Gleichbehandlung bei der Änderung betrieblicher Versorgungszusagen

Ein Arbeitnehmer kann aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Vereinbarung einer geänderten Versorgungszusage haben.

Gleichbehandlung bei der Änderung betrieblicher Versorgungszusagen

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Bereich des Betriebsrentenrechts hat der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage als auch eine sachfremde Gruppenbildung2.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung3. Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen4.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert die Bildung einer Gruppe begünstigter Arbeitnehmer. Eine Gruppenbildung liegt vor, wenn der Arbeitgeber Vergünstigungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern muss nach einem oder mehreren Kriterien vorgenommen werden, die bei allen Begünstigten vorliegen. Erfolgt die Besserstellung unabhängig von abstrakten Merkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage, er verhindert jedoch nicht die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer5. Ist die Anzahl der begünstigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Ansprüche herleiten6.

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Werden für mehrere Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist. Eine sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung verstößt erst dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie willkürlich ist, weil sich ein vernünftiger Grund für die Differenzierung nicht finden lässt. Dagegen ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können7.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob für die unterschiedliche Behandlung ein hinreichender Sachgrund besteht, ist vor allem der Regelungszweck. Dieser muss die Gruppenbildung rechtfertigen8. Gerechtfertigt ist danach eine Gruppenbildung, wenn sie einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist9. Der Differenzierungsgrund muss die in der Regelung getroffene Rechtsfolge tragen.

Sind die Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern nicht ohne Weiteres erkennbar, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass beurteilt werden kann, ob die Ungleichbehandlung durch sachliche Kriterien gerechtfertigt ist10.

Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne Weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem vom Arbeitgeber vorgetragenen Zweck der Leistung sachlich nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden11.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. August 2012 – 3 AZR 81/10

  1. BAG 16.02.2010 – 3 AZR 216/09, Rn. 56, BAGE 133, 158; 10.12.2002 – 3 AZR 3/02 – zu IV 2 a der Gründe, BAGE 104, 205[]
  2. BAG 21.08.2007 – 3 AZR 269/06, Rn. 21, BAGE 124, 22[]
  3. st. Rspr., vgl. etwa BAG 13.02.2002 – 5 AZR 713/00 – zu II 1 der Gründe, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87; 21.06.2000 – 5 AZR 806/98 – zu II 1 der Gründe, AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83[]
  4. BAG 23.08.2011 – 3 AZR 650/09, Rn. 39, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 11; 13.02.2002 – 5 AZR 713/00 – zu II 1 der Gründe mwN, aaO[]
  5. vgl. etwa BAG 13.02.2002 – 5 AZR 713/00 – zu II 1 der Gründe mwN, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87[]
  6. BAG 13.02.2002 – 5 AZR 713/00 – zu II 2 der Gründe, aaO[]
  7. BAG 28.06.2011 – 3 AZR 448/09, Rn. 23; 16.02.2010 – 3 AZR 216/09, Rn. 30, BAGE 133, 158[]
  8. BAG 16.02.2010 – 3 AZR 216/09, Rn. 31, BAGE 133, 158[]
  9. BAG 13.04.2011 – 10 AZR 88/10, Rn. 13, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 287 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 25[]
  10. BAG 28.06.2011 – 3 AZR 448/09, Rn. 25; 12.10.2005 – 10 AZR 640/04 – zu II 2 der Gründe, BAGE 116, 136[]
  11. BAG 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, Rn. 45, BAGE 125, 133[]
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