Höchstaltersgrenze in der betrieblichen Altersversorgung

Eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat, verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und ist deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

Höchstaltersgrenze in der betrieblichen Altersversorgung

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall werden nach § 2 Abs. 1 der Versorgungsordnung alle fest angestellten Mitarbeiter mit Ausnahme der Vorstandsmitglieder, der geringfügig Teilzeitbeschäftigten im Sinne des § 8 SGB IV und der ausgeschiedenen Mitarbeiter im Vorruhestand, die das 20. Lebensjahr vollendet haben, eine mindestens zehnjährige anrechnungsfähige Dienstzeit (Wartezeit) nachweisen können sowie zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, von der Versorgungsordnung erfasst. Ist der Mitarbeiter infolge einer Verschmelzung von der Beklagten übernommen worden, werden nach § 16 Satz 2 der Versorgungsordnung die ab der Verschmelzung in den Diensten der Beklagten erbrachten Dienstzeiten für die anrechnungsfähige Wartezeit berücksichtigt.

Die Klägerin erfüllte die in § 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Versorgungsordnung genannten Voraussetzungen. Sie hat das 20. Lebensjahr vollendet und kann eine mindestens zehnjährige anrechnungsfähige Dienstzeit (Wartezeit) nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 der Versorgungsordnung nachweisen. Die Klägerin hat gemäß § 16 Satz 2 iVm. § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung ab dem Zeitpunkt der Verschmelzung der H Bank eG auf die Beklagte am 1.01.1999 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30.06.2010 mehr als zehn ununterbrochene Dienstjahre in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten verbracht. Sie hatte zwar entgegen § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung zum Zeitpunkt der Erfüllung der Wartezeit das 55. Lebensjahr bereits vollendet. Dies steht ihrer Versorgungsberechtigung jedoch nicht entgegen. Die Regelung in § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie bewirkt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist im Streitfall anwendbar.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält1. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14.08.20062, das am 17.08.2006 verkündet wurde, trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz am 18.08.2006 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt stand die Klägerin noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.

§ 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die Regelung bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam3.

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§ 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung sind Mitarbeiter nur dann versorgungsberechtigt, wenn sie zum Zeitpunkt der Erfüllung der zehnjährigen Wartezeit noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben. Die Regelung führt dazu, dass Mitarbeiter, die bei Beginn der zehnjährigen Wartezeit und damit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten (vgl. § 3 Abs. 2, § 16 Satz 2 der Versorgungsordnung) das 45. Lebensjahr vollendet haben, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung ausgeschlossen sind. Damit erfahren Mitarbeiter, die – wie die Klägerin – bei Beginn ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten das 45. Lebensjahr bereits vollendet haben, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung als Mitarbeiter, die zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Die durch § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung bewirkte Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in älteren Entscheidungen die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 20 Jahren bis zum 65. Lebensjahr als Voraussetzung für den Bezug von Altersrente für zulässig gehalten4. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesarbeitsgericht jedoch nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht fest.

Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und damit auch zur betrieblichen Altersversorgung und für den Bezug von Altersrente grundsätzlich als ein von einem legitimen Ziel getragenes Mittel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein soll. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein5.

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§ 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf6 in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar7.

Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Mitgliedstaaten sind demnach, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist somit unionsrechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt8.

Diesen Vorgaben genügt § 10 AGG. Es kann offenbleiben, ob Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der für die Mitgliedschaft in einem System der betrieblichen Altersversorgung oder den Bezug von Altersrente bestimmten Altersgrenze erfordert9. Sollte dies der Fall sein, hätte der nationale Gesetzgeber Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu unverändert in das nationale Recht übernommen. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Gesetzgeber, indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet und somit § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG für anwendbar erklärt hat, sogar über die Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Zwar findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Einschränkung „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, nicht wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes führen10. Dies ergibt sich auch daraus, dass eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt, nicht iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein kann. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer betrieblichen Altersversorgung oder die Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Der Gesetzgeber muss die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln, sondern kann Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen11.

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Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu fördern, hat der Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung in Versorgungsordnungen das Mittel der Festsetzung von Altersgrenzen für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrenten zur Verfügung gestellt. Von dieser Möglichkeit kann grundsätzlich auch der einzelne Arbeitgeber bei der Schaffung von Versorgungsregelungen Gebrauch machen. Allerdings muss die konkret festgelegte Altersgrenze nach § 10 Satz 2 AGG angemessen sein12.

Danach ist der durch § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung bewirkte Ausschluss von Mitarbeitern, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten das 45. Lebensjahr vollendet haben, aus dem Kreis der nach der Versorgungsordnung Versorgungsberechtigten nicht gerechtfertigt iSv. § 10 AGG.

Dem Arbeitgeber steht zwar bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen – wozu auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählen – ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu. Dies ist seiner Bereitschaft geschuldet, sich freiwillig zu einer von ihm zu finanzierenden betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten. Durch die Festlegung der Voraussetzungen für die Aufnahme in ein betriebliches System der Altersversorgung wird zudem der Dotierungsrahmen des Arbeitgebers bestimmt. Diese Gestaltungsfreiheit eröffnet dem Arbeitgeber grundsätzlich auch die Möglichkeit, altersabhängige Zugangsvoraussetzungen für die Aufnahme in den von der Versorgungsordnung begünstigten Personenkreis festzulegen. Der Arbeitgeber darf jedoch bei der Festlegung einer altersabhängigen Zugangsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Versorgungs, sondern auch Entgeltcharakter hat und eine altersabhängige Zugangsvoraussetzung dazu führt, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer für die gesamte von ihnen geleistete Betriebstreue keine betriebliche Altersversorgung erhalten13. Eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, ist damit nicht zu vereinbaren.

Danach ist der durch § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung bewirkte Ausschluss von Mitarbeitern, die bei Erfüllung der zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet haben, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG. Die Regelung berücksichtigt die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nur unzureichend. Sie führt dazu, dass Arbeitnehmer, die bei Beginn ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bereits das 45. Lebensjahr vollendet haben, keine Versorgungsanwartschaften mehr erwerben können. Das hat typischerweise zur Folge, dass diese Arbeitnehmer nur bis zur Vollendung des 45. Lebensjahrs Zeit haben, Betriebsrentenanwartschaften bei anderen Arbeitgebern zu erdienen. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst und der Zeitraum von der Vollendung des 45. Lebensjahrs bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze mindestens 20 Jahre beträgt, führt die Regelung in § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung dazu, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften mehr erworben werden können. Dies kann auch unter Berücksichtigung des Interesses des Arbeitgebers, nur denjenigen Arbeitnehmern Versorgungsleistungen zuzusagen, die noch eine längerfristige Betriebstreue erbringen können, nicht als angemessen angesehen werden. Dieses Interesse des Arbeitgebers rechtfertigt es nicht, Arbeitnehmern, die dem Betrieb während der Hälfte eines typischen Erwerbslebens angehören, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vorzuenthalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Ausschluss von Mitarbeitern, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 45. Lebensjahr vollendet haben, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch weder ein geeignetes noch ein erforderliches Mittel, um auf eine ausgewogene Altersstruktur im Unternehmen hinzuwirken. Es erschließt sich nicht, weshalb es ein Anreiz für jüngere Arbeitnehmer sein soll, ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu begründen, weil ältere Arbeitnehmer von den betrieblichen Altersversorgungsleistungen ausgenommen werden. Eine Bestimmung, die bewirkt, dass Arbeitnehmer, die noch mindestens 20 Jahre betriebstreu sein können, von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden, ist daher auch unter Berücksichtigung des zu respektierenden Gestaltungs- und Ermessensspielraumes des Arbeitgebers nicht mehr hinnehmbar. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, dass § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung das Versorgungsrisiko bei der Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung eingrenzen soll, vermag dies jedenfalls einen Ausschluss von den Leistungen der Altersversorgung nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen sind für den Personenkreis, dem die Klägerin angehört, Leistungen der Hinterbliebenenversorgung ohnehin nach § 1 Abs. 4 Satz 2 der Versorgungsordnung ausgeschlossen.

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Der Verstoß von § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG hat zur Folge, dass die Regelung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist. Eine ergänzende Auslegung der Versorgungsordnung dahin, dass Mitarbeiter, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses bereits das 55. Lebensjahr vollendet haben, nicht versorgungsberechtigt sind, kommt entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung nicht in Betracht. Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist14. Dies ist hier nicht der Fall. Die Unwirksamkeit von § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung hat nicht zur Folge, dass die Mitarbeiter der Beklagten ohne Rücksicht auf ihr Alter zu Beginn der anrechnungsfähigen Dienstzeit versorgungsberechtigt wären. Vielmehr sind nach § 2 Abs. 1 Buchst. b der Versorgungsordnung Mitarbeiter, die bei Eintritt des Versorgungsfalls keine zehnjährige Dienstzeit bei der Beklagten nachweisen können, nicht versorgungsberechtigt. Die Regelung schließt damit in zulässiger Weise Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des Diensteintritts bei der Beklagten aufgrund ihres Alters die zehnjährige Wartezeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr erfüllen können, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus15.

Das Bundesarbeitsgericht kann über die Vereinbarkeit von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG sowie § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung mit Unionsrecht selbst entscheiden. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Auslegung des den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugrunde liegenden unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG zu dessen Konkretisierung ist durch die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache „Kücükdeveci“16 und in der Rechtssache „Prigge ua.“17 geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt18. Einer Vorabentscheidung zur Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedarf es ebenfalls nicht. Es kann dahinstehen, ob eine für die Mitgliedschaft in einem System der betrieblichen Altersversorgung oder den Bezug von Altersrente bestimmte Altersgrenze nach den Vorgaben in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss oder ob es einer solchen Prüfung nicht bedarf19; denn die Regelung in § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung ist nicht angemessen und damit nicht verhältnismäßig. Ob eine Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG sachlich gerechtfertigt ist, ist von den nationalen Gerichten zu prüfen20.

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Der von der Beklagten erstmals in der Revision erhobene Einwand, das Altersversorgungswerk wäre ohne die Zugangsbeschränkung nach § 2 Abs. 1 Buchst. c der Versorgungsordnung aus finanziellen Gründen vorzeitig geschlossen worden, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revision grundsätzlich unzulässig ist. Eine Verletzung der Hinweispflicht seitens des Landesarbeitsgerichts, auf die sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht berufen hat, hätte innerhalb der Frist zur Begründung der Revision gerügt werden müssen. Zum anderen wäre das Vorbringen der Beklagten – ungeachtet der Frage, ob es überhaupt hinreichend substantiiert ist – unbeachtlich. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Befugnis zur Anpassung eines Versorgungswerks wegen Störung der Geschäftsgrundlage bestehen, wenn sich die zugrunde gelegte Rechtslage nach Schaffung des Versorgungswerks wesentlich und unerwartet geändert und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen Mehrbelastungen geführt hat (Äquivalenzstörung)21. Eine Störung der Geschäftsgrundlage begründet jedoch lediglich ein nach billigem Ermessen auszuübendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, durch das das Versorgungswerk insgesamt an die geänderten Grundlagen angepasst werden kann22. Eine etwaige Anpassung der Versorgungsordnung wegen einer wesentlichen Überschreitung des ursprünglich zugrunde gelegten Dotierungsrahmens könnte daher nicht zur Folge haben, dass die gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoßende Regelung weitergilt. Vielmehr wäre eine mit dem geltenden Recht vereinbare, die finanziellen Belange der Beklagten berücksichtigende Neuregelung zu treffen.

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Der Klägerin steht damit nach § 5 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 14 Abs. 1 der Versorgungsordnung ab dem 1.07.2010 ein Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersrente in unstreitiger Höhe von 113, 66 Euro brutto monatlich zu. Sie hat am 19.06.2010 das für sie nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI als Regelaltersgrenze maßgebliche 65. Lebensjahr vollendet und ist am 30.06.2010 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 der Versorgungsordnung ist die Betriebsrente am jeweiligen Monatsende zahlbar. Die Klägerin hat die Zahlung der betrieblichen Altersrente allerdings erst zum jeweiligen Monatsende des Folgemonats beantragt. Hieran ist das Bundesarbeitsgericht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO gebunden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2014 – 3 AZR 69/12

  1. BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 16; 11.12 2007 – 3 AZR 249/06, Rn. 22 ff., BAGE 125, 133[]
  2. BGBl. I S. 1897[]
  3. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn.20 mwN[]
  4. vgl. BAG 7.07.1977 – 3 AZR 570/76, BAGE 29, 227; 14.01.1986 – 3 AZR 456/84, zu II 1 der Gründe, BAGE 50, 356[]
  5. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 22 mwN[]
  6. ABl. EG L 303 vom 02.12 2000 S. 16, im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG[]
  7. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 23 mwN[]
  8. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 24 mwN[]
  9. vgl. EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 07.02.2013 in der Rechtssache – C-476/11 – [HK Danmark][]
  10. BT-Drs. 16/1780 S. 36[]
  11. vgl. EuGH 16.10.2007 – C-411/05 – [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8531; BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 25 mwN[]
  12. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 26[]
  13. vgl. etwa BAG 12.11.2013 – 3 AZR 356/12, Rn. 28 mwN[]
  14. BAG 19.05.2010 – 4 AZR 796/08, Rn. 23, BAGE 134, 283; 9.12 2008 – 3 AZR 431/07, Rn. 25[]
  15. vgl. zur Zulässigkeit einer mindestens 15-jährigen Wartezeit bis zur Regelaltersgrenze BAG 12.02.2013 – 3 AZR 100/11, Rn. 23 ff.[]
  16. EuGH 19.01.2010 – C-555/07, Slg. 2010, I-365[]
  17. EuGH 13.09.2011 – C-447/09, Slg. 2011, I-8003[]
  18. vgl. EuGH 6.10.1982 – C-283/81 – [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415[]
  19. vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 07.02.2013 in der Rechtssache – C-476/11 – [HK Danmark][]
  20. vgl. EuGH 5.03.2009 – C-388/07 – [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569[]
  21. vgl. etwa BAG 19.02.2008 – 3 AZR 290/06, Rn. 18, BAGE 126, 1[]
  22. vgl. BAG 22.10.2002 – 3 AZR 496/01, zu I 1 d dd der Gründe[]