Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen.

Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich1. Eine betriebliche Übung kann auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen2.
Für den Anspruch aus betrieblicher Übung ist unerheblich, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bisher schon in die Übung einbezogen worden ist3. Sie richtet sich an alle Beschäftigten eines Betriebs oder zumindest kollektiv abgrenzbare Gruppen. Das Vertragsangebot des Arbeitgebers ist regelmäßig so zu verstehen, dass er – vorbehaltlich besonderer Abreden – alle Arbeitnehmer zu den im Betrieb üblichen Bedingungen beschäftigen will. Will der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, muss er bei oder im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung den Beschäftigten klar und verständlich deutlich machen, er wolle sich für die Zukunft nicht binden4.
Von diesen Grundsätzen hat das Bundesarbeitsgericht eine Ausnahme gemacht, wenn der Arbeitgeber freiwillig – also ohne rechtliche Verpflichtung aufgrund von Tarifgebundenheit – die Entgelte der Beschäftigten entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet anhebt. In diesem Falle müssen für das Entstehen einer betrieblichen Übung auf weitere entsprechende Gehaltserhöhungen in der Folgezeit deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers dafür sprechen, dieser wolle die Erhöhungen – auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung – künftig, dh. auf Dauer übernehmen5. Denn die fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitgebers verdeutlicht – für den Arbeitnehmer erkennbar – den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen. Dadurch soll der nicht tarifgebundene Arbeitgeber, der freiwillig die Entgelte entsprechend den Tariferhöhungen seiner Branche steigert, nicht schlechter gestellt werden als der tarifgebundene Arbeitgeber, der die Möglichkeit hat, durch Verbandsaustritt eine dauerhafte Bindung zu vermeiden6. Weil es für das Entstehen einer betrieblichen Übung grundsätzlich unerheblich ist, ob der Arbeitgeber bei seinem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen handelt, kommt diese (Ausnahme-)Rechtsprechung nur zur Anwendung, wenn der Wille des Arbeitgebers, sich für die Zukunft nicht binden zu wollen, für die Arbeitnehmer erkennbar ist7.
Hiernach bestand im hier entschiedenen Streitfall im Betrieb der Arbeitgeberin nach das Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung die betriebliche Übung, die Gehälter der vom persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge erfassten Arbeitnehmer nicht nur hinsichtlich eines – gedachten – „tariflichen Anteils“ daran, sondern auch in Bezug auf den übertariflichen Entgeltbestandteil zu erhöhen8.
Mit der Erlangung des AT-Status hat sich hieran nichts geändert. Dem steht die Rechtsprechung zum Entstehen einer betrieblichen Übung der Entgelterhöhung bei AT-Angestellten nicht entgegen.
Ein außertariflicher Angestellter, der kraft seiner Tätigkeit und/oder seiner Vergütungshöhe nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrags fällt, muss grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der Arbeitgeber seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Gehaltsentwicklung erhalten will. Dies ist Ausdruck der Besonderheit, ein solches Arbeitsverhältnis auf eine vom Tarifvertrag losgelöste Grundlage zu stellen9. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber bei der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe er die Gehälter von AT-Angestellten erhöhen will, jeweils eine Fülle von auf die gesamtwirtschaftliche Lage, auf die wirtschaftliche Situation und die Gehaltspolitik seines Unternehmens sowie auf das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers bezogenen Gesichtspunkten in Betracht zu ziehen und gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung des Arbeitgebers mag über einen längeren Zeitraum hinweg tatsächlich zu jeweils gleichartigen Ergebnissen führen. Allein hieraus dürfen jedoch die Arbeitnehmer mangels abweichender konkreter Anhaltspunkte nicht schließen, der Arbeitgeber habe sich verpflichten wollen, auch in Zukunft stets dieselben Bemessungsfaktoren beizubehalten, also die Gehälter stets in gleicher Weise wie bisher zu erhöhen, und sich dadurch der Möglichkeit begeben wollen, veränderten Umständen in freier Entscheidung Rechnung zu tragen10.
Im vorliegenden Fall bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich aus verständiger Sicht des Arbeitnehmers die Arbeitgeberin ihm gegenüber verpflichten wollte, auch in Zukunft sein Gehalt entsprechend den Tarifsteigerungen zu erhöhen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
Der Arbeitnehmer wurde bei der Arbeitgeberin bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen als Arbeitnehmer ohne „AT-Status“ eingestellt. Nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung aus dem Jahre 1990 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken sowie der Dienstordnung in ihrer jeweiligen Fassung. Bei der Arbeitgeberin besteht die betriebliche Übung, die Gehälter der vom persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge erfassten Arbeitnehmer nicht nur hinsichtlich eines – gedachten – „tariflichen Anteils“ daran, sondern auch in Bezug auf den übertariflichen Entgeltbestandteil zu erhöhen. Der Arbeitnehmer hat erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses durch die Übertragung neuer Arbeitsaufgaben den Status eines AT-Angestellten erlangt. Mit dieser Personengruppe haben die Arbeitgeberin und ihre Rechtsvorgängerinnen allerdings weder die Gehälter noch die Gehaltssteigerungen ausgehandelt. Sie haben vielmehr ein auf dem tariflichen Entgeltgruppen- und Vergütungssystem aufbauendes Gehaltsschema mit mehreren Gehaltsstufen entwickelt. Die sich hieraus ergebenden Gehälter haben sie über Jahre hinweg unterschiedslos entsprechend den Tariflohnerhöhungen prozentual gesteigert und die sich rechnerisch ergebenden, angepassten Entgelte in Gehaltstabellen ausgewiesen. Sie haben zudem nach eigenem Vortrag der Arbeitgeberin die AT-Angestellten nicht stets entsprechend ihrer Funktion bestimmten Gehaltsstufen des außertariflichen Gehaltsschemas zugeordnet, sondern in Einzelfällen eine als besonders gut bewertete Arbeitsleistung damit honoriert, dass sie die betreffenden Arbeitnehmer – ohne dass die Voraussetzungen des AT-Status iSv. § 1 Nr. 3 Satz 3 MTV Banken vorlagen – mit einem AT-Gehalt vergüteten.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände bestehen in einer Gesamtschau hinreichend konkrete Anhaltspunkte im Sinne der angeführten Rechtsprechung dafür, dass die Arbeitgeberin und ihre Rechtsvorgängerinnen über Jahre hinweg bei der Prüfung von Gehaltssteigerungen in der Gruppe der AT-Angestellten nicht „eine Fülle von auf die gesamtwirtschaftliche Lage, auf die wirtschaftliche Situation und die Gehaltspolitik seines Unternehmens sowie auf das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers bezogenen Gesichtspunkten in Betracht gezogen und gegeneinander abgewogen haben“11, sondern diese Personengruppe ebenso wie die anderen Arbeitnehmer behandelt haben. Dem entspricht schließlich auch die Zusage der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin gegenüber dem Arbeitnehmer aus dem Schreiben vom 02.09.2011, wonach auch nach Anhebung des Gehalts in die außertarifliche Stufe 751 alle übrigen vertraglichen Vereinbarungen unverändert bleiben. Aufgrund all dieser Umstände konnte der Arbeitnehmer berechtigterweise annehmen, in Bezug auf seine weitere Gehaltsentwicklung gebe es keine Veränderung, sondern es bleibe bei der für die Tarifangestellten bestehenden betrieblichen Übung der Erhöhung des Gehalts im Umfang der tariflichen Gehaltssteigerung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Februar 2019 – 5 AZR 354/18
- st. Rspr., zB BAG 19.09.2018 – 5 AZR 439/17, Rn. 16; 11.07.2018 – 4 AZR 443/17, Rn. 29 – jeweils mwN[↩]
- BAG 29.08.2012 – 10 AZR 571/11, Rn.20 mwN[↩]
- BAG 28.05.2008 – 10 AZR 274/07, Rn. 18[↩]
- BAG 19.09.2018 – 5 AZR 439/17, Rn. 16 mwN[↩]
- zB BAG 24.02.2016 – 4 AZR 990/13, Rn. 21[↩]
- zum Ganzen BAG 19.09.2018 – 5 AZR 439/17, Rn. 17[↩]
- BAG 19.09.2018 – 5 AZR 439/17, Rn. 18[↩]
- vgl. den Parallelfall in BAG 19.09.2018 – 5 AZR 439/17, Rn.19 ff.[↩]
- BAG 25.04.2018 – 5 AZR 85/17, Rn. 24[↩]
- BAG 4.09.1985 – 7 AZR 262/83, zu I 2 c der Gründe, BAGE 49, 290; ebenso 3.11.2004 – 5 AZR 73/04, zu III 1 b der Gründe; 11.12 1991 – 5 AZR 94/91, zu II 1 b der Gründe[↩]
- BAG 4.09.1985 – 7 AZR 262/83, zu I 2 c der Gründe, BAGE 49, 290[↩]