Der Antrag auf Feststellung der richtigen Auslegung und Anwendung einer tariflichen Norm, welche dem antragstellenden Betriebsrat zumindest bei der Verteilung des tariflich Festgelegten ein Beteiligungsrecht gibt, ist zulässig. Gibt ein Tarifvertrag dem Betriebsrat einen Informationsanspruch über das vom Arbeitgeber nach tariflichen Vorgaben zu errechnende Volumen und sieht der Tarifvertrag ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats für die Verteilung des Volumens vor, lässt sich daraus ein Recht des Betriebsrates zur Richtigkeitskontrolle herleiten.

Der Antrag auf Feststellung der richtigen Auslegung und Anwendung einer tariflichen Norm, welche dem antragstellenden Betriebsrat zumindest bei der Verteilung des tariflich Festgelegten ein Beteiligungsrecht gibt, ist zulässig. Der Betriebsrat hat mit dem Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart gewählt (§ 2a Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG). Der Betriebsrat begehrt die Klärung einer Streitigkeit zwischen den Betriebsparteien zu einer tariflichen Norm, welche die Höhe eines an die Beschäftigten zu verteilenden Fonds abschließend vorgibt und deren Ergebnis für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung bedeutsam sein kann.
Als für das Unternehmen der Arbeitgeberin gewählter Betriebsrat steht dem Betriebsrat die Antragsbefugnis zu. Diese ist gegeben, wenn der Betriebsrat durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden kann. Das ist der Fall, wenn der Betriebsrat eigene Rechte geltend macht1. So ist es vorliegend. Denn der Betriebsrat meint, die Arbeitgebrin habe bei der Berechnung des Auszahlungsbetrages, für dessen Verteilung ihm der Tarifvertrag ein Recht zur Mitbestimmung gibt, die tariflichen Bestimmungen unrichtig angewandt. Der tariflich festgelegte Betrag ist Grundlage und Ausgangspunkt für die zu vereinbarenden Verteilungsgrundsätze. Über die Zuführung und den erreichten Stand hat der Arbeitsgeber den Betriebsrat gemäß § 4d TV ERTV‑A zu informieren.
Der Betriebsrat hat auch ein rechtliches Interesse nach § 256 Abs. 1 ZPO.
Das besondere Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann2. Es liegt nicht vor, wenn nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses, abstrakte Rechtsfragen oder rechtliche Vorfragen zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Durch eine Entscheidung hierüber wird kein Rechtsfrieden geschaffen. In einem solchen Fall dient die Feststellungsklage lediglich dazu, durch das Gericht abstrakte Rechtsfragen klären zu lassen.
Danach hat der Betriebsrat vorliegend ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob die Arbeitgeberin den zur Grundlage der Verhandlungen einer Betriebsvereinbarung gemachten Auszahlungsbetrag nach den tariflichen Bestimmungen richtig errechnet hat. Die Höhe der Verteilmenge kann Auswirkungen auf die Auszahlungsmodalitäten haben. Durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag wird der Streit der Beteiligten insgesamt beseitigt und kann das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden. Beide Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten nicht mehr im Streit zu sein; der Abschluss einer Betriebsvereinbarung hinge nur noch von der im Streit stehenden Rechtsfrage ab.
Der Betriebsrat kann nicht auf individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer verwiesen werden. Die Arbeitnehmer sind nicht befugt, konkrete Entgeltbeträge aus dem Fonds einzuklagen, solange es keine Betriebsvereinbarung gibt. Der Aushang zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponente vom 13.01.2012 stellt keine nach § 4e) TV ERTV‑A zur Begründung individualrechtlicher Ansprüche erforderliche Betriebsvereinbarung dar. Auch wenn er von beiden Betriebsparteien unterschrieben worden ist, informiert er lediglich über eine Einigung. Die Ausgestaltung der Einigung ist jedoch nicht in der für eine Betriebsvereinbarung notwendigen Form niedergelegt worden. Hierzu gibt es nur eine mündliche Absprache.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 29. April 2013 – 8 TaBV 126/12
- BAG v. 20.04.1999 – 1 ABR 13/98 – AP Nr. 43 zu § 81 ArbGG 1979 = BAGE 91, 235; v. 18.08.1987 – 1 ABR 65/86 – AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG 1979[↩]
- st. Rspr., vgl. BAG vom 14.12.2005 – 4 AZR 522/04, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7; vom 29.11.2001 – 4 AZR 757/00, BAGE 100, 43; vom 19.02.2002 – 3 AZR 589/99; vom 05.06.2003 – 6 AZR 277/02, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2[↩]