Französische Leiharbeitnehmerin, deutsche Arbeitgeberin – und die Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestimmt sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (im Folgenden Brüssel-Ia-VO), die nach ihrem Art. 66 Abs. 1 für die seit dem 10.01.2015 eingeleiteten Verfahren gilt1.

Französische Leiharbeitnehmerin, deutsche Arbeitgeberin – und die Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte

Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel-Ia-VO. Der für die Anwendung der Brüssel-Ia-VO erforderliche Auslandsbezug2 ergibt sich daraus, dass die Leiharbeitnehmerin ihren Wohnsitz in Frankreich hat3.

Es bedurfte im vorliegenden Streitfall jedocher keiner Entscheidung, ob der Anwendungsbereich von Art.20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-Ia-VO eröffnet ist, wenn sich Leiharbeitnehmer eines nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF begründeten Arbeitsverhältnisses berühmen und daraus resultierende Ansprüche geltend machen. Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob auf Art.20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-Ia-VO abzustellen ist, weil das Unionsrecht in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung von einem „doppelten Arbeitsverhältnis“ zwischen einerseits dem Leiharbeitsunternehmen und dem Leiharbeitnehmer und andererseits dem Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen ausgeht4. Zwar schließt Art.20 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO einen Rückgriff auf die allgemeine Norm des Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO aus5.

Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit konnte vorliegend jedoch im Rahmen der Wahlfeststellung vorgenommen werden6, denn die Arbeitgeberin könnte, wenn der Anwendungsbereich von Art.20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-Ia-VO nicht eröffnet wäre, nach Art. 4 Abs. 1 iVm. Art. 63 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-Ia-VO in Deutschland verklagt werden, weil sie ihren Sitz in Karlsruhe hat.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2022 – 9 AZR 228/21

  1. zum Vorrang der Brüssel-Ia-VO gegenüber den Regelungen der §§ 12 ff. ZPO vgl. BAG 25.06.2013 – 3 AZR 138/11, Rn. 13 zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO).[]
  2. vgl. EuGH 17.11.2011 – C-327/10 – [Hypote?ní banka] Rn. 29; BAG 13.12.2012 – 6 AZR 752/11, Rn. 21 jeweils zur EuGVVO[]
  3. BAG 7.05.2020 – 2 AZR 692/19, Rn. 16 f.[]
  4. vgl. EuGH 11.04.2013 – C-290/12 – [Della Rocca] Rn. 37, 40[]
  5. vgl. EuArbRK/Krebber 4. Aufl. VO (EU) 1215/2012 Art.20 Rn. 1[]
  6. vgl. zur Rechtswegzuständigkeit BAG 21.12.2010 – 10 AZB 14/10, Rn. 7; 30.08.2000 – 5 AZB 12/00, zu II 2 b der Gründe[]