Nach § 84 Absatz 2 SGB IX ist es Aufgabe des Arbeitgebers, den Arbeitnehmern, deren Ausfallzeiten die Schwellenwerte überschritten haben, das betriebliche Eingliederungsmanagement anzubieten und dieses auch durchzuführen. Dem Betriebsrat kommt insoweit nur eine Überwachungspflicht zu (§ 84 Absatz 2 Satz 7 SGB IX). Bei Untätigkeit des Arbeitgebers kann der Betriebsrat die Durchführung von Maßnahmen beantragen (§ 84 Absatz 2 Satz 6 SGB IX), nicht jedoch deren Unterlassen.

Eine Regelung des Verhaltens oder der Ordnung im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber außerhalb von Weisungen durch sonstige Maßnahmen steuernd auf das Verhalten seiner Beschäftigten einwirkt1. Das Bundesar¬beitsgericht hat eine mitbestimmungspflichtige non-direktive Verhaltenssteuerung aber nur angenommen, wenn der Arbeitgeber ein System zu etablieren versucht, mit dem er losgelöst vom Einzelfall allgemeine Regeln aufstellt, um das Verhalten der Beschäftigten steuernd zu beeinflussen2. Erst durch die Feststellung des Willens des Arbeitgebers, ein solches System zu etablieren, ist es möglich anzunehmen, der Arbeitgeber betreibe eine beteiligungspflichtige Verhaltenssteuerung seiner Beschäftigten im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG mit non-direktiven Mitteln.
Nach § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG gewährt dem Betriebsrat allerdings nur dort eine Mitregelungsbefugnis, wo die Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes dem Arbeitgeber bei ihrer Umsetzung einen Regelungsspielraum belassen. Verletzt wird das Beteiligungsrecht dann, wenn der Arbeitgeber diesen Regelungsspielraum durch eigene Regelungen ausgefüllt hat oder ausfüllen möchte und dabei das Beteiligungsrecht nicht beachtet. Das Beteiligungsrecht ist noch nicht verletzt, wenn der Arbeitgeber – wie hier – vereinzelt seinen erkrankten Arbeitnehmern das betriebliche Eingliederungsmanagement anbietet, ohne dazu schon ein Regelungssystem entwickelt zu haben.
Der von der Rechtsprechung anerkannte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Verletzung seiner Beteiligungsrechte aus § 87 BetrVG kann für den Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG nicht uneingeschränkt gelten. Im Allgemeinen wird das Interesse der Arbeitnehmer durch eine mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes besser geschützt, als durch das gänzliche Unterlassen derselben bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat über die richtige Ausgestaltung der Maßnahme erzielt ist. Das Initiativrecht des Betriebsrats reicht in einem solchen Fall aus, um die Belegschaftsinteressen an der Ausgestaltung der Maßnahme des Arbeits- oder Gesundheitsschutzes im gebotenen Umfang wirksam zu Geltung zu bringen. – Das gilt auch für Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements, da man das Eingliederungsmanagement als Maßnahme des Gesundheitsschutzes im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG begreifen kann3.
Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgeber diese Maßnahmen zukünftig unterlässt, denn die Durchführung dieser Maßnahmen unterliegt nicht der Beteiligung des Betriebsrats.
Nach § 84 Absatz 2 SGB IX ist es Aufgabe des Arbeitgebers, den Arbeitnehmern, deren Ausfallzeiten die Schwellenwerte überschritten haben, das betriebliche Eingliederungsmanagement anzubieten und dieses auch durchzuführen. Dem Betriebsrat kommt insoweit nur eine Überwachungspflicht zu (§ 84 Absatz 2 Satz 7 SGB IX). Bei Untätigkeit des Arbeitgebers kann er zusätzlich die Durchführung von Maßnahmen (und nicht deren Verhinderung) beantragen (§ 84 Absatz 2 Satz 6 SGB IX).
Damit steht fest, dass der Arbeitgeber weder durch die Einladung zu dem Erstgespräch mit den Beschäftigten noch durch die weitere Durchführung des Eingliederungsmanagements Rechte des Betriebsrats aus § 84 Absatz 2 SGB IX übergangen hat bzw. übergehen würde. Durch das bloße Erfüllen der gesetzlichen Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IX durch den Arbeitgeber (Angebot und Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements) werden auch keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt.
Insoweit kann im vorliegenden Verfügungsverfahren dahinstehen, ob die bloße Erfüllung der gesetzlichen Pflicht aus § 84 Absatz 2 SGB IX wegen des Einleitungssatzes aus § 87 Absatz 1 BetrVG („…soweit eine gesetzliche … Regelung nicht besteht …“) ohnehin nicht der Beteiligung unterliegt. Ebenfalls kann dahinstehen, ob § 84 Absatz 2 SGB IX wegen seiner differenzierten und abgestuften Beteiligung des Betriebsrats in seinem Anwendungsbereich eine Regelung geschaffen hat, die als lex specialis der allgemeinen Regelung in § 87 BetrVG ohnehin vorgeht. Denn selbst wenn man vorliegend den Anwendungsbereich der Beteiligungsrechte aus der Aufzählung in § 87 Absatz 1 BetrVG für eröffnet hält, unterliegt die bloße Erfüllung der Maßnahmen, die § 84 Absatz 2 SGB IX dem Arbeitgeber vorschreibt, nicht der Beteiligung des Betriebsrats.
Nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Es geht hier einerseits um die Regelung des Umgangs der Beschäftigten untereinander im Betrieb, also beispielsweise um Fragen des Rauchverbots, Fragen der Parkplatzordnung, Fragen der Kantinenordnung und ähnliche Dinge. Andererseits erfasst der Gesetzesbegriff „Verhalten im Betrieb“ aber auch die Aufstellung allgemeiner Regeln, die der Arbeitgeber in seinem Interesse zur Verhaltenssteuerung seiner Beschäftigten erlässt, beispielsweise Regeln über Betriebsbußen, Regeln über Torkontrollen und Ähnliches. Im Kern geht es dabei um verbindliche Anordnungen seitens des Arbeitgebers. Würde man maßgeblich auf die Verbindlichkeit der Maßnahme abstellen, fehlt es hier schon an einer dazu passenden Anordnung des Arbeitgebers, denn er hat die beiden Arbeitnehmerinnen lediglich zu einem Gespräch eingeladen und dabei auf die Freiwilligkeit der Teilnahme hingewiesen.
Es ist allerdings anerkannt, dass eine Regelung des Verhaltens oder der Ordnung auch dann vorliegen kann, wenn der Arbeitgeber außerhalb von Weisungen durch sonstige Maßnahmen steuernd auf das Verhalten seiner Beschäftigten einwirkt4. Im hier interessierenden Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht eine solche mitbestimmungspflichtige non-direktive Verhaltenssteuerung angenommen, wenn der Arbeitgeber ein System von Krankenrückkehrgesprächen etabliert, indem er losgelöst vom Einzelfall Regeln aufstellt, über den Kreis der Arbeitnehmer, die zu solchen Krankenrückkehrgesprächen eingeladen werden, und sogar Themen dieser Gespräche vorgibt5.
Eine Übertragung dieser Rechtsprechung, die im Übrigen aus einer Zeit lange vor der Einführung von § 84 Absatz 2 SGB IX im Jahre 2004 stammt, auf den vorliegenden Fall, scheidet aus.
Denn in beiden Fällen hat das Bundesarbeitsgericht das Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus der Etablierung eines allgemeingültigen innerbetrieblichen Systems durch den Arbeitgeber abgeleitet. Erst durch die Feststellung des Willens des Arbeitgebers, ein solches System zu etablieren, war es dem Gericht möglich anzunehmen, der Arbeitgeber betreibe mit der Etablierung des Systems eine beteiligungspflichtige Verhaltenssteuerung seiner Beschäftigten mit non-direktiven Mitteln.
Vergleichbares kann vorliegend nicht festgestellt werden.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IX mehr unternommen hätte, als die beiden benannten Arbeitnehmerinnen im Jahre 2015 anzusprechen und ihnen das Eingliederungsmanagement anzubieten. Angesichts des Umstandes, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts mindestens weitere 10 Prozent der Belegschaft Ausfallzeiten aufzuweisen hatten, die oberhalb der Schwellenwerte aus § 84 Absatz 2 SGB IX lagen, kann das Gericht – da weitere Aktivitäten des Arbeitgebers nicht erkennbar sind – hier keine Etablierung eines Systems rund um das Eingliederungsmanagement erblicken. Eher liegt die gegenteilige Vermutung nahe, dass der Arbeitgeber 2015 tastend und ohne Plan versucht hat, Routine in der Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IV durch praktische Versuche zu gewinnen, und diese Versuche dann angesichts der heftigen Reaktion des Betriebsrats gänzlich hat einschlafen lassen.
Die vom Betriebsrat für die Etablierung eines allgemeinen Systems von Regeln rund um das Eingliederungsmanagement angeführten Indizien ergeben kein anderes Bild.
Dass der Arbeitgeber für das Erstanschreiben der beiden Arbeitnehmerinnen einen Text verwendet hat, der aus dem Textfundus aus den gescheiterten Verhandlungen mit dem Konzernbetriebsrat über das bEM stammt, ist kein Indiz dafür, dass der Arbeitgeber fortan sich streng entsprechend dem Entwurf der Betriebsvereinbarung aus jenen Verhandlungen verhalten will. Denn der Arbeitgeber hat außerhalb der Angebote an die zwei Arbeitnehmerinnen erkennbar nichts weiter unternommen, obwohl er nach dem in der Akte befindlichen Vorschlag für eine Betriebsvereinbarung zum bEM, der aus diesem Textfundus stammt, allen Anlass gehabt hätte, schleunigst auch alle andern Beschäftigten mit Anspruch auf ein entsprechendes Angebot anzusprechen.
Vergleichbares gilt auch für die Bildung eines bEM-Teams auf Seiten des Arbeitgebers und die Schulung desselben in Fragen des bEM. Da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass das bEM-Team des Arbeitgebers bisher Aufgaben des Arbeitgebers im Rahmen des bEM wahrgenommen hat, lassen sich aus der Bildung und Schulung des Teams keine Rückschlüsse auf ein vom Arbeitgeber etabliertes System rund um das Eingliederungsmanagement ziehen.
Die Sorge des Betriebsrats, der Arbeitgeber könnte das Instrument des Eingliederungsmanagements missbrauchen, um auf diese Weise Umstände in Erfahrung zu bringen, die ihm helfen würden, die Erfolgsaussichten einer krankheitsbedingten Kündigung besser abschätzen zu können, würde selbst dann, wenn sie berechtigt wäre, nicht dazu führen, dass dem Betriebsrat ein Beteiligungsrecht zugesprochen werden könnte. Ohne den Nachweis, dass der Arbeitgeber ein System von Regeln etablieren will, mit dem er wie mit einer direktiven Maßnahme das Verhalten der Beschäftigten steuern will, ist eine Beteiligung nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG nicht denkbar.
Der vom Betriebsrat vorgelegte Audit-Bericht zum Betrieb der Arbeitgeberin, in dem von einem etablierten bEM die Rede ist, ist unergiebig, denn es ist nicht vorgetragen, auf welcher Tatsachenbasis der Bericht erstellt wurde. Im Übrigen hat die Erörterung dieses Berichts im Rahmen der Anhörung ergeben, dass er auch den Geschäftsbereich von Schwester- bzw. Tochterunternehmen umfasst, die auf dem Betriebsgelände Serviceleistungen erbringen, und in denen teilweise bereits ein bEM etabliert ist.
Der Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht darauf stützen, dass der Arbeitgeber hier das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG missachtet hat.
Nach § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei Regelungen über die Verhütungen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften mitzubestimmen. § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG gewährt dem Betriebsrat allerdings nur dort eine Mitregelungsbefugnis, wo die Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes dem Arbeitgeber bei ihrer Umsetzung einen Regelungsspielraum belassen.
Verletzt wird das Beteiligungsrecht nur dann, wenn der Arbeitgeber diesen Regelungsspielraum ausgefüllt hat oder ausfüllen möchte und dabei das Beteiligungsrecht nicht beachtet. Das kann hier nicht festgestellt werden. Insofern fehlt es vorliegend – wie bei dem Beteiligungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG – an einem Vorgehen des Arbeitgebers, das über den Einzelfall hinausweist. Darauf hat bereits das Arbeitsgericht maßgeblich abgestellt, ohne dass im Beschwerderechtszug dazu weitere tatsächliche Umstände seitens des Betriebsrats vorgetragen wurden.
Selbst wenn man hilfsweise mit dem Betriebsrat davon ausgehen würde, dass allein die bloße Erfüllung der gesetzlichen Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IX ohne vorherige Abstimmung mit dem Betriebsrat wegen der damit notwendigen rein faktischen Festlegung von Einzelheiten der Ansprache und Durchführung des Eingliederungsmanagements, die gesetzlich nicht vorgegeben sind, bereits das Beteiligungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG verletze, könnte das dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats nicht zum Erfolg verhelfen, denn die Besonderheiten der Beteiligung des Betriebsrats bei Fragen des Gesundheitsschutzes verbieten es, aus der Verletzung des Beteiligungsrechts ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Unterlassungsanspruch abzuleiten.
Das Bundesarbeitsgericht hat dem Betriebsrat den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Unterlassungsanspruch im Bereich der Verletzung der Beteiligungsrechte aus § 87 BetrVG zuerkannt, um sicherzustellen, dass der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im betrieblichen Alltag auch tatsächlich ausreichend beachtet. Der Schutzgedanke zielt aber nicht auf den Betriebsrat, sondern auf die Belegschaftsinteressen, die der Betriebsrat zu vertreten hat. Dieser Schutzgedanken erzwingt im Bereich des ausfüllungsbedürftigen Gesundheitsschutzes jedoch nicht in jedem Einzelfalle, aus der mitbestimmungswidrig durchgeführten Einzelmaßnahme des Gesundheitsschutzes auf einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu schließen.
Denn eine vom Arbeitgeber durchgeführte dem Schutzgesetz genügende Maßnahme des Gesundheitsschutzes dient dem Interesse der Belegschaft am Gesundheitsschutz in aller Regel immer noch besser als das gänzliche Unterlassen dieser Maßnahme. Diesen Gedanken hat das Gericht im Rahmen der Anhörung und bereits vorbereitend dazu am Beispiel der Bildschirmpausen nach § 5 Bildschirmarbeitsverordnung (nunmehr Punkt 6.1.2 des Anhangs zur Arbeitsstättenverordnung6) zu verdeutlichen versucht. Wenn der Arbeitgeber im gesetzlich notwendigen Umfang für Bildschirmarbeitnehmer Bildschirmpausen anordnet ohne den Betriebsrat zu beteiligen, wäre es widersinnig, dem Arbeitgeber diese Pausenanordnung nur wegen der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats zu untersagen. Ausreichend ist es für die Durchsetzung der Belegschaftsinteressen vielmehr, wenn der Betriebsrat im Rahmen seines Initiativrechts eine Regelung zu den Bildschirmpausen anschiebt, die in angemessener Weise die Interessen der Bildschirmarbeitnehmer an der Pausengestaltung berücksichtigt und die dann die mitbestimmungswidrige Arbeitgeberanordnung ablösen kann.
Dieser Gedanke gilt gleichermaßen für die Durchführung des bEM nach § 84 Absatz 2 SGB IX. Soweit man das Eingliederungsmanagement auch als Maßnahme des Gesundheitsschutzes im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG begreifen kann7 wird das Interesse der geschützten Arbeitnehmer besser durch ein mitbestimmungswidrig durchgeführtes Eingliederungsmanagement gedient als durch das gänzliche Unterlassen desselben bis ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat erzielt ist. Auch hier reicht das Initiativrecht des Betriebsrats vollständig aus, um die Belegschaftsinteressen an der Ausgestaltung des bEM im gebotenen Umfang wirksam zu Geltung zu bringen.
Soweit das Eingliederungsmanagement neben der Gesundheitsprävention auch der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen dient8, mag die Gefahr des Missbrauchs dieses Instruments zum Zwecke der Vorbereitung der Trennung vom Arbeitnehmer besonders groß sein, was dafür sprechen mag, dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch zuzusprechen. Soweit es um diese weiteren Zwecke des Eingliederungsmanagements geht, fehlt es allerdings an einem Anknüpfungspunkt aus dem Katalog der Beteiligungsrechte aus § 87 BetrVG, so dass damit der Unterlassungsanspruch nicht begründet werden kann.
Durch die anlassgebenden Maßnahmen des Arbeitgebers ist auch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG übergangen worden. § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG begründet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Einführung und Anwendung von technischen Überwachungseinrichtungen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieses Beteiligungsrecht vorliegend eingreifen sollte.
Selbst wenn man zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt, dass die vielen sehr privaten Daten, die im Rahmen eines bEM von den betroffenen Arbeitnehmern offenbart werden, beim Arbeitgeber zu Dokumentationszwecken in Dateien gespeichert werden, gibt es vorliegend keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber im Rahmen des bEM gewonnene persönliche oder private Daten der beiden betroffenen Arbeitnehmerinnen dauerhaft gespeichert hat.
Im Übrigen ist der Unterlassungsantrag auf die Einleitung und Durchführung des Eingliederungsmanagements gerichtet und nicht auf das Unterlassen der Speicherung und sonstigen Nutzung der gewonnen Daten ohne Beteiligung des Betriebsrats.
Darüber hinaus verneint ds Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes:
Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn ohne die begehrte einstweilige Verfügung die Verwirklichung des Rechts, das Gegenstand des Verfügungsanspruches ist, bis zur Verkündung oder bis zur Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 935 ZPO). Soweit durch die einstweilige Verfügung – wie vorliegend – die Hauptsache vorweggenommen wird, ist eine umfassende Interessenabwägung samt Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache erforderlich. Vorliegend ergibt sich aus den Darlegungen des Betriebsrates nicht, dass etwaige Mitbestimmungsrechte bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Hauptsacheverfahrens9 vereitelt werden könnten. Der Arbeitgeber hat im Jahr 2015 lediglich mit zwei Mitarbeiterinnen Mitarbeitergespräche geführt im Hinblick auf deren Ausfallzeiten. Dass weitere Mitarbeitergespräche bis zur Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht im Oktober 2016 durchgeführt wurden oder demnächst durchgeführt werden sollen, ist nicht belegt.
Ergänzend stellt das Landesarbeitsgericht darauf ab, dass die Arbeitnehmerinteressen, zu deren Schutz dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte aus § 87 BetrVG eingeräumt sind, es nicht zwingend erfordern, der Angelegenheit durch eine Unterlassungsverfügung Fortgang zu geben. Denn der Betriebsrat hat parallel zu dem Unterlassungsantrag von seinem Initiativrecht Gebrauch gemacht und betreibt die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung zur Ausgestaltung des Eingliederungsmanagements.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg ‑Vorpommern, Beschluss vom 18. Oktober 2016 – 2 TaBVerwaltungsgerichta 1/16
- BAG 24.03.1981 – 1 ABR 32/78 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit, NJW 1982, 404 – Sicherheitswettbewerb[↩]
- BAG 8.11.1994 – 1 ABR 22/94 – AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, DB 1995, 1132, NZA 1995, 857; vgl. auch BAG 21.01.1997 – 1 ABR 53/96 – AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, NZA 1997, 785, RDV 1997, 208: Einführung eines betrieblichen Formulars zum Ausfüllen durch den behandelnden Arzt[↩]
- BAG 13.03.2012 – 1 ABR 78/10 – AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972, NJW 2012, 2830[↩]
- BAG 24.03.1981 – 1 ABR 32/78 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit, NJW 1982, 404 – Sicherheitswettbewerb[↩]
- BAG 8.11.1994—1 ABR 22/94—AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, DB 1995, 1132, NZA 1995, 857; vgl. auch BAG 21.01.1997 – 1 ABR 53/96 – AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, NZA 1997, 785, RDV 1997, 208: Einführung eines betrieblichen Formulars zur Ausfüllung durch den behandelnden Arzt[↩]
- Stand vom 30.11.2016, BGBl. I, S. 2179[↩]
- ausführlich zu den weiteren Zwecken des bEM BAG 13.03.2012 – 1 ABR 78/10 – AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972, NJW 2012, 2830[↩]
- BAG 13.03.2012 aaO[↩]
- ArbG Stralsund 3 BV 5/16, nunmehr LAG Mecklenburg-Vorpommern 2 TaBV 11/16[↩]