Eventualverhältnis mehrerer Klagegründe

Stützt ein Kläger sein einheitliches Klagebegehren auf mehrere prozessuale Ansprüche, muss eine Rangfolge der zu prüfenden Streitgegenstände angegeben werden, andernfalls fehlt es an der notwendigen streitgegenständlichen Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Eventualverhältnis mehrerer Klagegründe

Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, ist grundsätzlich unzulässig. Sie verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Für den Beklagten bleibt in diesem Fall bis zu einem Urteil unklar, ob das Gericht die Verurteilung nur auf einen oder auf mehrere Streitgegenstände stützen wird. Das ist aber für die Reichweite der Verurteilung und damit die Rechtskraft von Bedeutung.

Die alternative Klagehäufung widerspricht zudem dem allgemeinen Rechtsgedanken der „Waffengleichheit“ der Parteien im Prozess. Sie benachteiligt den Beklagten in seiner Rechtsverteidigung. Bestimmt der Kläger die Rangfolge nicht, in der das Gericht die Prüfung der einzelnen Streitgegenstände vorzunehmen hat, erschließt sich dem Beklagten auch nicht ohne Weiteres, gegen welchen aus einer Vielzahl von Streitgegenständen er seine Rechtsverteidigung in erster Linie richten muss1.

Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage2. Der Kläger muss daher zur Vermeidung einer Klageabweisung als unzulässig eine solche Rangfolge bilden. Das kann auch konkludent und auch noch im Verlauf des Verfahrens geschehen. Fehlt eine Rangfolgebestimmung, hat das Gericht auf die mangelnde Bestimmtheit der Klage hinzuweisen und auf eine zulässige Antragstellung hinzuwirken, § 139 ZPO3.

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So auch in dem hier vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Rechtsstreit: Der Kläger leitet sein Feststellungsbegehren – unter Berücksichtigung des maßgeblichen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs4 – aus mehreren prozessualen Ansprüchen, nämlich einerseits aus der Erfüllung Voraussetzungen des tarifvertraglichen Anspruchs und andererseits aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz her. Damit liegen verschiedene Streitgegenstände vor5. Der Kläger muss dafür unterschiedliche Lebenssachverhalte vortragen, welche wiederum an unterschiedlichen Prüfprogrammen gemessen werden. Der Kläger hat dabei auch nicht unter Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dem Gericht die Auswahl überlassen, auf welche der beiden Klagegründe die Verurteilung gestützt werden soll. Vielmehr hat er diese konkludent in ein Eventualverhältnis gesetzt. Durch die Formulierungen in der Klageschrift bzw. in der Berufungsbegründung wie „im Übrigen“ bzw. „darüber hinaus ergebe sich der Anspruch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung“ ist erkennbar, dass das Gericht vorrangig den tarifvertraglichen Anspruch und nur im Falle einer Klageabweisung den Anspruch, gestützt auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, prüfen soll. Das Eventualverhältnis wird daraus ausreichend erkennbar.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 17 Sa 7/20

  1. vgl. BAG 2.08.2018 – 6 AZR 437/17, Rn. 18 mwN, BAGE 163, 205[]
  2. vgl. BAG 23.03.2016 – 5 AZR 758/13, Rn. 21, BAGE 154, 337; 14.12.2011 – 4 AZR 242/10, Rn.19, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 106[]
  3. BAG 18.02.2020 – 3 AZR 492/18, Rn. 21, AP BetrAVG § 16 Nr. 129; 2.08.2018 – 6 AZR 437/17, Rn. 17 f., BAGE 163, 205[]
  4. vgl. dazu etwa: BAG 2.08.2018 – 6 AZR 437/17, Rn.20, aaO[]
  5. vgl. BAG 18.02.2020 – 3 AZR 492/18, Rn. 24, aaO[]
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