Erstellen mobiler Bühnen – und die Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes

Das Erstellen mobiler Bühnen unterfällt  der Beitragspflicht zum Sozialkassenverfahren des Gerüstbaugewerbes.

Erstellen mobiler Bühnen – und die Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes

Die Ansprüche ergeben sich aus § 15 Abs. 1 iVm. der Anlage 46 SokaSiG2 und § 14 Abs. 1 und 2 VTV-Gerüstbau. Die bei dem Bühnenbauer beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten werden vom persönlichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau erfasst (§ 1 Abs. 3 VTV-Gerüstbau).

Der Betrieb der Bühnenbauerin fällt in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau. Der betriebliche Geltungsbereich ist nach § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a VTV-Gerüstbau für Betriebe des Gerüstbauerhandwerks eröffnet. Maßgeblich ist, ob im Betrieb nach seiner durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung arbeitszeitlich überwiegend mit eigenem oder fremdem Material gewerblich Gerüste erstellt werden. Als Gerüste gelten alle Arten von Arbeits, Schutz- und Traggerüsten, Fahrgerüste und Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik. Mobile Bühnen sind Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a Satz 4 VTV-Gerüstbau1.

Der Begriff des „Gerüsts“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. I Buchst. a Satz 4 VTV-Gerüstbau ist nicht auf Baugerüste beschränkt. Die Einbeziehung „aller Arten“ der näher bezeichneten Gerüste sowie von „Sonderkonstruktionen der Rüsttechnik“ verdeutlicht, dass der Begriff des Gerüsts umfassend zu verstehen ist. Maßgebend für den Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau ist die Art der Konstruktion unter Verwendung von Gerüstbauteilen, die einen relativ einfachen Auf- und Abbau und die mehrfache Verwendung ermöglicht2.

Mobile Bühnen werden typischerweise mit Gerüstmaterial erstellt. Sie benötigen eine stabile und sichere Unterkonstruktion. Diese wird wie bei Baugerüsten aus Aluminium- oder Stahlrohren und Verbindungselementen, gegebenenfalls auch im Modulsystem erstellt3. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verwendet die Bühnenbauerin für ihre mobilen Bühnen eine Unterkonstruktion aus standardisierten Bauelementen, ua. ein Modulsystem des Herstellers Layher. Die Bühnenkonstruktionen der Bühnenbauerin sind für den mehrfachen Auf- und Abbau ausgelegt. Einer Zuordnung zum Gerüstbau steht nicht entgegen, dass auf der Unterkonstruktion aufbauend Sonderanfertigungen nach Wunsch der Künstler erstellt werden.

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Mobile Bühnen sind nicht deswegen vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV-Gerüstbau ausgenommen, weil für sie andere bauordnungsrechtliche Bestimmungen und andere DIN-Normen gelten als für Baugerüste4.

Eine abweichende Beurteilung des betrieblichen Geltungsbereichs für die Bühnenbauerin ist nicht aufgrund des Umstands gerechtfertigt, dass sie nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Gerüstbauergesellen oder -meister beschäftigt. In der Berufsausbildung zum Gerüstbauer/zur Gerüstbauerin werden Fertigkeiten und Kenntnisse des Auf, Um- und Abbaus von Bühnen vermittelt (§ 4 Nr.19 und § 9 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gerüstbauer/zur Gerüstbauerin vom 26.05.2000, in Kraft seit dem 1.08.2000 [BGBl. I S. 778]). Der Bau und die Prüfung von Bühnen gehören zu den in der Meisterprüfung im Gerüstbauerhandwerk relevanten Kenntnissen (§ 2 Abs. 2 Nr. 10 der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Gerüstbauer-Handwerk vom 12.12.2000 [BGBl. I S. 1694] in der Fassung vom 17.11.2011 [BGBl. I S. 2234]). Das spricht dafür, diese Tätigkeiten dem Gerüstbauerhandwerk zuzuordnen5. Die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs des VTV-Gerüstbau für einen bestimmten Betrieb setzt jedoch nicht voraus, dass dort ausgebildete Fachkräfte des Gerüstbauerhandwerks eingesetzt werden. Der betriebliche Geltungsbereich kann auch eröffnet sein, wenn ein Betrieb Tätigkeiten des Gerüstbaus mit in anderen Berufen ausgebildeten oder angelernten Arbeitskräften ausführt.

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Das SokaSiG2 ist als Geltungsgrund für den VTV-Gerüstbau nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts verfassungsgemäß6.

§ 15 Abs. 1 SokaSiG2 verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Etwaige Eingriffe wären jedenfalls gerechtfertigt7.

§ 15 Abs. 1 SokaSiG2 verletzt nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art.20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden8.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Januar 2021 – 10 AZR 512/18

  1. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn.19 ff., BAGE 166, 233; 18.10.2017 – 10 AZR 327/16, Rn. 22; 17.10.2012 – 10 AZR 629/11, Rn. 11 ff.[]
  2. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 21 f., BAGE 166, 233; 17.10.2012 – 10 AZR 629/11, Rn. 12[]
  3. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 23 mwN, BAGE 166, 233[]
  4. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 26 f., BAGE 166, 233[]
  5. vgl. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 24, BAGE 166, 233[]
  6. BAG 17.06.2020 – 10 AZR 322/18, Rn. 53 ff.; 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 31 ff., BAGE 166, 233; für das SokaSiG vgl. inzwischen auch BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 14 ff.; 11.08.2020 – 1 BvR 1115/18, Rn. 2 f.[]
  7. vgl. BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 32 ff.; BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 34 ff., BAGE 166, 233[]
  8. vgl. BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 14 ff.; BAG 27.03.2019 – 10 AZR 211/18, Rn. 48 ff., BAGE 166, 233[]
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