Die Kosten für die Reinigung der von den Arbeitnehmern in der Lebensmittelindustrie nach Anhang II Kap. VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 zu tragenden Hygienekleidung sind keine Aufwendungen im Interesse der Arbeitnehmer iSv. § 670 BGB. Der Arbeitgeber hat deshalb gegenüber seinen Arbeitnehmern keinen Anspruch auf Erstattung der verauslagten Reinigungskosten als Aufwendungsersatz.

Allein daraus, dass sich ein Arbeitnehmer nicht gegen Abzüge von seiner Vergütung wehrt, kann nicht geschlossen werden, er wolle mit seinem Arbeitgeber eine konkludente Vereinbarung über die Berechtigung eines dauerhaften Abzugs treffen.
Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine solche Vereinbarung überhaupt wirksam wäre.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall berief sich die Arbeitgeberin allein darauf, der Arbeitnehmer habe über Jahre den Abzug der Reinigungskosten von seiner Vergütung nicht beanstandet. Damit sei eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen.
Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung ist nicht ersichtlich und wird von der Arbeitgeberin auch nicht behauptet.
Anhaltspunkte für eine konkludente Vereinbarung sind für das Bundesarbeitsgericht ebenfalls nicht gegeben. Allein die Hinnahme der Abzüge von der Vergütung lässt nicht auf einen vertraglichen Erklärungswillen des Arbeitnehmers schließen.
Ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann, ist danach zu beurteilen, wie der Erklärungsempfänger dies nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte1.
Hierzu müsste sich aus den gesamten erkennbaren Umständen ergeben, dass dem Arbeitnehmer überhaupt bewusst gewesen sein musste, für den Abzug der Reinigungskosten bedürfe es einer vertraglichen Grundlage. Hierzu sind keine Tatsachen festgestellt. Im Übrigen vereinbarten die Parteien während des schon laufenden Arbeitsverhältnisses in § 11 des schriftlichen Arbeitsvertrags für die Zeit ab dem 4.12 1998, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen. Damit wird deutlich, dass beide Parteien erkennbar nicht das Bewusstsein hatten, mit den Abzügen würden konkludent rechtsgeschäftliche Abreden getroffen.
Ebenso kann die Kostentragungspflicht des Arbeitnehmers nicht aus betrieblicher Übung folgen. Eine Betriebsübung zuungunsten der Arbeitnehmer scheidet aus2.
Der Anspruch der Arbeitgeberin folgt nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 670 BGB.
Gemäß § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im Arbeitsverhältnis gilt. Wer im Interesse eines anderen Aufwendungen macht, für die er keine Vergütung erhält, kann Ersatz der Aufwendungen von demjenigen verlangen, für den er tätig geworden ist3. § 670 BGB kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden. Voraussetzung ist, dass es sich um Aufwendungen zum Zwecke der Ausführung des Auftrags handelt, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Macht etwa der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet4.
Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 670 BGB liegen nicht vor. Die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung sind keine Aufwendungen, die die Arbeitgeberin im Interesse des Arbeitnehmers tätigt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Arbeitgeberin ist rechtlich verpflichtet, Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen. Deren Reinigung erfolgt deshalb im eigenen und nicht im Fremdinteresse.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, jede Schutzkleidung, die aus hygienischen Gründen getragen werden müsse, sei Vorrichtung iSd. § 618 Abs. 1 BGB, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellen müsse.
§ 618 BGB bezweckt den Schutz des Dienstleistenden vor den mit der Dienstleistung verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit, die von den technischen Einrichtungen des Betriebs her drohen5. § 618 BGB ist Teilregelung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers6. Hygienekleidung unterfällt deshalb nur dem Anwendungsbereich des § 618 BGB, wenn sie dem Schutz des Arbeitnehmers dienen soll. Ob dies vorliegend der Fall ist, lässt sich wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen.
Schutzkleidung nach der Biostoffverordnung (BioStoffV) dient dem Schutz der Beschäftigten. Das Landesarbeitsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Arbeitnehmer mit biologischen Arbeitsstoffen iSv. § 2 Abs. 1 BioStoffV Kontakt hat. Biologische Arbeitsstoffe sind Mikroorganismen und andere Krankheitserreger, die beim Menschen Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können (Broschüre „Biostoffverordnung – Ratgeber für Arbeitgeber und Beschäftigte“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). So wurde der Beschluss 602 des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe „Spezielle Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch BSE/TSE-Erreger“ aufgehoben, da in den Jahren 2010 und 2011 keine BSE-Fälle in Deutschland registriert wurden und aufgrund der getroffenen Vorsorgemaßnahmen eine Gefährdung der Beschäftigten durch BSE/TSE-Erreger im Bereich Schlachtbetriebe und Tierkörperbeseitigungsanstalten nicht weiter zu erkennen war7.
Die Pflicht der Arbeitgeberin, den Beschäftigten saubere und geeignete Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen, folgt vielmehr aus den einschlägigen Vorschriften zur Lebensmittelhygiene.
Die Pflicht zum Tragen der Hygienekleidung ergibt sich aus Anhang II Kap. VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über Lebensmittelhygiene, die seit 2006 in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt8. Diese Anforderung wird durch Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) bestätigt. Nach beiden Regelungen müssen Personen, die mit Primärerzeugnissen umgehen (Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 LMHV) oder die in einem Bereich arbeiten, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird (Anhang II Kap. VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004), geeignete und saubere Arbeitskleidung tragen. Nach Nr. 5.1 der Anlage 1.1 „Allgemeine Anforderungen an die Zulassung von Betrieben“ der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV Lebensmittelhygiene – AVV LmH) ist die Arbeitskleidung geeignet, wenn sie zum Beispiel hell, leicht waschbar und sauber ist und die persönliche Kleidung vollständig bedeckt.
Die Vorschriften sind für den Schlachtbetrieb der Arbeitgeberin einschlägig.
Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer, die nicht in der Primärproduktion, sondern auf Produktions, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen tätig sind, die allgemeinen Anforderungen gemäß Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 zu erfüllen. Schlachtbetriebe sind nicht in der Primärproduktion tätig, da sie keine Primärerzeugnisse iSv. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 herstellen. Sie betreiben keine Tierhaltung. Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 LMHV gilt für Personen, die mit Primärerzeugnissen umgehen. Diese Voraussetzung ist bei einem Schlachtbetrieb erfüllt, da dort mit den Tieren als Primärerzeugnissen umgegangen wird.
Die Pflicht, Hygienekleidung zu tragen, hat der Lebensmittelunternehmer zu gewährleisten. Dies gehört zu seinem Verantwortungsbereich. Nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 haben die Lebensmittelunternehmer sicherzustellen, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die einschlägigen Hygienevorschriften dieser Verordnung erfüllt sind. Deren Erfüllung ist nach § 2 Abs. 4 AVV LmH Voraussetzung für die behördliche Zulassung des Betriebs. Damit gehört das Tragen von sauberer Hygienekleidung zum Pflichtenkreis der Arbeitgeberin.
Der Arbeitnehmer hat nach § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung der von Januar 2011 bis Februar 2014 zu Unrecht einbehaltenen 10, 23 Euro monatlich und damit auf insgesamt 388, 74 Euro.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juni 2016 – 9 AZR 181/15
- vgl. BAG 24.06.2010 – 6 AZR 75/09, Rn. 23; BGH 7.06.1984 – IX ZR 66/83, zu I 1 a der Gründe, BGHZ 91, 324[↩]
- ErfK/Preis 16. Aufl. § 611 BGB Rn. 225a[↩]
- vgl. BAG GS 10.11.1961 – GS 1/60, zu B VII der Gründe, BAGE 12, 15[↩]
- BAG 12.03.2013 – 9 AZR 455/11, Rn. 7 f.[↩]
- MünchKomm-BGB/Henssler 6. Aufl. § 618 Rn. 1[↩]
- vgl. BAG 10.03.1976 – 5 AZR 34/75, zu 1 der Gründe[↩]
- GMBl.2012 S. 382[↩]
- vgl. Wiemers/Ghaedi AuA 2016, 154, 156[↩]