Gesetzlicher Mindestlohn – und die Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub

Die Arbeitnehmerin hat nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG, § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1, § 12 EFZG und § 611 Abs. 1 BGB iVm. §§ 1, 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG für jede abgerechnete Stunde Anspruch auf Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von – im Streitzeitraum – 8, 50 Euro brutto je Stunde.

Gesetzlicher Mindestlohn – und die Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub

Für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde folgt dies aus § 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht gemäß § 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG mit jeder geleisteten Arbeitsstunde1. Er tritt eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch; wird der gesetzliche Mindestlohn unterschritten, führt § 3 MiLoG zu einem Differenzanspruch2.

Die Arbeitnehmerin hat zudem gemäß § 2 Abs. 1 EFZG, § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG sowie § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG auch für die feiertags, krankheits- und urlaubsbedingt ausgefallenen Arbeitsstunden Anspruch auf eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns.

Der Entgeltfortzahlungsanspruch iHv. 8, 50 Euro brutto je Stunde ergibt sich für Feiertage aus § 2 Abs. 1 EFZG und für Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aus § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG. Nach dem diesen Bestimmungen zugrunde liegenden Entgeltausfallprinzip hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags oder Krankheit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte3. Abweichungen hiervon sind nur nach Maßgabe von § 12 EFZG zulässig4. Danach ist der Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG als Geldfaktor in die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs einzustellen, soweit nicht aus anderen Rechtsgründen ein höherer Vergütungsanspruch besteht5.

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Für Zeiten des Erholungsurlaubs folgt der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Urlaubsentgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG.

Die Berechnung des Urlaubsentgeltanspruchs der Arbeitnehmerin erfolgt für den gesetzlichen und den übergesetzlichen Urlaub nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 1 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG, denn die Parteien haben für den übergesetzlichen Urlaubsanspruch keine von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes abweichenden Vereinbarungen über die Bemessung des Urlaubsentgelts getroffen6.

§ 1 BUrlG erhält für die Dauer des gesetzlichen Mindesturlaubs den Anspruch auf Vergütung der infolge des Urlaubs ausfallenden Arbeitszeit aufrecht, sog. Zeitfaktor7. Wie die infolge Urlaubs ausfallenden Arbeitsstunden zu vergüten sind (sog. Geldfaktor), bestimmt sich nach dem in § 11 Abs. 1 BUrlG geregelten Referenzprinzip8. Für den gesetzlichen und – sofern keine abweichende Regelung gilt – für den übergesetzlichen Urlaubsanspruch ist danach der gesetzliche Mindestlohn als das dem Arbeitnehmer zumindest zustehende gewöhnliche Arbeitsentgelt (Geldfaktor) der Berechnung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen. Dies gilt auch, soweit der Berechnungszeitraum (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG) in das Jahr 2014 hineinreicht. Durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8, 50 Euro brutto ist – sofern die auf vertraglicher oder tariflicher Grundlage zu zahlende Vergütung geringer ist, zum 1.01.2015 eine nicht nur vorübergehende Verdiensterhöhung eingetreten, so dass nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BUrlG von dem erhöhten Verdienst auszugehen ist9. Ein Rückgriff auf die niedrigere vertragliche oder tarifliche Vergütung scheidet nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG aus10.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Arbeitnehmerin in den streitgegenständlichen Monaten für die tatsächlich geleisteten sowie die krankheits, feiertags- und urlaubsbedingt ausgefallenen Arbeitsstunden, deren Anzahl den von der Arbeitgeberin abgerechneten Stunden entspricht und zwischen den Parteien außer Streit steht, Anspruch auf Vergütung iHv. 8, 50 Euro brutto je Stunde.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 5 AZR 699/16

  1. BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn.19, BAGE 155, 202[]
  2. BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16, Rn. 22 mwN, aaO; seither st. Rspr., vgl.06.09.2017 – 5 AZR 317/16, Rn. 10[]
  3. vgl. BAG 13.05.2015 – 10 AZR 495/14, Rn. 31 mwN, BAGE 151, 331[]
  4. st. Rspr., zB BAG 27.04.2016 – 5 AZR 229/15, Rn. 22 ff., BAGE 155, 70[]
  5. BAG 20.09.2017 – 10 AZR 171/16, Rn. 24[]
  6. vgl. BAG 20.09.2011 – 9 AZR 416/10, Rn. 43 mwN, BAGE 139, 168[]
  7. BAG 20.09.2016 – 9 AZR 429/15, Rn. 23[]
  8. BAG 21.09.2010 – 9 AZR 510/09, Rn. 16 mwN, BAGE 135, 301[]
  9. vgl. BAG 20.09.2017 – 10 AZR 171/16, Rn. 21[]
  10. vgl. BAG 13.05.2015 – 10 AZR 191/14, Rn. 31[]