Unter Fertigbau im Sinne der Sozialkassentarifverträge der Bauwirtschaft ist eine Bauweise zu verstehen, die in einer Fabrik hergestellte und auf der Baustelle zu einem Gesamtbauwerk zusammengefügte Bauteile verwendet, wie etwa Decken oder Wände. Fertigbauteile sind Bauteile aus einem oder mehreren Bau- oder Werkstoffen, die serienmäßig oder zumindest in größerer Stückzahl in entsprechenden Betrieben oder Werken für den Einbau auf der Baustelle gefertigt werden und als komplette Einheit verschiedene Bauleistungen enthalten können, wie etwa Wandbauteile mit eingebauten Installationen oder fertiger Oberfläche.

Die Pflicht eines Unternehmens der Bauwirtschaft, Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu leisten, folgt für den Monat Dezember 2015 aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 13, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2014 und für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.11.2017 aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 13, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2015. Die Arbeitgeberin ist an den VTV 2014 und den VTV 2015 nach § 7 Abs. 1 und 2 iVm. den Anlagen 26 und 27 SokaSiG gebunden1. Die Bindung folgt zudem aus § 5 Abs. 4 TVG iVm. den wirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) vom 06.07.2015 bzw. vom 04.05.20162. Der Betrieb der Arbeitgeberin wird nicht von den Einschränkungen der AVE, welche gemäß § 10 Abs. 1 SokaSiG iVm. der dazugehörigen Anlage 37 zu einer Ausnahme vom Anwendungsbereich der §§ 1 bis 8 SokaSiG führen, erfasst. Soweit es für den Verfall auf den VTV 2018 ankommt, ist die Arbeitgeberin an ihn nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE vom 07.05.20193 gebunden.
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der Sozialkasse. Deren Sachvortrag ist schlüssig, wenn sie Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV des Baugewerbes erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 der VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen4. Dem Arbeitgeber obliegt es sodann, sich nach § 138 Abs. 2 ZPO zu dem schlüssigen Tatsachenvortrag der Sozialkasse zu der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs zu erklären. Regelmäßig trifft ihn die Last des substantiierten Bestreitens, weil die Sozialkasse außerhalb des Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der versehenen Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber substantiiert bestreiten und entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört, dass er die zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten darlegt5.
Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall fällt der Betrieb der Arbeitgeberin in den betrieblichen Geltungsbereich der VTV. Die Arbeitgeberin erbringt in ihrem Betrieb baugewerbliche Leistungen in Gestalt von Fertigbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV. Bei den von den Arbeitnehmern des Betriebs der Arbeitgeberin arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten Tätigkeiten handelt es sich nach der schlüssigen und nicht hinreichend bestrittenen Darlegung der Sozialkasse entgegen der Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts6 um Fertigbauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 Halbs. 2 VTV. Der Betrieb der Arbeitgeberin stellt Fertigbauteile her, welche zum überwiegenden Teil innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt werden.
Bei den im Betrieb der Arbeitgeberin serienmäßig hergestellten Außenwandelementen und Betonstützen handelt es sich um Fertigbauteile iSd. Tarifnorm.
Unter Fertigbau ist eine Bauweise zu verstehen, die in einer Fabrik hergestellte und auf der Baustelle zu einem Gesamtbauwerk zusammengefügte Bauteile verwendet, wie zB Decken oder Wände. Fertigbauteile sind Bauteile aus einem oder mehreren Bau- oder Werkstoffen, die serienmäßig oder zumindest in größerer Stückzahl in entsprechenden Betrieben oder Werken für den Einbau auf der Baustelle gefertigt werden und als komplette Einheit verschiedene Bauleistungen enthalten können, wie zB Wandbauteile mit eingebauten Installationen oder fertiger Oberfläche. Ein Betrieb führt damit Fertigbauarbeiten iSd. tariflichen Tätigkeitsbeispiels in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV aus, wenn er entweder Bauwerke mit solchen Fertigbauteilen vollständig in Fertigbauweise errichtet oder solche Fertigbauteile zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken einbaut oder zusammenfügt und mit dieser Verwendung kompletter Baueinheiten die herkömmliche, konventionelle Arbeitsweise am Bau ersetzt wird7.
Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den von der Arbeitgeberin hergestellten Außenwandelementen um Fertigbauteile im vorstehenden Sinn, da die Wände ohne die serienmäßige Vorfertigung vor Ort durch Aufmauern oder auf anderem konventionellen Weg erstellt werden müssten. Hiervon geht auch das Landesarbeitsgericht aus.
Entgegen der Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts8 stellen aber auch die von der Arbeitgeberin hergestellten Betonstützen Fertigbauteile iSd. tariflichen Bestimmung dar.
Bei den von der Arbeitgeberin hergestellten Betonstützen handelt es sich nicht um ein bloßes Baumaterial, sondern um eine Einheit, welche aus Beton und einer Bewehrung besteht und als Fertigbauteil eine bestimmte Funktion im Fertigbau erfüllt, indem durch den Einbau dieser Einheit andere Bauteile wie Geschossdecken abgestützt werden, was ohne die Stützen nicht sichergestellt wäre. Der Einbau von Stützen ermöglicht mithin erst die Verbindung der tragenden Elemente und ersetzt die herkömmliche Bauweise im Massivbau. Die Decke müsste anderenfalls entweder mit Mauerwerk vor Ort abgestützt oder die Betonstützen auf der Baustelle ausgegossen und angepasst werden. Darauf, ob die Betonstützen weitere Funktionen erfüllen – wie beispielsweise die Aufnahme von Schaltern, Leitungen oder Verrohrungen, kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht an. Der Begriff des Fertigbauteils im Tarifsinn verlangt nicht, dass dieses mehrere Bauleistungen enthält oder mehrere Funktionen zu erfüllen hat. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass es als komplette Einheit im Fertigbau verwendet wird und durch den Einbau in seiner Funktion die herkömmliche Bauweise ersetzt.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fällt der Umstand, dass Stützen bei Wohn- oder Gewerbeimmobilien auch aus anderen Materialien wie Holz oder Metall bestehen und in dieser Form auch fertig angeliefert werden können, nicht ins Gewicht. Auch kann nicht darauf abgestellt werden, dass Betonstützen schon seit langem fertig produziert und eingebaut werden. Die Aufnahme von Fertigbauarbeiten in den Katalog der baulichen Tätigkeiten des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV trägt gerade dem Umstand Rechnung, dass sich die Bauweise ausgehend vom herkömmlichen Massivbau aufgrund der zunehmenden Fertigbauweise gewandelt hat. Aus dem Umstand, dass sich die Fertigbauweise gegenüber der Massivbauweise mit gemauerten oder anderweitig vor Ort hergestellten Wänden auf dem Markt mehr und mehr durchzusetzen vermag, kann hingegen nicht der Schluss gezogen werden, dass die im Rahmen des Fertigbaus verwendeten Betonfertigteile keine solchen iSd. tariflichen Begriffs darstellen. Anderenfalls liefe der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV leer. Maßgeblich kommt es daher auf die Herkömmlichkeit der ersetzten Bauweise an9.
Die von der Arbeitgeberin hergestellten Fertigbauteile werden zum überwiegenden Teil innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut.
§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 Halbs. 2 VTV stellt nicht ausschließlich auf die von Arbeitnehmern des Herstellungsbetriebs überwiegend aufgewandte Arbeitszeit ab, sondern als zweites Tatbestandsmerkmal darauf, ob der Einbau oder die Montage der überwiegenden Stückzahl der von diesen hergestellten Fertigbauteile durch den Betrieb selbst, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder eines Betriebs innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses erfolgt. Letzteres ist vorliegend der Fall. Die überwiegende Stückzahl der Betonfertigteile wurde von Mitarbeitern der G Montage GmbH auf Baustellen der Regionalgesellschaften verbaut. Hiervon ist nach dem schlüssigen Vortrag der Sozialkasse auszugehen, dem die Arbeitgeberin im Weg der abgestuften Darlegungslast nicht hinreichend entgegengetreten ist.
Die Sozialkasse hat im Einzelnen dargelegt, welche Stückzahlen aufgeteilt nach Betonstützen und Außenwandelementen von der Arbeitgeberin produziert und an welche Regionalgesellschaften diese ausgeliefert worden sind. Eine Auslieferung an Drittfirmen außerhalb des Unternehmenszusammenschlusses fand danach nicht statt. Weiter hat die Sozialkasse vorgetragen, dass die G Montage GmbH jedenfalls den allergrößten Teil der Fertigbauteile auf den Baustellen der Regionalgesellschaften eingebaut habe und es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Einbau durch Unternehmen außerhalb der G-Gruppe erfolgt sei. Der Tatsachenvortrag der Sozialkasse wird durch den Inhalt des eingereichten Konzernlageberichts der G GmbH für das 49. Geschäftsjahr gestützt, in welchem das schlüsselfertige Bauen aus einer Hand hervorgehoben wird.
Angesichts dieses Vortrags hätte die Arbeitgeberin sich nicht auf die pauschale Behauptung beschränken dürfen, der Einbau erfolge auch (bzw. überwiegend) durch unternehmensfremde Subunternehmen. Sie hätte vielmehr näher vortragen müssen, in welchem Umfang die G Montage GmbH die von der Arbeitgeberin hergestellten Fertigbauteile eingebaut oder zusammengefügt hat und ggf. in welchem Umfang insoweit eine Fremdvergabe an andere Unternehmen erfolgt ist. Daran fehlt es.
Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Dabei ist anerkannt, dass nicht nur Handlungen und Wahrnehmungen der gesetzlichen Vertreter einer Partei, sondern auch Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO gleichzustellen sind. Eine Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigungen anstellen. Eine Erkundigungspflicht der Partei besteht beispielsweise auch dann, wenn es sich um Vorgänge im Bereich von Personen – nicht nur der eigenen, sondern auch einer anderen Firma – handelt, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind10.
Diesen Anforderungen genügt es nicht, wenn sich die Arbeitgeberin in zweiter Instanz darauf berufen hat, die Fertigbauteile würden überwiegend nicht durch die G Montage GmbH eingebaut. Zwar handelt es sich bei der Arbeitgeberin nicht um die eigentliche Auftraggeberin für die Montage der von ihr hergestellten Betonfertigteile. Sie trifft aber aufgrund des Umstands, dass ihre Alleingesellschafterin, die G GmbH, Alleingesellschafterin sowohl der Regionalgesellschaften als auch der G Montage GmbH ist, und aufgrund des zwar arbeitsteiligen, aber gemeinsamen Auftretens am Markt („G-Prinzip“) die Verpflichtung – soweit keine eigene Kenntnis besteht, die entsprechenden Informationen einzuholen und im Weg des substantiierten Bestreitens nach § 138 Abs. 2 ZPO vorzutragen.
Die Arbeitgeberin als Herstellungsbetrieb und die G Montage GmbH als einbauender Betrieb sind im tarifvertraglichen Sinn innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses miteinander verbunden.
Der Begriff des „Unternehmenszusammenschlusses“ im VTV orientiert sich nicht an betriebsverfassungs- oder wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, sondern ist sehr weit und untechnisch gewählt, um möglichst alle denkbaren Erscheinungsformen zu erfassen. Mit diesem Begriff haben die Tarifvertragsparteien bewusst einen Terminus gewählt, der nicht mit bestimmten Rechtsformen oder bestimmten Rechtsbeziehungen verbunden ist. Mit dem Zusatz „unbeschadet der gewählten Rechtsform“ haben sie verdeutlicht, dass dieser Begriff entsprechend dem Zweck der Tarifbestimmung weit zu verstehen ist. Jede Umgehung der Tarifunterworfenheit soll verhindert werden, soweit sie durch die bloße Rechtswahl der gesellschaftsrechtlichen Form der Zusammenarbeit der Unternehmen erfolgen könnte. Es ist keine bestimmte handelsrechtlich übliche personen- oder kapitalgesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den „Unternehmen“ erforderlich. Die unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung und das Zusammenfügen oder der Einbau des überwiegenden Teils der Produktion durch das verbundene Unternehmen reichen aus, da durch sie ein gemeinsam verfolgter Zweck indiziert wird11.
Als „beteiligter Gesellschafter“ im tariflichen Sinn ist dasjenige Unternehmen anzusehen, das mit dem Unternehmen, dessen Betrieb die Fertigbauteile liefert, in einem unmittelbaren – horizontalen oder vertikalen – gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang steht. Welche juristische Form die Gesellschaft, an der der Gesellschafter beteiligt ist, aufweist, ist dabei ebenso wenig entscheidend wie die konkrete Ausgestaltung der Mitgliedschaft. Ein bloß tatsächliches Zusammenwirken reicht hingegen nicht aus12.
Hiernach ist ein Unternehmenszusammenschluss im Tarifsinn zwischen der Arbeitgeberin und der G Montage GmbH gegeben. Alleingesellschafterin beider Unternehmen ist die G GmbH. Der überwiegende Teil der Produktion der Arbeitgeberin wurde an die Regionalgesellschaften der Alleingesellschafterin der Arbeitgeberin geliefert, auf deren Baustellen die Montage durch die G Montage GmbH erfolgte. Bei der G Montage GmbH handelt es sich auch um den Betrieb eines „beteiligten Gesellschafters“ innerhalb dieses Unternehmenszusammenschlusses. Die Alleingesellschafterin der Arbeitgeberin war zu der streitgegenständlichen Zeit zugleich Alleingesellschafterin der G Montage GmbH und somit an beiden Unternehmen – wie auch den Regionalgesellschaften – unmittelbar gesellschaftsrechtlich beteiligt.
Der Betrieb der G Montage GmbH, der die Fertigbauteile überwiegend eingebaut hat, fällt seinerseits grundsätzlich unter den betrieblichen Geltungsbereich der VTV13. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Arbeitgeberin verlangt das tarifliche Merkmal der Fertigbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 Halbs. 2 VTV aber nicht, dass die Rechtsnormen der VTV für diesen Betrieb durch originäre Tarifgebundenheit gelten oder kraft Allgemeinverbindlicherklärung oder nach dem SokaSiG auf den einbauenden Betrieb erstreckt werden.
Nach der hier in Betracht kommenden Einschränkung der AVE (Ziff. 1 Abs. 4 Nr. 6 iVm. Anhang 3), welche wortgleich in Abs. 4 Nr. 6 der Anlage 37 zu § 10 Abs. 1 SokaSiG übernommen wurde und somit auch den Anwendungsbereich des SokaSiG einschränkt, erstrecken sich die Rechtsnormen der VTV nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, die unmittelbar oder mittelbar Mitglied ua. des Bundesverbandes Metall – Vereinigung Deutscher Metallhandwerke sind, von einem Mantel- oder Rahmentarifvertrag dieser Verbände oder ihrer Mitgliedsverbände erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich eines am 1.01.2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifvertrags dieser Verbände oder ihrer Mitgliedsverbände genannt sind, falls derjenige Tarifvertrag, von dem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist.
Im Hinblick auf die Arbeitgeberin als Herstellungsbetrieb liegen diese Voraussetzungen ersichtlich nicht vor; dies behauptet diese auch nicht.
Ob die Merkmale dieser Einschränkung der AVE auf den Betrieb der G Montage GmbH zutreffen, steht nicht fest. Es bedarf vorliegend aber auch keiner Entscheidung, da es darauf nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 Halbs. 2 VTV nicht ankommt.
Bei dem Betrieb der G Montage GmbH handelt es sich um einen Baubetrieb nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV, der Fertigbauteile zur Erstellung eines Bauwerks einbaut. Dies gilt sogar dann, wenn die Arbeitnehmer der G Montage GmbH – wie von der Arbeitgeberin ohne nähere Substanz behauptet – arbeitszeitlich überwiegend durch Dritte hergestellte Stahlbauteile zusammenfügen, da die tarifliche Norm nicht auf das Material abstellt, aus welchem die Fertigbauteile bestehen. Die Arbeitgeberin hat auch nicht dargelegt, dass die G Montage GmbH ein Gewerbe betreibt, welches nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV eine Ausnahme vom betrieblichen Geltungsbereich begründet.
Das Arbeitsgericht und wohl auch das Landesarbeitsgericht gehen davon aus, dass die G Montage GmbH allein wegen ihrer Mitgliedschaft in der Metallinnung Vogtland aufgrund der Einschränkung der AVE von der Erstreckung der VTV ausgenommen ist. Dies ist rechtsfehlerhaft. Vielmehr verlangt die AVE-Einschränkung neben der festgestellten (mittelbaren) Mitgliedschaft im Bundesverband Metall, dass der maßgebliche Betrieb – hier die G Montage GmbH – im streitgegenständlichen Zeitraum auch dem fachlichen Geltungsbereich – seine Spezialität gegenüber den Tarifverträgen des Baugewerbes unterstellt – des Mantel- oder Rahmentarifvertrags des Metallbauerhandwerks iSd. Anhangs 3 unterfiel und arbeitszeitlich überwiegend entsprechende Tätigkeiten ausübte. Zu diesen Voraussetzungen fehlen jegliche Feststellungen. Das Unterfallen unter die Einschränkung einer AVE kann von den Parteien auch nicht unstreitig gestellt werden, da es sich um eine Rechtsfrage handelt14. Deshalb ist unerheblich, dass auch die Sozialkasse wohl von der Nichterstreckung der VTV ausging und ein zunächst eröffnetes Beitragskonto rückwirkend wieder geschlossen hat. Unstreitig können lediglich Tatsachen über die ausgeübte Tätigkeit der G Montage GmbH gestellt werden; dazu gibt es aber keinen substantiierten Sachvortrag. Einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht bedarf es jedoch nicht.
Eine etwaige für die G Montage GmbH geltende Einschränkung der AVE bzw. des Anwendungsbereichs des SokaSiG schließt die Anwendung des VTV 2014 und VTV 2015 auf den Betrieb der Arbeitgeberin weder aus, noch führt ein solcher Umstand zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV im Hinblick auf den von der Arbeitgeberin unterhaltenen Betrieb zur Herstellung von Fertigbauteilen. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Norm unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Einschränkung der AVE15.
Der Wortlaut der Tarifnorm enthält keine Einschränkung dahin gehend, dass der die Fertigbauteile einbauende oder zusammenfügende Betrieb seinerseits den Rechtsnormen des VTV aufgrund originärer Tarifgebundenheit gemäß §§ 3, 4 Abs. 2 TVG oder einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 4 TVG oder nach dem SokaSiG unterfallen muss.
Eine derartige Einschränkung folgt auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Bestimmungen. Das Tarifmerkmal der Fertigbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV ist dergestalt aufgebaut, dass der zweite Halbsatz an den ersten Halbsatz anknüpft. Danach fällt das Zusammenfügen und Einbauen von Fertigbauteilen ohne Weiteres unter den Begriff der Fertigbauarbeiten. Das Herstellen von Fertigbauteilen soll hingegen nur dann von den Normen der VTV erfasst werden, wenn die hergestellten Fertigbauteile vom selben Betrieb, von einem anderen Betrieb innerhalb eines Unternehmens oder – wie hier – von einem Betrieb eines beteiligten Gesellschafters innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses eingebaut oder zusammengefügt werden. Damit wird die Herstellung von Fertigbauteilen zum Zweck des späteren Einbaus unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls als bauliche Tätigkeit iSd. VTV angesehen und dem isolierten Einbau von Fertigbauteilen nach dem ersten Halbsatz gleichgestellt, so dass der Herstellungsbetrieb ebenfalls unter die VTV fällt.
Auch Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV stehen der Anwendung der Tarifnorm auf den Betrieb der Arbeitgeberin nicht entgegen. Durch die Gesamtbetrachtung von Herstellungs- und Montagetätigkeiten innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses im Bereich des Fertigbaus stellen die Tarifvertragsparteien sicher, dass eine einheitliche bauliche Gesamttätigkeit durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungsformen nicht in der Weise aufgespalten wird, dass die Beschäftigten des Herstellerbetriebs dem Schutz der Rahmen- und Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes entzogen werden, dem sie ohne die arbeitsteilige Aufspaltung innerhalb des Unternehmenszusammenschlusses unterfallen würden. Dieses Verständnis der Tarifnorm setzt zwar voraus, dass es sich – wie vorliegend – bei dem die Fertigbauteile einbauenden oder zusammenfügenden Betrieb um einen Baubetrieb handelt, der dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV unterfällt. Dass sich die Rechtsnormen der VTV hingegen tatsächlich auf diesen Baubetrieb erstrecken, verlangt das tarifliche Regelbeispiel der Fertigbauarbeiten demgegenüber nicht. Dies ist auch nicht erforderlich.
So hat das Bundesarbeitsgericht bereits bei der Auslegung des Begriffs des Unternehmenszusammenschlusses darauf abgestellt, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Umgehung der Tarifunterworfenheit durch die bloße Rechtswahl der gesellschaftsrechtlichen Form der Zusammenarbeit der Unternehmen vermieden werden solle16. Dabei geht es insbesondere um den Schutz der Arbeitnehmer des Herstellungsbetriebs, welche nur deshalb nicht dem Schutz der VTV unterfallen, weil ein anderer Betrieb innerhalb eines Unternehmenszusammenschlusses den Einbau bzw. das Zusammenfügen der von ihnen hergestellten Fertigbauteile übernimmt. Dieser Schutz liefe leer, wenn die Arbeitnehmer des Herstellungsbetriebs aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Organisationsform weder den Tarifverträgen des Baugewerbes noch einem spezielleren Tarifvertrag des von der AVE ausgenommenen Gewerbes unterfielen.
Auch die auf Antrag der Tarifvertragsparteien erfolgte Einschränkung der AVE gebietet kein anderes Verständnis17.
Auf die Einschränkung der AVE und eine Ausnahme vom Geltungsbereich des SokaSiG können sich Betriebe, welche arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich eines am 1.01.2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifvertrags dieser Verbände oder ihrer Mitgliedsverbände genannt sind, nur dann berufen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines den Tarifvertrag schließenden Verbandes sind und wenn darüber hinaus derjenige Tarifvertrag, von welchem der Betrieb erfasst wird, gegenüber den Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes spezieller ist. Der Zweck dieser Einschränkung der AVE besteht somit erkennbar darin, Tarifkonkurrenzen zu vermeiden oder sie aufzulösen18. Mit der Einschränkung einer AVE soll Rechtssicherheit für solche Betriebe hergestellt werden, bei denen sowohl die Zuordnung zum betrieblichen Geltungsbereich der VTV als auch zu dem eines anderen Tarifvertrags möglich ist19.
Um festzustellen, ob eine mögliche Tarifkonkurrenz hinsichtlich der Arbeitgeberin als Herstellungsbetrieb besteht, und um diese ggf. aufzulösen, kommt es aber nicht auf die tarifliche Lage beim Montagebetrieb an. Sinn und Zweck der tariflichen Einbeziehung der Arbeitnehmer des Herstellungsbetriebs von Fertigbauteilen ist es – wie dargelegt – gerade, den tarifvertraglichen Schutz der VTV auf die Arbeitnehmer zu erstrecken, die ohne die gesellschaftsrechtliche Aufgliederung der Betriebe dem Schutz der VTV unterlägen. Nur dann, wenn der Herstellungsbetrieb seinerseits einem spezielleren Tarifvertrag unterfällt, könnte eine Konkurrenz zu den VTV auftreten, die durch die AVE-Einschränkung vermieden werden soll. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin wären bei einer Ausklammerung ihres Betriebs aus dem fachlichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV aufgrund einer anderweitigen Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers des einbauenden Betriebs innerhalb des Unternehmenszusammenschlusses dem Schutz eines Tarifvertrags vielmehr gänzlich entzogen.
Insoweit greift auch das Argument der Arbeitgeberin nicht, dass bei einer einheitlichen Betrachtung, bei welcher die Tätigkeiten des Montagebetriebs mit den Tätigkeiten des Herstellungsbetriebs fiktiv zusammengerechnet würden, der fiktive Mischbetrieb nicht den VTV unterfallen würde. Abgesehen davon, dass in keiner Weise ersichtlich ist, dass bei einer Einbeziehung des Produktionsprozesses der Betonfertigteile etwaige Metallbauarbeiten arbeitszeitlich überwögen und der Manteltarifvertrag des Metallbauerhandwerks in diesem Fall noch als der speziellere Tarifvertrag angesehen werden könnte, wäre dies nur dann der Fall, wenn auch der dann bestehende Mischbetrieb aufgrund eines arbeitszeitlich überwiegenden Anteils metallhandwerklicher Tätigkeiten in den Geltungsbereich eines Mantel- oder Rahmentarifvertrags des Metallbauerhandwerks fiele und darüber hinaus eine Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers gegeben wäre. Allein ein arbeitszeitlich überwiegender Anteil metallhandwerklicher Tätigkeiten, welche gleichzeitig bauliche Tätigkeiten darstellen, reicht demgegenüber für die Herausnahme des Betriebs aus dem Anwendungsbereich der VTV aufgrund einer Einschränkung der AVE nicht aus. Ohne diese tarifliche Konkurrenzsituation für die Arbeitnehmer des Herstellungsbetriebs bleibt es vielmehr bei der Anwendbarkeit der VTV und der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 VTV.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. November 2022 – 10 AZR 458/21
- zur Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG vgl. BVerfG 11.08.2020 – 1 BvR 2654/17, Rn. 14 ff.[↩]
- zur Wirksamkeit der AVE vgl. BAG 21.03.2018 – 10 ABR 62/16, BAGE 162, 166; 20.11.2018 – 10 ABR 12/18[↩]
- BAnz. AT 17.05.2019 B1[↩]
- st. Rspr., zB BAG 27.01.2021 – 10 AZR 138/19, Rn. 18 mwN, BAGE 174, 35[↩]
- st. Rspr., zB BAG 14.07.2021 – 10 AZR 135/19, Rn. 23 mwN[↩]
- Hess.LAG 07.09.2021 – 12 Sa 143/121 SK[↩]
- BAG 28.04.2021 – 10 AZR 34/19, Rn. 41 mwN[↩]
- Hess.LAG 07.09.2021 – 12 Sa 143/21 SK[↩]
- vgl. BAG 18.10.2006 – 10 AZR 576/05, Rn. 26, BAGE 120, 1[↩]
- vgl. BAG 2.08.2006 – 10 AZR 688/05, Rn. 27 mwN, BAGE 119, 170[↩]
- vgl. insgesamt dazu BAG 18.10.2006 – 10 AZR 657/05, Rn.19 ff. mwN[↩]
- BAG 18.10.2006 – 10 AZR 657/05, Rn. 23 mwN[↩]
- vgl. dazu BAG 18.10.2006 – 10 AZR 657/05, Rn. 17[↩]
- vgl. dazu zB BAG 22.06.2022 – 4 AZR 495/21, Rn. 32[↩]
- zu den Auslegungsgrundsätzen bei Tarifverträgen vgl. BAG 11.11.2020 – 4 AZR 210/20, Rn.20[↩]
- vgl. BAG 18.10.2006 – 10 AZR 657/05, Rn.20 mwN[↩]
- zu den Grundsätzen der Auslegung einer AVE vgl. BAG 12.05.2010 – 10 AZR 559/09, Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. BAG 29.09.2010 – 10 AZR 523/09, Rn. 17; 23.06.2004 – 10 AZR 470/03, zu II 2 c cc der Gründe[↩]
- BAG 17.10.2012 – 10 AZR 500/11, Rn. 23[↩]