„equal pay“ – Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt und die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist

Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, mit der die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge vom 15.03.2010 (AMP-TV 2010) vereinbart werden sollte, ist mangels Kollisionsregelung intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam1. Der Arbeitgeber ist daher – in Ermangelung einer nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigenden Vereinbarung – nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, der Arbeitnehmerin für die Zeit der Überlassung an die Entleiherfirma das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin ihren Stammarbeitnehmern gewährte.

„equal pay“ – Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt und die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist

Dieser „equal pay“-Anspruch der Arbeitnehmerin kann jedoch aufgrund arbeitsvertraglicher Bestimmung verfallen.

Die Arbeitnehmerin war allerdings nicht gehalten, Ausschlussfristen aus dem nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen AMP-TV 2010 einzuhalten. Diese sind auch nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung Inhalt des Arbeitsvertrags geworden2. Der Arbeitsvertrag enthielt im vorliegenden Fall jedoch in seinem § 14 eine Ausschlussfristen-Regelung:

§ 14 Ausschlussfristen

  1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, verfallen ersatzlos.
  2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat ab Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser Anspruch, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
  3. Diese Ausschlussfristen gelten nicht bei einer Haftung wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit. Sie gelten ebenfalls nicht bei Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.

Die Arbeitnehmerin musste die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung in § 14 Nr. 1 Arbeitsvertrag beachten.

Diese Klausel enthält eine eigenständige arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung. Das folgt aus dem grundsätzlichen Vorrang einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel vor einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung3. Belassen es nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien nicht dabei, ihr Arbeitsverhältnis pauschal einem bestimmten Tarifregime zu unterwerfen, sondern vereinbaren zu einzelnen Gegenständen darüber hinaus im Arbeitsvertrag ausformulierte Regelungen, bringen sie damit typischerweise zum Ausdruck, dass unabhängig von dem in Bezug genommenen Tarifwerk, jedenfalls (auch) die in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis gelten sollen.

Zu der in der Vorinstanz vom Sächsischen Landesarbeitsgericht4 angenommenen „Kollision“ arbeitsvertraglicher und tariflicher Ausschlussfristenregelungen kann es nicht kommen, weil die Bezugnahmeklausel des § 1 Nr. 2 Arbeitsvertrag unwirksam ist und deshalb tarifliche Ausschlussfristenregelungen nicht in das Arbeitsverhältnis inkorporiert werden5. Zudem geben weder der Wortlaut der Bezugnahmeklausel noch der der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung Anhaltspunkte für die Annahme, letztere müsse nicht beachtet werden.

Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung hält der AGB-Kontrolle stand.

Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weitverbreiteten Übung im Arbeitsleben. Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Ausschlussfristen“ betitelten eigenen Paragraphen enthalten, dessen Überschrift durch Fettdruck hervorgehoben ist.

Die Klausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer kann ersehen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „verfallen“, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden6.

Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung ist nicht unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie lässt dem Gläubiger eine faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ reicht nach dem Wortlaut der Klausel aus und ermöglicht es auch dem Leiharbeitnehmer, der die Entgeltregelung für vergleichbare Stammarbeitnehmer noch nicht im Einzelnen kennt, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist sich für jede Überlassung den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu sichern7.

Die wegen ihrer Kürze nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksame zweite Stufe der Ausschlussfristenregelung (§ 14 Nr. 2 Arbeitsvertrag) berührt nach dem sog. blue-pencil-Test die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht8.

Die Klägerin hat die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung nach § 14 Nr. 1 Arbeitsvertrag nur hinsichtlich der Differenzvergütung für die Monate Dezember 2010 bis Februar 2011 eingehalten. Sie hat den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, der mit der Überlassung entsteht und ratierlich zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird9, erstmals mit Schreiben vom 08.04.2011 geltend gemacht. Damit konnte sie die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung nur für Differenzvergütung ab Dezember 2010 wahren. Dass Lohnzahlungen für frühere Monate des Streitzeitraums gemäß § 4 Nr. 3 Arbeitsvertrag später als am 15. Banktag des folgenden Kalendermonats fällig geworden wären, hat die Klägerin nicht behauptet.

Dem Verfall steht § 14 Nr. 3 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt betrifft keinen der dort genannten Ausnahmetatbestände.

Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 AZR 556/12

  1. vgl. dazu im Einzelnen BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 26 ff.; zur zwischenzeitlich festgestellten fehlenden Tariffähigkeit von medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft siehe BAG 11.06.2013 – 1 ABR 33/12[]
  2. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 34 f.[]
  3. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 40; 25.09.2013 – 5 AZR 778/12, Rn. 14[]
  4. Sächsisches LAG, Urteil vom 23.05.2012 – 2 Sa 615/11[]
  5. vgl. BAG 25.09.2013 – 5 AZR 778/12, Rn. 16[]
  6. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 48 f.[]
  7. vgl. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 50 ff.[]
  8. vgl. BAG 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, Rn. 26 ff. mwN; 16.05.2012 – 5 AZR 251/11, Rn. 37, BAGE 141, 340[]
  9. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 42[]

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