Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer

Hat der Arbeitgeber von Einkünften des Arbeitnehmers zu wenig Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, kann er gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Arbeitnehmer die Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer verlangen1. Denn der Arbeitgeber haftet zwar für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, deren Schuldner ist jedoch allein der Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Etwas anderes gilt nur, wenn der klar erkennbare Parteiwille dahin geht, die Steuerlast solle den Arbeitgeber treffen2. Für den Erstattungsanspruch ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer die Steuerforderung freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids der Finanzbehörde erfüllt3.

Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer

Selbst wenn der Arbeitgeber eine vom Arbeitnehmer objektiv nicht geschuldete Lohnsteuer abführt, leistet er sowohl aus seiner eigenen Sicht als auch aus derjenigen der Finanzbehörde für Rechnung des Arbeitnehmers4. Ein daraus resultierender Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt steht deshalb dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber zu5. Etwa „zu viel“ gezahlte Steuer wird bei der Veranlagung des Arbeitnehmers auf dessen Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG) und kann von ihm bei der Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG geltend gemacht werden6.

Dementsprechend sind die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich nicht befugt, die Berechtigung und die Höhe einer vom Arbeitgeber nachvollziehbar dargelegten Abführung von Lohnsteuer zu überprüfen. Der Arbeitnehmer ist auf die steuerrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt, es sei denn, für den Arbeitgeber wäre aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar gewesen, dass eine Steuerpflicht des Arbeitnehmers nicht besteht7. Solche Umstände sind nicht dargetan. Soweit der Arbeitnehmer vorbringt, bei den im Jahr 2015 überlassenen Fahrzeugen habe es sich nicht um „betriebliche Kraftfahrzeuge“ gehandelt, ist dies unerheblich. § 8 Abs. 2 EStG setzt nicht voraus, dass das vom Arbeitnehmer privat genutzte Fahrzeug Eigentum des Arbeitgebers ist. Es reicht vielmehr aus, wenn es ihm wirtschaftlich zuzurechnen ist. Das kann auch dann der Fall sein, wenn das Fahrzeug zivilrechtlich im Eigentum eines Dritten steht8.

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Ein derartiger Erstattungsanspruch des Arbeitgebers unterliegt auch nicht einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung wegen „Ansprüchen … aus dem Arbeitsverhälnits“. Das sind nur solche Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben9. Maßgeblich für die Einordnung ist nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern der Entstehungsbereich des Anspruchs10.

Daran gemessen unterfällt der Erstattungsanspruch wegen nachentrichteter Lohnsteuer aus § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO iVm. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht einer Verfallklausel, die nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und nicht auch solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen11, erfasst. Denn der Entstehungsbereich dieses zivilrechtlichen Anspruchs liegt nicht im Arbeitsverhältnis, sondern in dem – im Streitfall steuerrechtlichen – öffentlich-rechtlichen Pflichtengefüge, das beide Parteien des Arbeitsverhältnisses trifft12. Die Gesamtschuld zwischen Arbeitgeber als „bloßem“ Haftungsschuldner und dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner findet ihre Grundlage im Steuerrecht, das mit § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG, der ausschließlich dem Arbeitnehmer die Steuerlast zuweist, auch den Inhalt des Erstattungsanspruchs vorgibt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 5 AZR 538/17

  1. BAG 21.12 2016 – 5 AZR 266/16, Rn. 16 mwN, BAGE 157, 336[]
  2. BAG 16.06.2004 – 5 AZR 521/03, zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 111, 131[]
  3. vgl. BAG 16.06.2004 – 5 AZR 521/03 – aaO[]
  4. BFH 29.11.2000 – I R 102/99, zu II 1 a der Gründe, BFHE 194, 69[]
  5. BFH 17.06.2009 – VI R 46/07, Rn. 18 f., BFHE 226, 53[]
  6. vgl. BAG 19.04.2005 – 9 AZR 188/04, zu II 3 b der Gründe[]
  7. BAG 21.12 2016 – 5 AZR 266/16, Rn.20 mwN, BAGE 157, 336[]
  8. vgl. BFH 26.07.2001 – VI R 122/98, zu II 3 der Gründe, BFHE 196, 165; zum Ganzen Rundshagen in Korn EStG Stand 1.02.2018 § 8 Rn. 34; Schmidt/Krüger EStG 37. Aufl. § 8 Rn. 32[]
  9. BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 39, BAGE 144, 306[]
  10. BAG 21.01.2010 – 6 AZR 556/07, Rn.19; 19.01.2011 – 10 AZR 873/08, Rn.20 f. mwN[]
  11. zu einer solchen Klausel sh. BAG 1.12 1967 – 3 AZR 459/66, zu II 1 der Gründe, BAGE 20, 230[]
  12. BAG 21.12 2016 – 5 AZR 273/16, Rn. 12, BAGE 157, 341[]
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