„equal pay“-Ansprüche und arbeitsvertragliche Ausschlussfristen

Ein Leiharbeitnehmer hat für die Zeit der Überlassung Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG, wenn der Arbeitsvertrag, auf den der Arbeitsvertrag verweist, (hier: wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP) unwirksam ist1. Dieser equal-pay-Anspruch kann jedoch aufgrund arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen verfallen sein.

„equal pay“-Ansprüche und arbeitsvertragliche Ausschlussfristen

Allerdings ist der Arbeitnehmer nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der CGZP einzuhalten. Solche sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Arbeitsvertragsparteien sind zwar grundsätzlich frei, ein kollektives Regelwerk in Bezug zu nehmen, ohne dass es auf dessen normative Wirksamkeit ankommt. Eine derartige Abrede scheidet jedoch aus, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, nur ein wirksamer Tarifvertrag habe vereinbart werden sollen. Das ist vorliegend der Fall. Nur mit einer Bezugnahme auf einen wirksamen Tarifvertrag konnte die Arbeitgeberin als Klauselverwenderin den Zweck der Bezugnahme – das Abweichen vom Gebot der Gleichbehandlung nach § 9 Nr. 2 AÜG – erreichen2.

Im vorliegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag jedoch in seinem § 13 eine doppelstufige Ausschlussfristenregelung, die der Arbeitnehmer beachten musste:

§ 13 Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen

  1. Beide Arbeitsvertragsparteien können sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit geltend machen.
  2. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutender Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten. Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden.
  3. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Diese Klausel enthält eine eigenständige arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung. Das folgt aus dem grundsätzlichen Vorrang einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel vor einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung3. Belassen es nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien nicht dabei, ihr Arbeitsverhältnis pauschal einem bestimmten Tarifregime zu unterwerfen, sondern vereinbaren zu einzelnen Gegenständen darüber hinaus im Arbeitsvertrag ausformulierte Regelungen, bringen sie damit typischerweise zum Ausdruck, dass unabhängig von dem in Bezug genommenen Tarifwerk, jedenfalls (auch) die in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis gelten sollen.

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Davon können die Arbeitsvertragsparteien abweichen, indem sie etwa einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel eine nur „deklaratorische“, den Wortlaut des in Bezug genommenen Tarifwerks wiedergebende Bedeutung beimessen und damit gleichsam die Bezugnahme „ausformulieren“. Des Weiteren bleibt es ihnen unbenommen, andere Kollisionsregeln für das Verhältnis einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel zu den inkorporierten tariflichen Regelungen zu schaffen.

Eine solche anderweitige Regelung haben die Parteien nicht getroffen. § 2 Nr. 4 Satz 4 bis Satz 6 Arbeitsvertrag sieht zwar an sich vor, dass eine ausdrücklich in den Vertrag aufgenommene Regelung nicht in jedem Falle eigenständige Bedeutung habe und bei sich widersprechenden Regelungen die tariflichen Bestimmungen maßgeblich sein sollten, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthielte eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung. Das führt aber nicht zur Unanwendbarkeit von § 13 Arbeitsvertrag. Denn die Kollisionsregeln in § 2 Nr. 4 Satz 4 bis Satz 6 Arbeitsvertrag setzen – für den durchschnittlichen Vertragspartner des Klauselverwenders erkennbar – voraus, dass auf arbeitsvertraglicher Ebene überhaupt eine in Bezug genommene tarifliche und eine ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommene Regelung Anwendung finden und kollidieren können. Das ist vorliegend nicht der Fall. Wegen der Unwirksamkeit der CGZP-Tarifverträge geht die Bezugnahmeklausel insgesamt ins Leere: Die in Bezug genommenen Tarifverträge können auf arbeitsvertraglicher Ebene keine Wirkung entfalten, damit sind die dazugehörigen Kollisionsregeln hinfällig.

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Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung hält der AGB-Kontrolle stand.

Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben. Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Geltendmachung und Ausschluss von Ansprüchen“ betitelten eigenen Paragraphen enthalten, dessen Überschrift durch Fettdruck hervorgehoben ist.

Die Klausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer kann ersehen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „ausgeschlossen“ sind, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden4.

Die Einschränkung der Rechtsfolge in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung einzuhalten, führt nicht zur Intransparenz der Klausel. Sie hält den Arbeitnehmer nicht davon ab, alle erforderlichen Schritte zur Verhinderung des Untergangs eines Anspruchs zu unternehmen, sondern entlastet ihn, wenn er jene trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht ergreifen konnte.

Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung ist nicht unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie lässt dem Gläubiger eine faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ reicht nach dem Wortlaut der Klausel aus und ermöglicht es auch dem Leiharbeitnehmer, der die Entgeltregelung für vergleichbare Stammarbeitnehmer noch nicht im Einzelnen kennt, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist sich für jede Überlassung den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu sichern5.

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Die wegen ihrer Kürze nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksame zweite Stufe der Ausschlussfristenregelung (§ 13 Nr. 3 Arbeitsvertrag) berührt nach dem sog. Blue-pencil-Test die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht6.

Die Klägerin hat die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung in § 13 Arbeitsvertrag nicht eingehalten. Sie hat den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, der mit der Überlassung entsteht und ratierlich zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird7, erstmals mit der der Beklagten am 5.01.2011 zugestellten Klage geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG für den gesamten Streitzeitraum bereits untergegangen.

Der Anspruchsverfall ist nicht nach § 13 Nr. 2 Satz 1 Arbeitsvertrag unterblieben. Danach bestehen Ansprüche fort, wenn der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die dreimonatige Geltendmachungsfrist einzuhalten. Ein derartiger Ausnahmefall liegt nicht vor.

Die Klägerin hat keine tatsächlichen Umstände vorgebracht, die eine rechtzeitige Geltendmachung hätten verhindern können. Sie wusste, dass vergleichbare Stammarbeitnehmer bei der Entleiherin mehr verdienten als sie. Die bloße Unkenntnis über das Bestehen eines Anspruchs oder die objektiv unzutreffende rechtliche Würdigung einer arbeitsvertraglichen Klausel, mit der der Verleiher von der in § 9 Nr. 2 AÜG eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, von dem Gebot der Gleichbehandlung abzuweichen, reicht für eine Verhinderung iSv. § 13 Nr. 2 Arbeitsvertrag nicht aus. Vertraut der Leiharbeitnehmer auf die Rechtswirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Gestaltung und in diesem Zusammenhang auf die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition, so ist dieses Vertrauen ebenso wenig geschützt wie das des Verleihers8.

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Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich der im Rechtlichen irrende Arbeitnehmer von kompetenter Stelle eine falsche Rechtsauskunft oder unzutreffenden Rechtsrat erhalten hätte9. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Dem Verfall steht § 13 Nr. 2 Satz 2 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Danach gilt die Ausschlussfrist nicht für Ansprüche, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Ein solcher ist der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nicht10.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2013 – 5 AZR 778/12

  1. vgl. dazu im Einzelnen: BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 12 ff.[]
  2. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 35[]
  3. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 40[]
  4. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 48 f.[]
  5. vgl. dazu im Einzelnen: BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 50 ff.[]
  6. vgl. BAG 16.05.2012 – 5 AZR 251/11, Rn. 37; 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, Rn. 26 ff. mwN[]
  7. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 42[]
  8. vgl. zur Verjährung: BAG 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, Rn. 25[]
  9. zur nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage in einem solchen Falle vgl. – statt vieler – ErfK/Kiel 13. Aufl. § 5 KSchG Rn. 17 mwN[]
  10. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 56[]