Nach § 13 Abs. 6 Alt. 2 des „Rahmenvertrages für Piloten“ (RV) endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn der Pilot wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Fluguntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung frühestens nach den Fristen des § 13 Abs. 1 RV möglich ist. Erforderlich sind danach – neben der körperlichen Untauglichkeit – die Feststellung der Fluguntauglichkeit und ihre Bekanntgabe an den Piloten.

Die Feststellung hat durch ein flugmedizinisches Zentrum oder einen flugmedizinischen Sachverständigen zu erfolgen. Dies ist zwar in § 13 Abs. 6 Alt. 2 RV nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber im Wege der Auslegung der Klausel.
Bei § 13 RV handelt es sich nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um von der Fluggesellschaft vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist1. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen anhand dieser Grundsätze kann durch das Revisionsgericht selbst erfolgen2.
Bereits aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 6 Alt. 2 RV ergibt sich, dass Voraussetzung der auflösenden Bedingung nicht allein das objektive Vorliegen der Fluguntauglichkeit sein soll, sondern dass die Fluguntauglichkeit festgestellt und bekanntgegeben werden muss. Mangels abweichender Regelung in der Klausel obliegt dies einem flugmedizinischen Zentrum oder einem flugmedizinischen Sachverständigen. Typische Vertragspartner der von der beklagten Fluggesellschaft formulierten Rahmenverträge sind Piloten. Über die Flugtauglichkeit von Piloten entscheidet üblicherweise weder der Pilot selbst noch die Fluggesellschaft, sondern ein flugmedizinisches Zentrum oder ein flugmedizinischer Sachverständiger. Dies ergibt sich aus den entsprechenden luftverkehrsrechtlichen Vorschriften.
So regelte § 24b der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) in der im Zeitpunkt des Abschlusses des RV geltenden Fassung unter der Überschrift „Tauglichkeitsuntersuchungen“, dass Erstuntersuchungen für die Erteilung eines für Verkehrspiloten erforderlichen Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 vom Luftfahrt-Bundesamt oder von den vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannten flugmedizinischen Zentren nach § 24e Abs. 4 LuftVZO durchgeführt wurden. Nachuntersuchungen wurden vom Luftfahrt-Bundesamt, den vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannten flugmedizinischen Zentren nach § 24e Abs. 4 LuftVZO oder von flugmedizinischen Sachverständigen nach § 24e Abs. 3 LuftVZO durchgeführt. Entsprechendes gilt heute nach Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 03.11.2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates. Dort ist in MED.A.040 geregelt, dass Tauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 bei der Erstausstellung von einem flugmedizinischen Zentrum iSd. Verordnung ausgestellt werden. Bei einer Verlängerung oder Erneuerung kann das Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 alternativ auch durch einen flugmedizinischen Sachverständigen iSd. Verordnung erteilt werden. Die Anforderungen an die Anerkennung als flugmedizinische Sachverständige sind in Abschnitt D des Anhangs IV geregelt. Für die am Abschluss von Rahmenverträgen der streitgegenständlichen Art beteiligten Verkehrskreise3 kann die Regelung in § 13 Abs. 6 Alt. 2 RV daher nur so verstanden werden, dass die auf einem körperlichen Mangel beruhende Fluguntauglichkeit von einem flugmedizinischen Zentrum oder einem flugmedizinischen Sachverständigen festgestellt und bekanntgegeben werden muss.
Für dieses Verständnis sprechen auch die einschlägigen Regelungen in Tarifverträgen anderer Fluggesellschaften, wie etwa § 20 Abs. 1 des ab dem 1.01.2001 geltenden Manteltarifvertrags Nr. 5a für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG.
Eine vergleichbare Regelung enthält § 20 Abs. 1 des Manteltarifvertrags Nr. 6 für das Bordpersonal der Condor Flugdienst GmbH vom 20.10.20004. Auch § 48 des Manteltarifvertrags Nr. 3 Cockpitpersonal LTU sah eine verbindliche Feststellung der dauernden Fluguntauglichkeit durch eine bzw. mehrere fliegerärztliche Untersuchungsstellen vor5.
Vor diesem Hintergrund musste ein Pilot, der den RV mit der Fluggesellschaft unterzeichnete, davon ausgehen, dass auch die Fluggesellschaft die Feststellung der Fluguntauglichkeit durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle zur Voraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses machen wollte. Bei diesem Verständnis der Klausel wird auch dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit6 Genüge getan und ein Streit zwischen den Vertragspartnern darüber, ob Fluguntauglichkeit iSd. § 13 Abs. 6 RV vorliegt, weitgehend vermieden.
Danach lagen im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Voraussetzungen für den Eintritt der auflösenden Bedingung nicht vor. Nach der vertraglichen Definition ist Untauglichkeit iSd. § 13 Abs. 6 RV das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit auszuüben. Ein derartiges Unvermögen des Piloten ist nicht durch ein flugmedizinisches Zentrum oder einen flugmedizinischen Sachverständigen festgestellt worden. Die Fluggesellschaft hat ihre Auffassung, der Pilot sei dauerhaft fluguntauglich, allein auf die eigenen Angaben des Piloten in dem Schreiben vom 15.10.2015 gestützt, nicht jedoch auf die Feststellungen eines flugmedizinischen Zentrums oder Sachverständigen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. November 2018 – 7 AZR 394/17
- vgl. BAG 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, Rn. 22; 8.12 2010 – 7 AZR 438/09, Rn. 21, BAGE 136, 270; 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, Rn. 23 f. mwN, BAGE 126, 198[↩]
- BAG 20.09.2016 – 3 AZR 302/15, Rn.19[↩]
- Fluggesellschaft/Piloten[↩]
- vgl. BAG 16.10.2008 – 7 AZR 185/07, Rn. 4[↩]
- vgl. BAG 21.10.2009 – 5 AZR 931/08, Rn. 2[↩]
- vgl. hierzu APS/Backhaus 5. Aufl. TzBfG § 21 Rn. 7; KR/Lipke 11. Aufl. § 21 TzBfG Rn. 29[↩]