Erledigungserklärungen – und ihre Auslegung

Maßgeblich für die Auslegung von Erledigungserklärungen sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze.

Erledigungserklärungen – und ihre Auslegung

Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus der Sicht des Erklärenden nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen1.

Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsrechtszug erklärt werden. Sie führt im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen zur Beendigung der Rechtshängigkeit des Rechtsstreits in der Hauptsache2.

Danach hat der Kläger im vorliegenden Verfahren eine Erklärung abgegeben, die auf die unbedingte Erledigung der Hauptsache mit Ausnahme der -zwischenzeitlich zurückgenommenen- Zwischenfeststellungsklage gerichtet war. Der Kläger hat im Zusammenhang mit seiner offenkundig auf eine Erledigung zielenden Erklärung ausdrücklich auf sämtliche „Anträge“, die Gegenstand der Revision und der Anschlussrevision sind, abgestellt. Damit hat er zum einen klargestellt, dass sich die Erledigungserklärung nicht auf ein Rechtsmittel bzw. auf dessen Anschließung, sondern auf die Hauptsache beziehen soll. Das war auch folgerichtig, weil er das Rechtsmittel der Revision nicht für erledigt erklären konnte, da er nicht Revisionsführer war. Zum anderen hat er damit den Umfang der Erledigung hinreichend präzise bezeichnet. Soweit die Erledigung nur „teilweise“ erklärt worden ist, erfolgte dies erkennbar allein wegen der eigens von der Erklärung ausdrücklich ausgenommenen Zwischenfeststellungsklage.

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Der Kläger hat die Erledigungserklärung auch unbedingt abgegeben. Dem steht nicht entgegen, dass er seine für erledigt erklärten Klageanträge hilfsweise aufrechterhalten hat. Damit hat er ersichtlich etwaigen Zweifeln an einem erledigenden Ereignis – etwa falls seine Erledigungserklärung einseitig bleiben sollte – begegnen und für diesen Fall eine sachgerechte Fortsetzung des Rechtsstreits bewirken wollen. Das hat er mit seinem Schriftsatz vom 10.02.2021 klargestellt. Eine solche hilfsweise Aufrechterhaltung der Sachanträge ist zulässig3.

Die Beklagte hat sich nach dem eindeutigen Wortlaut in ihrem Schriftsatz der Erledigungserklärung des Klägers vollumfänglich angeschlossen. Der Antrag, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, verdeutlicht dieses Bestreben. Umstände, die den Schluss zuließen, ihre Anschlusserklärung habe sich lediglich auf die Anschlussrevision des Klägers und dessen Hilfsanträge bezogen, sind nicht erkennbar und von der Beklagten nicht aufgezeigt. Die Erledigungserklärung des Klägers bezog sich ausdrücklich und unmissverständlich auf alle Anträge, die Gegenstand der Revision und der Anschlussrevision waren. Da die Anschlusserklärung zum Umfang der Erledigung weder ausdrückliche Ausführungen noch Einschränkungen enthält und auch sonst keinen entgegenstehenden Willen der Beklagten erkennen lässt, ist sie so zu verstehen, dass der Rechtsstreit im Umfang der Erledigungserklärung des Klägers beendet werden soll4.

Eine wirksame Anschließung war auch n nicht unmöglich, denn die Erledigungserklärung des Klägers ist – wie ausgeführt – hinreichend eindeutig. Eine Mehrdeutigkeit der Erledigungserklärung lässt sich auch nicht aus dem gerichtlichen Hinweisbeschluss vom 20.01.2021 ableiten. Dieser bezog sich lediglich auf die Frage des Feststellungsinteresses im Zusammenhang mit der hilfsweisen Aufrechterhaltung der Sachanträge und der Befristungskontrollklage vor dem Hintergrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zweifel des Bundesarbeitsgerichts im Hinblick auf die Eindeutigkeit der klägerischen Erledigungserklärung waren hiermit nicht verbunden.

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Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 8. November 2022 – 6 AZR 133/20

  1. vgl. BAG 26.01.2021 – 3 AZR 119/19 (A), Rn. 7; 26.07.2012 – 6 AZR 221/11, Rn. 29 mwN; BGH 20.04.2021 – II ZR 387/18, Rn. 14 mwN[]
  2. BGH 20.04.2021 – II ZR 387/18, Rn. 11[]
  3. vgl. BGH 18.09.1992 – V ZR 84/91, zu I 1 der Gründe mwN; 29.09.1982 – VIII ZR 167/82, zu 2 der Gründe; 6.05.1965 – II ZR 19/63, zu I 2 der Gründe; OLG Frankfurt 30.08.2019 – 5 U 35/18, Rn. 21; GMP/Müller-Glöge 10. Aufl. § 74 Rn. 30; Anders/Gehle/Gehle ZPO 80. Aufl. § 91a Rn. 78; MünchKomm-ZPO/Schulz 6. Aufl. § 91a Rn. 81 mwN; Musielak/Voit/Flockenhaus ZPO 19. Aufl. § 91a Rn. 31 mwN; Zöller/Althammer ZPO 34. Aufl. § 91a Rn. 35, 45[]
  4. vgl. hierzu BGH 20.04.2021 – II ZR 387/18, Rn. 17[]