- ausf. BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 18 ff., BAGE 148, 139[↩]
- Kreis der[↩]
- vgl. BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 18, aaO[↩]
- vgl. etwa BAG 22.01.2009 – 8 AZR 808/07, Rn. 35 mwN[↩]
- BAG 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, Rn. 22 f. mwN, aaO[↩]
- zur Beteiligung aller vom Streikaufruf angesprochenen Arbeitnehmer BAG 22.03.1994 – 1 AZR 622/93, zu II 3 a der Gründe mwN, BAGE 76, 196[↩]
- vgl. auch BAG 31.05.2005 – 1 AZR 254/04, zu II 2 c cc der Gründe, BAGE 115, 68; 13.07.1993 – 1 AZR 676/92, zu IV 1 der Gründe, BAGE 73, 320[↩]