Geschäftsführer-Rente ab 60

Der angestellte Geschäftsführer einer GmbH hat keinen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung bereits ab dem 60. Lebensjahr. § 30 a BetrAVG stellt keine Anspruchsgrundlage dar, maßgeblich ist die Regelung in der Versorgungsordnung. § 30 a BetrAVG ist auf angestellte Geschäftsführer nicht anwendbar, weil § 17 I 2 BetrAVG nur auf die §§ 1 – 16 BetrAVG verweist.

Geschäftsführer-Rente ab 60

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg stellt § 30a BetrAVG keine Anspruchsgrundlage dar. In Umsetzung des „Barber“-Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften1 soll § 30a BetrAVG erreichen, dass Männer unter den gleichen Voraussetzungen betriebliche Versorgungsleistungen in Anspruch nehmen können wie Frauen. Damit aber ist § 30a BetrAVG keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern nur eine Ergänzungsnorm zu § 6 BetrAVG, der bei Bezug einer vorzeitigen gesetzlichen Rente einen Anspruch auf betriebliche Altersrente gewährt. § 30a BetrAVG verweist auf die Voraussetzungen der jeweiligen Versorgungsordnung und schafft damit keinen neuen Anspruch, sondern lediglich eine Verweisung auf die betriebliche Regelung. Daraus folgt, dass Anspruchsgrundlage letztendlich die jeweilige betriebliche Versorgungsregelung bleibt, deren Voraussetzungen, wie vom Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt, der Fremdgeschäftsführer nicht erfüllt.

§ 30a BetrAVG ist auf den Fremdgeschäftsführer nicht anwendbar. Der Fremdgeschäftsführer ist Geschäftsführer der Gesellschaft und damit deren Organ. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG erweitert zwar den Anwendungsbereich von Teilen des Gesetzes auf Nichtarbeitnehmer, wenn ihnen Leistungen der Altersversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind, beschränkt die Erweiterung auf solche Personen aber auf die §§ 1 bis 16 BetrAVG. § 30a BetrAVG ist damit nicht umfasst. Schon nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG kann der Fremdgeschäftsführer sich mithin auf § 30a des Gesetzes nicht berufen. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren den Gedanken an ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers aufkommen lässt, weil die Vorschrift des § 30a BetrAVG zunächst als § 6 a vorgesehen war, wovon im Verfahren Abstand genommen wurde im Zweifel deshalb, weil nur eine Übergangsregelung geschaffen werden sollte, sprechen doch Sinn und Zweck des § 30a BetrAVG gegen eine Anwendbarkeit auf Organmitglieder. § 30a BetrAVG diente der Umsetzung des „Barber“Urteils des EuGH, das sich ausschließlich mit der Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern befasste. Zur Frage der Entgeltgleichung von Organmitgliedern sagt das Urteil nichts aus. Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers ist vom Grundsatz her mit der Arbeitnehmereigenschaft unvereinbar. Der Geschäftsführer ist einem Arbeitnehmer nicht vergleichbar schutzbedürftig. Dies wird beim Fremdgeschäftsführer besonders deutlich, der in seinem Dienstvertrag nicht nur die Inbezugnahme der Versorgungsordnung der Beklagen bzw. deren Rechtsvorgängerin erreichen konnte, sondern darüber hinaus wesentliche Vergünstigungen gegenüber den für die Arbeitnehmer in der Versorgungsordnung niedergelegten Bestimmungen, und der ein Gehalt bezog, das im Zweifel ein Arbeitnehmer nie beanspruchen konnte und ihm eine eigenständige Altersversorgung zusätzlich ermöglichte. Damit aber fehlte es an vergleichbaren Mitarbeiterinnen im Unternehmen, aber auch bei typisierender Betrachtungsweise generell, gegenüber denen eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Entgelts entstehen konnte.

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Der Fremdgeschäftsführer hat darüber hinaus die „sonstigen Leistungsvoraussetzungen“ im Sinne des § 30a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht erfüllt. Das Erfordernis der Erfüllung sonstiger Leistungsvoraussetzungen verweist auf die Normen der jeweiligen betrieblichen Versorgungsregelung. Damit aber verweist § 30a BetrAVG auf die Versorgungsordnung der Gesellschaft, deren Voraussetzungen der Fremdgeschäftsführer insoweit nicht erfüllt, als er nicht bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitiges Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog.

Bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Gesellschaft hätte der Fremdgeschäftsführer nach der Versorgungsordnung noch nicht einmal eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben gehabt. Eine vergleichbare Arbeitnehmerin hätte nach § 6 BetrAVG im Geltungsbereich der Versorgungsordnung keine Betriebsrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten können. Denn aus verfallenen Anwartschaften stehen auch bei vorzeitigem Rentenbezug dem Arbeitnehmer keine Ruhegeldansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung zu2. Der Fremdgeschäftsführer konnte eine unverfallbare Anwartschaft nur über die im Dienstvertrag vereinbarten Abweichungen von den Regelungen der Versorgungsordnung erhalten. Vergünstigungen, die ein vergleichbarer Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag schwerlich erreichen konnte, unabhängig davon, ob er weiblichen oder männlichen Geschlechts wäre.

Die Versorgungsordnung der Gesellschaft verstößt nicht gegen Europarecht. Artikel 141 EGV (= Art. 157 AEUV) verbietet eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau hinsichtlich des Entgelts. Eine solche Ungleichbehandlung sieht die Versorgungsordnung der Gesellschaft bzw. ihrer Rechtsvorgängerin nicht vor. Die Versorgungsordnung enthält keine unterschiedliche Altersregelung für Männer und Frauen. Für beide gilt die generelle Altersgrenze von 65 Jahren. Alle Mitarbeiter, gleichwie ob Mann oder Frau, können vorgezogene Ruhestandsrenten nach Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten, wenn sie vorzeitiges Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder beziehen könnten. Dies entspricht § 6 BetrAVG und hat den Zweck, einen Gleichlauf der gesetzlichen Rente mit der betrieblichen Altersversorgung zu erzielen. Für die Voraussetzungen verweist die Versorgungsordnung auf die gesetzlichen Regelungen, die europarechtskonform sind. Die betriebliche Altersversorgung der Gesellschaft spiegelt somit die gesetzliche Altersversorgung. Wenn dort die unterschiedlichen Renteneintrittsalter zulässig sind, kann aber die Anknüpfung hieran in der Versorgungsordnung nicht unzulässig sein. An Private können keine höheren Anforderungen gestellt werden, als an die Mitgliedsstaaten selbst. Die Versorgungsordnung der Gesellschaft bzw. ihrer Rechtsvorgängerin verstößt deshalb nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot mit der Folge, dass der Fremdgeschäftsführer im Hinblick auf die gesetzliche Regelung erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine betriebliche Altersversorgung verlangen kann.

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Die unterschiedlichen Rentenzugänge für Männer und Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung werden bis zum Jahre 2012 beseitigt sein. Diesbezügliche Anpassungen der gesetzlichen Rentenregelungen über einen längeren Zeitraum sind zulässig und europarechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Versorgungsordnung der Gesellschaft deshalb allein auf die zulässige, noch bestehende unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen beim Rentenzugang abstellt, kann auch die Versorgungsordnung der Gesellschaft nicht weder mittelbar noch unmittelbar diskriminierend sein. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass an Privatpersonen oder Unternehmen keine höheren Anforderungen bei der Umsetzung europarechtlicher Regelungen gestellt werden dürfen, als an den jeweiligen nationalen Gesetzgeber. Wenn aber die derzeit bestehende Regelung zur Angleichung der unterschiedlichen Rentenzugänge für Männer und Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung rechtskonform und zulässig ist und in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben keine vorzeitigen Rentenzugangsmöglichkeiten für Männer im Wege der Gleichbehandlung eröffnet werden müssen, kann dies auch nicht für die Beklagte gelten, die insoweit nur auf die Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt. Eine Benachteiligung des Fremdgeschäftsführers durch die Versorgungsordnung der Gesellschaft ist daher ausgeschlossen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24. November 2011 – 11 Sa 68/11
[Revision anhängig beim Bundesarbeitsgericht – 3 AZR 114/12]

  1. EuGH, Urteil vom 17.05.1990 – C-262/88, NZA 1990, 775[]
  2. ErfK/Steinmeyer § 6 BetrAVG Rz. 3[]
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