Für die Formwirksamkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments ist lediglich noch zwingend, dass es im PDF-Format eingereicht wird. Dann ist entscheidend, ob das elektronische Dokument konkret zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist, auch wenn die vorgesehenen Standards nicht eingehalten sind. Es ist formunwirksam, wenn es nach dem konkreten Stand der elektronischen Aktenbearbeitung nicht bearbeitet werden kann, ohne ausgedruckt zu werden.

Solange bei einem Gericht die elektronische Akte noch nicht iSd. § 298a Abs. 1 ZPO elektronisch geführt wird, also alle elektronischen Dokumente nach ihrem Eingang weiter ausgedruckt werden, sind diese Dokumente aufgrund der Ausdrucke für die Bearbeitung durch die Gerichte grundsätzlich geeignet. § 298 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass von einem elektronischen Dokument – mit einer Ausnahme für Anlagen nach Satz 2 – ein Ausdruck für die Papierakte zu fertigen ist. In diesem Ausnahmefall sind allein die nicht ausgedruckten Dateien dauerhaft zu speichern und deren Ort aktenkundig zu machen1.
Das ausgedruckte Dokument hat aufgrund § 416a ZPO den Charakter einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift. Das eingereichte elektronische Dokument kann hingegen aufgrund § 298 Abs. 4 ZPO nach Ablauf von sechs Monaten gelöscht werden. Um die gerichtlichen Arbeitsabläufe zu vereinfachen, wird in Abs. 4 die Aufbewahrungsfrist für ein elektronisches Dokument, das in einen Aktenausdruck übertragen wurde, auf sechs Monate nach der Übertragung beschränkt. So wird eine automatisierte Löschung des elektronischen Dokuments ermöglicht2.
Daraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber den elektronischen Dokumenten eine geringere Bedeutung beigemessen hat, wenn die Akten (noch) in Papierform geführt werden. Soweit die Dokumente ausgedruckt werden können, sind sie grundsätzlich zur Bearbeitung im Sinne des Gesetzes geeignet.
In Hessen werden in der Arbeitsgerichtsbarkeit elektronische Akten noch nicht iSd. § 298a Abs. 1 ZPO geführt. Es gibt – anders als in anderen Bundesländern – keine Bestimmung in einer Landesverordnung oder entsprechenden Regelung, die die führende elektronische Akte für die hessischen Arbeitsgerichte einführt und damit von der Möglichkeit des § 298a Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. Nach § 31 Nr. 1 Hessische Justizdelegationsverordnung vom 21.12.2015 wurde dem Minister/der Ministerin zwar die Ermächtigung übertragen, die Rechtsverordnung nach § 298a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu erlassen3. Der entsprechenden, hierauf beruhenden Justiz-Informationstechnik-VO vom 29.11.20174 ist auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 JustITVO eine Anlage angefügt, in der die hessischen Arbeitsgerichte oder das Landesarbeitsgericht indes nicht genannt sind.
Ein abweichendes Verständnis könnte bei nicht führenden elektronischen Akten gegen den Justizgewährleistungsanspruch verstoßen.
Es gibt zwar keinen Anspruch auf eine weitere Instanz; den Umfang des Rechtsmittelzugs darf der Gesetzgeber bestimmen. Sieht die Prozessordnung jedoch ein Rechtsmittel vor, so gebietet die Garantie effektiven Rechtsschutzes5, den Zugang hierzu nicht unzumutbar zu erschweren6.
Bei der führenden Papierakte bestehen Anhaltspunkte, dass der Ausschluss druckbarer elektronischer Dokumente nicht mehr aus Sachgründen zu rechtfertigen ist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar einschränkt. Zwar erleichtert das kopier- und durchsuchbare elektronische Dokument die digitale Arbeit in der elektronischen Akte. Aber die gerichtliche Arbeit der Aktenführung ist durch nicht für elektronische Bearbeitung geeignete elektronische Dokumente im Kern nicht beeinträchtigt. Gleiches gilt für das mit elektonischen Anforderungen verbundene Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr zu fördern, eine rechtssichere und schnelle Kommunikation mit den Gerichten und, zumindest langfristig – die Porto- und Druckkosten zu reduzieren7. Wenn zudem in anderem Zusammenhang eine E-Mail mit eingescannter Unterschrift und auch ein nicht den Anforderungen des § 130a Abs. 1 ZPO aF entsprechender Schriftsatz mit seinem Ausdruck die von der Verfahrensordnung geforderte Schriftform einhält8, muss dies möglicherweise erst recht gelten, wenn der grundsätzlich wirksam aus dem beA gesandte Schriftsatz „nur“ nicht kopier- oder durchsuchbar, aber offenkundig druckbar ist. Jedenfalls im Zeitpunkt des Ausdruckens handelte es sich nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um einen ausreichenden Schriftsatz iSd. § 130 ZPO.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Unterschrift beim herkömmlichen Fax stützt diese Annahme9. Dort erkennt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich Ausnahmen zugunsten des technischen Fortschritts an. Er kann es rechtfertigen, niedrigere Formanforderungen als herkömmlich zu stellen. Gerade diese Erwägungen machen deutlich, dass in Zeiten technischen Umbruchs, formale Anforderungen nicht übermäßig gestellt werden und nicht zu einer reinen Förmelei verkommen dürfen. Das wäre aber der Fall, wenn das Gericht einen elektronischen Schriftsatz im herkömmlichen Sinne und im Sinne des § 130a Abs. 1 ZPO aF bearbeiten könnte, ihm aber wegen angenehmer und auch nützlicher – aber nach dem Stand der elektronischen Aktenbearbeitung nicht zwingend erforderlicher – Effekte die Wirksamkeit versagt würde.
Dass der Gesetzgeber die Rechtslage inzwischen „klargestellt“ und nunmehr in der Begründung des Ausbaugesetzes ausführt, es sei auch nach altem Recht nicht um eine rein formale Prüfung gegangen10, ist dagegen unerheblich.
Mit dem Ausbaugesetz hat der Gesetzgeber die ua. in § 130a Abs. 2 ZPO und § 46c ArbGG enthaltenen Verordnungsermächtigungen sowie die in § 130a Abs. 6 ZPO und § 46c Abs. 6 ArbGG enthaltenen Hinweispflichten umformuliert. Die Verordnungsermächtigung erstreckt sich zwar weiter auf die technischen Rahmenbedingungen für die Übermittlung und der Eignung zur Bearbeitung. Anders als in der vorherigen Fassung der Normen11 erstreckt sich die Hinweispflicht nur noch auf die Eignung zur gerichtlichen Bearbeitung, nicht mehr auf „die geltenden technischen Rahmenbedingungen“ (Art. 1 Nr. 3 Buchst. b und d sowie Art. 8 Nr. 1 Buchst. b und d Ausbaugesetz). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung geändert (Art. 6 des Ausbaugesetzes). § 2 Abs. 2 ERVV verlangt danach nur noch, dass die Dokumente den Standards des § 5 ERVV entsprechen „sollen“ und nicht mehr „müssen“. Zudem spricht § 5 ERVV nur noch von „Standards“. Rein formale Verstöße gegen die ERVV führen danach nicht zur Unwirksamkeit des Eingangs. Die Unwirksamkeit soll vielmehr nur eintreten, wenn das Dokument konkret nicht zu bearbeiten ist10. Es kommt auf die „konkrete Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht an“12. Zwingend ist danach „nur noch“ die Übermittlung im Format PDF13. Das Gericht muss das Dokument, soweit es konkret bearbeitet werden kann, daher zulassen, auch wenn die Standards nicht eingehalten sind13. Demgegenüber ist es zurückzuweisen, wenn es nach dem – konkreten – Stand der maßgeblichen elektronischen Aktenbearbeitung nicht ohne zwischenzeitliches Ausdrucken bearbeitbar ist.
Dabei verweist der Gesetzgeber14 auf seine Gesetzesbegründung zur vorangegangenen Gesetzesfassung15 und will damit (wohl) zum Ausdruck bringen, dass bereits nach bestehendem bzw. altem Recht eine Les- und Bearbeitbarkeit genügte. Die sprachliche Neufassung der Verordnungsermächtigung und der Hinweispflicht solle dies klarstellen10.
Allerdings hat das neue Recht mit dem Ausbaugesetz keine rückwirkende Geltung erhalten, vielmehr ist es insoweit erst zum 1.01.2022 in Kraft getreten und kann sich damit – wie gesehen – nur auf noch nicht abgelaufene Fristen zum 1.01.2022 beziehen. Es ist auch nicht geeignet, die Auslegung der alten Rechtslage verbindlich vorzugeben.
Das Bundesverfassungsgericht hat einer rückwirkenden sog. authentischen Interpretation von Gesetzen durch den Gesetzgeber Grenzen gesetzt. Die in der Begründung des Gesetzesentwurfs in Anspruch genommene Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation ist für die rechtsprechende Gewalt nicht verbindlich. Denn die Befugnis zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen ist nach dem Grundgesetz der rechtsprechenden Gewalt vorbehalten, die nach Art. 92 GG den Richtern anvertraut ist16. Der Gesetzgeber ist zwar befugt, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu handeln, zu der auch die aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grenzen für rückwirkende Rechtsetzung gehören, und dabei gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht einverstanden ist. Er kann diese Ausgangslage und die Prüfungskompetenz der Gerichte aber nicht durch die Behauptung unterlaufen, seine Norm habe klarstellenden Charakter. Eine durch einen Interpretationskonflikt zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung ausgelöste Normsetzung ist nicht anders zu beurteilen als eine durch sonstige Gründe veranlasste rückwirkende Gesetzesänderung17. Diese Grundsätze greifen auch, wenn der Gesetzgeber meint missverstanden worden zu sein.
Dies konnte das Bundesarbeitsgericht im hier entschiedenen Fall jedoch dahinstehen lassen. Denn die Klägerin hat Mängel im Verfahren jedenfalls im Sinne von § 130a Abs. 6 ZPO aF geheilt. Danach hat das Gericht, wenn sich ein elektronisches Dokument nicht zur Bearbeitung eignet, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und der geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (Satz 1). Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (Satz 2). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin erfüllt, als sie unter dem 5.10.2021 ihre Berufung und Berufungsbegründung in kopier- und durchsuchbarer Form hat einreichen lassen und ihr Bevollmächtigter versichert hat, dass die neu eingereichten Dokumente inhaltlich mit den ursprünglich eingereichten übereinstimmen.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25. April 2022 – 3 AZB 2/22
- Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO 80. Aufl. § 298 Rn. 4, 5[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 29[↩]
- GVBl.2016 S. 2[↩]
- JustITVO, GVBl. S. 415[↩]
- für den Zivilprozess: Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art.20 Abs. 3 GG[↩]
- BVerfG 2.11.2020 – 1 BvR 533/20, Rn. 12[↩]
- dazu BVerfG 20.12.2017 – 1 BvR 2233/17, Rn. 12 unter Hinweis auf BT-Drs. 17/12634 S. 1 bis 6[↩]
- BGH 8.05.2019 – XII ZB 8/19, Rn. 16[↩]
- BVerfG 18.04.2007 – 1 BvR 110/07[↩]
- BT-Drs.19/28399 S. 33 f.[↩][↩][↩]
- beruhend auf dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl. I S. 3786, Art. 1 Nr. 2 und Art. 3 Nr. 2[↩]
- BT-Drs.19/28399 S. 34[↩]
- BT-Drs.19/28399 S. 40[↩][↩]
- BT-Drs.19/28399 S. 33[↩]
- BT-Drs. 17/12634 S. 25[↩]
- BVerfG 25.03.2021 – 2 BvL 1/11, Rn. 78, BVerfGE 157, 177[↩]
- BVerfG 21.07.2010 – 1 BvL 11/06 ua., Rn. 73, BVerfGE 126, 369[↩]
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- OLG Frankfurt a.M. Aktenstapel: OLG Frankfurt a.M.