Internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung1.

Internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte

§ 545 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Diese Regelung bezieht sich ungeachtet ihres weit gefassten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit2.

Zuständigkeit nach der EuGVVO

Die  Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Verordnung Nr. 1215/2012; EuGVVO nF) hebt nach ihrem Art. 80 Satz 1 die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Europäischen Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Verordnung Nr. 44/2001; EuGVVO aF) auf und ersetzt diese. Nach Art. 66 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 gilt die Verordnung Nr. 44/2001 jedoch weiterhin für Entscheidungen, die in vor dem 10.01.2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergehen3.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insoweit – soweit ersichtlich – bisher nicht geklärt, ob es entsprechend Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist4, oder ob nach der lex fori dessen Zustellung maßgeblich ist5.

Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit hat der Arbeitnehmer die Klageschrift am 17.03.2014 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereicht. Sofern auf diesen Zeitpunkt abzustellen sein sollte, wäre die Verordnung Nr. 44/2001 anzuwenden. Sofern es dagegen auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 26.07.2018 ankommen sollte, wäre die internationale Zuständigkeit nach der Verordnung Nr. 1215/2012 zu bestimmen. Im vorliegenden Verfahren kann indes dahinstehen, nach welcher Verordnung sich die internationale Zuständigkeit bestimmt, da nach beiden Verordnungen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben ist.

Nach der Verordnung Nr. 1215/2012 sind die deutschen Gerichte international zuständig. Das folgt aus Art. 6 Abs. 1, Art. 23 und 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 iVm. der arbeitsvertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien.

Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 ist nach deren Art. 1 eröffnet. Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine Zivilsache iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, eine Steuersache nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin nicht gegeben.

Der Begriff der „Zivil- und Handelssachen“ iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist verordnungsautonom auszulegen6. Um festzustellen, ob ein Rechtsgebiet in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt, müssen das zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehende Rechtsverhältnis bestimmt und die Grundlage der erhobenen Klage sowie die Modalitäten ihrer Erhebung geprüft werden7. Wie ua. aus dem 10. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1215/2012 hervorgeht, verlangen die Erfordernisse, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und es im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege zu vermeiden, dass in den Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen, eine weite Auslegung des genannten Begriffs der „Zivil- und Handelssachen“8.

Danach handelt es sich bei dem Rechtsstreit der Parteien um eine Zivilsache iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, eine Steuersache nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 liegt – anders als die Arbeitgeberin meint – nicht vor. Eine Steuersache in diesem Sinn kann beispielsweise anzunehmen sein, wenn eine Behörde gegenüber einer Privatperson in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig wird9. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten dagegen Privatpersonen über einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer geltend gemachten Verletzung eines individuellen Arbeitsvertrags. Aus dem Umstand, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch einen Bezug zu steuerrechtlichen Fragen aufweist, folgt nicht, dass eine Steuersache iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 anzunehmen wäre. Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/201210.

Der für die Anwendung der Verordnung Nr. 1215/2012 erforderliche Auslandsbezug ist gegeben11. Der Arbeitnehmer hat seinen Wohnsitz in Berlin, während die Arbeitgeberin ihren Wohnsitz im Ausland hat. Nach Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 haben juristische Personen für die Anwendung der Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Danach hat die Arbeitgeberin keinen Wohnsitz in Deutschland, weil ihr Sitz in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten liegt.

Mangels Wohnsitzes der Arbeitgeberin im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012. Danach bestimmt sich die Zuständigkeit des Gerichts eines jeden Mitgliedstaats zwar nach dessen eigenem Recht, wenn der Arbeitgeberin keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat. Dies gilt allerdings nur vorbehaltlich der in Art. 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 und Art. 24 und 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 getroffenen Bestimmungen. Damit sind nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 auch für Arbeitgeberin, die ihren Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat haben, die Regelungen in Art. 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 über Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden.

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Zuständigkeit mittels Gerichtsstandsvereinbarung

Die Parteien haben in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags wirksam die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vereinbart. Die von ihnen in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffene Gerichtsstandsvereinbarung wird den Vorgaben des Art. 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 gerecht.

Nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 muss sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf eine entstandene Streitigkeit oder auf künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Streitigkeiten beziehen12. Zudem darf die Vereinbarung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats nicht materiell nichtig sein. Die Regelung in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags entspricht dieser Vorgabe, denn sie bezieht sich auf künftige Streitigkeiten „aus und im Zusammenhang“ mit dem Arbeitsvertrag und damit aus einem bestimmten Rechtsverhältnis. Dafür, dass die Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem Recht materiell nichtig wäre, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Gerichtsstandsvereinbarung wurde auch formwirksam „schriftlich“ iSv. Art. 25 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 in einem von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag geschlossen.

Die in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht nach Art. 25 Abs. 4 iVm. Art. 15 oder Art.19 der Verordnung Nr. 1215/2012 unwirksam; ebenso wenig sind andere als deutsche Gerichte nach Art. 24 der Verordnung Nr. 1215/2012 ausschließlich zuständig.

Die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt sich, da es sich nicht um eine Klage in einer Versicherungssache iSv. Abschn. 3 des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 handelt, nicht nach deren Art. 15. Eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit anderer als der deutschen Gerichte nach Art. 24 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist ebenfalls nicht gegeben.

Die in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ist auch nicht an den Vorgaben des Art.19 der Verordnung Nr. 1215/2012 zu messen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist keine Verbrauchersache iSv. Art. 17 der Verordnung Nr. 1215/2012, vielmehr bildet ein Anspruch aus einem Arbeitsvertrag iSv. Art.20 der Verordnung Nr. 1215/2012 den Gegenstand des Verfahrens, so dass sich die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht nach Art.19, sondern nach Art. 23 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt.

Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 liegt eine Verbrauchersache vor, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Ob der Begriff „beruflich“ lediglich selbständige Tätigkeiten erfasst oder ob hierunter auch abhängige Tätigkeiten, insbesondere die Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis fallen, ist zwar streitig13.

Im vorliegenden Verfahren kann diese Frage allerdings dahinstehen, da die Parteien über einen Anspruch aus einem individuellen Arbeitsvertrag streiten, weshalb die im Abschn. 5 des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 für individuelle Arbeitsverträge getroffenen Bestimmungen, hier Art. 23 der Verordnung Nr. 1215/2012 zur Anwendung kommen, die abschließenden Charakter haben14.

Nach dem verordnungsautonomen Verständnis setzt ein „individueller Arbeitsvertrag“ eine dauerhafte Beziehung voraus, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Unternehmens oder des Arbeitgebers eingegliedert wird15. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält16. Danach streiten die Parteien über einen Anspruch aus einem individuellen Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer begehrt von der Arbeitgeberin Schadensersatz wegen einer von ihm geltend gemachten Verletzung einer Pflicht aus einem Arbeitsvertrag der Parteien iSv. Art.20 der Verordnung Nr. 1215/2012.

Die Gerichtsstandsvereinbarung in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags ist nicht nach Art. 25 Abs. 4 iVm. Art. 23 der Verordnung Nr. 1215/2012 unwirksam. Da die Gerichtsstandsvereinbarung vor der Entstehung der Streitigkeit getroffen wurde, richtet sich ihre Zulässigkeit nach Art. 23 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012. Danach kann von den Vorschriften dieses Abschnitts im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden, wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen.

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Insoweit wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Gerichtsstandsvereinbarung iSv. Art. 23 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, die die Befugnis einräume, „andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen“, sei von vornherein ausgeschlossen, wenn eine ausschließliche Zuständigkeit vereinbart werde17. Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber angenommen, dass die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands dann nicht nach Art. 23 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 unwirksam sei, wenn kein Gerichtsstand für individuelle Arbeitsverträge nach Abschn. 5 des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 gegeben sei. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts spricht zwar viel für eine Wirksamkeit der Vereinbarung einer ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 23 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, wenn – wie vorliegend – durch Art.20 ff. der Verordnung Nr. 1215/2012 kein Gerichtsstand begründet wird, der den betroffenen Arbeitnehmern entzogen werden könnte. In einem solchen Fall kann den Arbeitnehmern nämlich nicht der Schutz der Zuständigkeitsregelungen nach der Verordnung Nr. 1215/2012 genommen werden18. Für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit kann aber dahinstehen, ob Vereinbarungen eines ausschließlichen Gerichtsstands, die vor Entstehung der Streitigkeit getroffen worden sind, nach Art. 23 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 unwirksam sind.

Gerichtsstandsvereinbarung und die Rom-I-VO

 Die Parteien haben in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags keine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart. Dies ergibt die Auslegung von Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags nach deutschem Recht und dabei nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen und vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen.

Die Auslegung der in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung hat nach deutschem Recht zu erfolgen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich das für die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht nach den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) – in unmittelbarer oder analoger Anwendung – oder nach dem am Ort des angerufenen Gerichts geltenden Recht (lex fori) bestimmt.

Die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung könnte sich nach dem für den Hauptvertrag, hier den Arbeitsvertrag im Übrigen anwendbaren Recht (Vertragsstatut) richten19, das sich seinerseits grundsätzlich nach den Regelungen der Rom-I-Verordnung in unmittelbarer Anwendung bestimmt. Vor dem Hintergrund der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Rom-I-Verordnung getroffenen Regelung, wonach Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung ausgenommen sind, wird teilweise eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der Rom-I-Verordnung befürwortet20. Die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung könnte jedoch auch nach dem am Ort des angerufenen Gerichts geltenden Recht (lex fori)21 vorzunehmen sein. Da nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. der Verordnung Nr. 1215/2012 die durch Vereinbarung gewählten Gerichte zuständig sind, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Mitgliedstaats materiell ungültig“, könnte einiges dafür sprechen, dass auch die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des Staats vorzunehmen ist, in dem sich das oder die prorogierten Gerichte befinden. Danach wäre die Gerichtsstandsvereinbarung zweifellos nach deutschem Recht auszulegen. Aber auch eine – unmittelbare oder entsprechende – Anwendung der Bestimmungen der Rom-I-Verordnung würde zu demselben Ergebnis führen.

Der Anwendungsbereich der Rom-I-Verordnung ist nach seinem Art. 1 Abs. 1 eröffnet. Danach gilt die Verordnung für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen; sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Bei dem Streit der Parteien um einen Schadensersatzanspruch aus einem Arbeitsverhältnis handelt es sich um eine Zivilsache iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Rom-I-Verordnung, eine Steuersache liegt nicht vor. Das Arbeitsverhältnis der Parteien weist auch eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten auf.

Die Rom-I-Verordnung ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach ihrem Art. 28 wird die Rom-I-Verordnung auf Verträge angewandt, die ab dem 17.12.2009 geschlossen worden sind22. Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde im Mai 2010 geschlossen.

Die Parteien haben in Nr. 11.1 des Arbeitsvertrags wirksam vereinbart, dass der Arbeitsvertrag deutschem Recht unterliegt.

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Rom-I-Verordnung unterliegen Verträge nach dem Grundsatz der Vertragsautonomie im Kollisionsrecht dem von den Parteien gewählten Recht23.

Die Rechtswahl der Parteien darf nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 der Rom-I-Verordnung allerdings nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 der Rom-I-Verordnung mangels einer Rechtswahl auf den Vertrag anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Danach sind in einem ersten Schritt das mangels einer Rechtswahl anzuwendende Recht und die Vorschriften, von denen nach diesem Recht nicht abgewichen werden darf, zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist sodann das Schutzniveau, das dem Arbeitnehmer nach diesen Vorschriften zukommt, mit dem des von den Parteien gewählten Rechts zu vergleichen. Wenn das in diesen Vorschriften vorgesehene Schutzniveau einen besseren Schutz als das gewählte Recht gewährleistet, sind diese Vorschriften anzuwenden24. Im Ergebnis ist demnach ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen zwischen den zwingenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts, die dem Arbeitnehmer Schutz gewähren, und denen der gewählten Rechtsordnung25.

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Hätten die Parteien keine Rechtswahl getroffen, wäre auf ihr Arbeitsverhältnis turkmenisches Recht anzuwenden.

Ohne Rechtswahl unterliegt der Arbeitsvertrag nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Rom-I-Verordnung regelmäßig dem Recht des Staats, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Damit wäre auf das Arbeitsverhältnis bei objektiver Anknüpfung turkmenisches Recht anzuwenden, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in Turkmenistan zu verrichten hatte. Aus Art. 8 Abs. 4 der Rom-I-Verordnung folgt nichts Abweichendes. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich nicht, dass das Arbeitsverhältnis eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufwiese, so dass das Recht dieses anderen Staats anzuwenden wäre.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass das turkmenische Haftungsrecht nicht erkennbar mit unabdingbaren Regelungen arbeitnehmerschützend über das deutsche Recht hinausgeht.

Der unter Rn. 44 angeführte (Günstigkeits)Vergleich ist mit Blick auf die vom Landesarbeitsgericht ermittelten Vorschriften des turkmenischen Rechts durchzuführen. Zwar handelt es sich bei diesen nicht um „Tatsachen“, sondern um das anzuwendende (ausländische) Recht. Das Revisionsgericht darf deshalb auch ohne eine formelle Verfahrensrüge weitergehende Ermittlungen anstellen. Das ist jedoch nur dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach dem ausländischen Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt26. Die Anforderungen an die Ermittlung ausländischen Rechts durch die Tatsacheninstanzen hängen davon ab, wie detailliert die Parteien zur ausländischen Rechtspraxis vortragen27. Vorliegend haben die Parteien nicht näher zum turkmenischen Arbeitsrecht vorgetragen, so dass keine hohen Anforderungen an die Ermittlung des ausländischen Rechts gestellt werden können. Das Landesarbeitsgericht durfte sich zur Ermittlung turkmenischen Arbeitsrechts auf den Aufsatz von Tiede/Baron zur Einführung in das Arbeitsrecht Turkmenistans beschränken28. Nachdem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Rechtslage nach turkmenischem Recht anders darstellt, als vom Landesarbeitsgericht vorausgesetzt, waren weitere Ermittlungen durch das Bundesarbeitsgericht nicht geboten.

207 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsgesetzbuchs Turkmenistans enthält eine Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Schäden, die Arbeitnehmern infolge einer widerrechtlichen Arbeitsverhinderung oder Entlassung durch den Arbeitgeber entstehen. In diesem Fall ist nach Art. 210 des Arbeitsgesetzbuchs Turkmenistans der Schaden im Umfang des entgangenen Arbeitslohns zu ersetzen29. Aus Art.207 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsgesetzbuchs Turkmenistans ergibt sich jedoch keine Anspruchsgrundlage für den vom Arbeitnehmer begehrten Schadensersatz wegen eines Steuerschadens. Annahmeverzugsentgelt hat die Arbeitgeberin geleistet, dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Nach Art.207 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Arbeitsgesetzbuchs Turkmenistans haften Arbeitgeber für Schäden, die sie Arbeitnehmern infolge einer Verletzung des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums schuldhaft zufügen30. Eine Anspruchsgrundlage für den vom Arbeitnehmer geltend gemachten Vermögensschaden ergibt sich aus dieser Bestimmung ebenfalls nicht. Eine Regelung über die Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer wegen eines Vermögensschadens infolge der Verletzung einer im Arbeitsvertrag vereinbarten Pflicht ist im turkmenischen Recht nicht ersichtlich.

Die Auslegung von Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags nach deutschem Recht hat – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen und vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen zu erfolgen.

Bei den im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen handelt es sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedenfalls um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Diese sind – wie auch Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist31. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht32.

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Die Auslegung von Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen und vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen ergibt, dass die Parteien keine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, sondern dem Arbeitnehmer die (zusätzliche) Befugnis eingeräumt haben, auch deutsche Gerichte anzurufen. Zwar bestimmt Art. 25 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1215/2012, dass die Gerichte des gewählten Mitgliedstaats ausschließlich zuständig sind, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine abweichende – nicht ausschließliche – Regelung muss danach aber nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr reicht es aus, wenn sie hinreichend deutlich erkennbar ist33. Dies ist vorliegend der Fall.

Der Wortlaut von Nr. 11.2 Satz 1 des Arbeitsvertrags ist für sich betrachtet zwar wenig aussagekräftig. Die Formulierung, dass für Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag deutsche Gerichte zuständig sind, lässt offen, ob es sich um eine ausschließliche oder eine zusätzliche Zuständigkeit handelt.

Dass die Parteien keine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, sondern dem Arbeitnehmer die (zusätzliche) Befugnis eingeräumt haben, auch deutsche Gerichte anzurufen, folgt allerdings aus dem in Nr. 11.2 Satz 2 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vorbehalt „soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen“. Hiermit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass andere Gerichtsstände, die aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen nicht verdrängt werden können, bestehen bleiben. Dieser Vorbehalt bezieht sich – wie auch das Landesarbeitsgericht angenommen hat – nicht nur auf die örtliche Zuständigkeit, sondern auf die Gerichtsstandsvereinbarung insgesamt und damit auch auf die internationale Zuständigkeit. Aus dem Umstand, dass in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags im ersten Satz die internationale und im zweiten Satz die örtliche Zuständigkeit angesprochen sind und der og. Vorbehalt („soweit … nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen“) erst im zweiten Satz enthalten ist, folgt nichts Abweichendes.

Für die Annahme, dass die Parteien keine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, sondern dem Arbeitnehmer die (zusätzliche) Befugnis eingeräumt haben, auch deutsche Gerichte anzurufen, spricht bereits der unmittelbare Kontext des in Nr. 11.2 Satz 2 des Arbeitsvertrags enthaltenen Vorbehalts34. Nr. 11 des Arbeitsvertrags enthält zwei grundlegende Regelungen: Während Nr. 11.1 das anwendbare Recht bestimmt, enthält Nr. 11.2 eine als Einheit zu verstehende Vereinbarung über den Gerichtsstand, die sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit betrifft. Das korrespondiert mit der Überschrift von Nr. 11 des Arbeitsvertrags („Anwendbares Recht, Gerichtsstand“).

Ein solches Verständnis der Gerichtsstandsvereinbarung entspricht auch der engen rechtlichen Verknüpfung der internationalen und der örtlichen Dimension des Gerichtsstands. Nach deutschem Recht folgt die internationale Zuständigkeit grundsätzlich der örtlichen Zuständigkeit. Fällt ein Rechtsstreit in die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, ist die internationale Zuständigkeit regelmäßig indiziert und sind die deutschen Gerichte auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig35. Im Unionsrecht bezieht sich die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung sowohl auf die internationale als auch auf die örtliche Zuständigkeit. Die Parteien können nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 nicht nur die Gerichte eines Mitgliedstaats, sondern auch ein bestimmtes Gericht und damit die örtliche Zuständigkeit regeln36. Zahlreiche Vorschriften der Verordnung Nr. 1215/2012 betreffen nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit, wie etwa Art. 21 Abs. 1 Buchst. b im Bereich individueller Arbeitsverträge oder Art. 7 Nr. 2 und Art. 12 der Verordnung Nr. 1215/2012.

Für die Annahme, dass der Vorbehalt „soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen“ in Nr. 11.2 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht nur die örtliche Zuständigkeit, sondern auch die internationale Zuständigkeit betrifft, spricht auch sein Zweck. Dieser geht dahin, die Gerichtsstandsklausel in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags insgesamt abzusichern. Das mit Nr. 11.2 Satz 2 des Arbeitsvertrags verfolgte Ziel, einen örtlichen Gerichtsstand in Düsseldorf zu begründen, kann nämlich nur erreicht werden, wenn auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wirksam vereinbart ist. Das schließt es aus, die Bedeutung des Vorbehalts auf die örtliche Zuständigkeit zu beschränken. Eine Absicherung der örtlichen Zuständigkeit wäre sinnentleert, wenn bereits die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht wirksam vereinbart wäre.

Für die Auslegung von Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags dahin, dass sich der Vorbehalt in Satz 2 „soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen“ auch auf die internationale Zuständigkeit bezieht, spricht ferner die Regelung in Nr. 11.1 des Arbeitsvertrags. Die dort vereinbarte Geltung deutschen Rechts wird ebenfalls abgesichert durch einen Vorbehalt, nach dem die Vereinbarung nur gelten soll, soweit zwingende gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Nach alledem ist für die typischerweise an Auslandsverträgen beteiligten Verkehrskreise hinreichend deutlich erkennbar, dass sämtliche in Nr. 11 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarungen nur Geltung beanspruchen, soweit gesetzliche Bestimmungen nicht entgegenstehen. Das betrifft neben der Rechtswahl die Gerichtsstandsvereinbarung sowohl in internationaler als auch in örtlicher Hinsicht.

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Für die Annahme, Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags regele nur eine ergänzende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, spricht schließlich die Interessenlage der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte entspricht dem typischen Interesse in Deutschland wohnender und im Ausland für eine ausländische Arbeitgeberin arbeitender Arbeitnehmer. Ihnen wird damit ermöglicht, an einem Gericht in Deutschland gegen die Arbeitgeberin gerichtlich vorzugehen. Dadurch wird eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung idR erheblich vereinfacht. Um dieses Ziel zu erreichen, genügt es allerdings, eine zusätzliche Klagemöglichkeit in Deutschland zu begründen. Eine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte ist dagegen nicht erforderlich. Aus Sicht der betroffenen ausländischen Arbeitgeber ist es ebenfalls nicht notwendig, für den klagenden Arbeitnehmer die Möglichkeit auszuschließen, am Sitz des Unternehmens im Ausland zu klagen.

Zuständigkeit nach der EuGVVO a.F.

Sofern die internationale Zuständigkeit im vorliegenden Rechtsstreit nach der Verordnung Nr. 44/2001 zu bestimmen sein sollte, wären ebenfalls deutsche Gerichte zuständig.

Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 ist nach deren Art. 1 eröffnet. Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine Zivilsache iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Insbesondere liegt keine Steuersache nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 44/2001 vor. Der auch nach der Verordnung Nr. 44/2001 erforderliche Auslandsbezug ist gegeben. Insoweit ergeben sich keine Abweichungen gegenüber den unter Rn. 21 ff. angeführten Vorgaben der Verordnung Nr. 1215/2012.

Mangels Wohnsitzes der Arbeitgeberin im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats richtet sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001. Danach bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats zwar nach dessen eigenen Gesetzen, dies gilt allerdings nur vorbehaltlich der Art. 22 und 23 der Verordnung Nr. 44/2001. Damit sind auch nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 auch für Arbeitgeberin, die – wie hier – ihren Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat haben, die Regelungen in Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 über Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden.

Die von den Parteien in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte wird auch den Vorgaben von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 gerecht.

Die Voraussetzung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 44/2001, dass mindestens eine Partei ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, ist erfüllt. Die Gerichtsstandsvereinbarung betrifft auch eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis – dem Arbeitsverhältnis – entspringende Rechtsstreitigkeit iSv. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 44/2001.

Die Gerichtsstandsvereinbarung ist schriftlich iSv. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 in dem von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag geschlossen worden.

Die in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags getroffene Gerichtsstandsvereinbarung wird auch den Vorgaben des Art. 23 Abs. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 gerecht. Danach haben ua. Gerichtsstandsvereinbarungen keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Art. 13, 17 und 21 zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund des Art. 22 ausschließlich zuständig sind.

Die Gerichtsstandsvereinbarung läuft nicht Art. 13 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 zuwider, denn sie betrifft – wie bereits unter Rn. 30 ff. zur Verordnung Nr. 1215/2012 ausgeführt – weder Versicherungssachen noch Verbrauchersachen. Durch die Gerichtsstandsvereinbarung wird auch kein ausschließlicher Gerichtsstand iSv. Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 abbedungen.

Die Anforderungen von Art. 23 Abs. 5 iVm. Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001 sind ebenfalls erfüllt.

Nach Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001, der auf Gerichtsstandsvereinbarungen Anwendung findet, wenn – wie hier – ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, kann von den Vorschriften des Abschn. 5 des Kapitels II über die „Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge“ nur abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen. Diese Anforderung ist vorliegend erfüllt. Die Auslegung der in Nr. 11.2 des Arbeitsvertrags enthaltenen Gerichtsstandsklausel nach deutschem Recht und dabei nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB geltenden Grundsätzen ergibt, dass die Parteien – wie bereits unter Rn. 37 ff. zu der wortgleichen Bestimmung in Art. 23 der Verordnung Nr. 1215/2012 ausgeführt – keine ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, sondern dem Arbeitnehmer die (zusätzliche) Befugnis eingeräumt haben, auch deutsche Gerichte anzurufen.

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Klage auf Erteilung einer Zeitgutschrift

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. März 2022 – 8 AZR 207/21

  1. BAG 12.12.2017 – 3 AZR 305/16, Rn. 22, BAGE 161, 142[]
  2. BAG 7.05.2020 – 2 AZR 692/19, Rn. 14; BGH 28.11.2002 – III ZR 102/02, zu II 1 der Gründe, BGHZ 153, 82[]
  3. vgl. dazu EuGH 9.12.2021 – C-242/20 – [HRVATSKE ŠUME] Rn. 23; 6.06.2019 – C-361/18 – [Weil] Rn. 24 f.[]
  4. so Geimer in Geimer/Schütze EuZivilVerfR 4. Aufl. EuGVVO Art. 66 Rn. 2; Zöller/Geimer ZPO 34. Aufl. Art. 66 EuGVVO Rn. 1[]
  5. so Hk-ZPO/Dörner 9. Aufl. Art. 66 EuGVVO Rn. 2; offenlassend BGH 14.11.2017 – VI ZR 73/17, Rn. 9 mwN[]
  6. EuGH 15.11.2018 – C-308/17 – [Kuhn] Rn. 32; 22.10.2015 – C-523/14 – [Aannemingsbedrijf Aertssen und Aertssen Terrassements] Rn. 29[]
  7. EuGH 9.03.2017 – C-551/15 – [Pula Parking] Rn. 34; 11.04.2013 – C-645/11 – [Sapir ua.] Rn. 34[]
  8. EuGH 16.07.2020 – C-73/19 – [Movic ua.] Rn. 34; 28.02.2019 – C-579/17 – [Gradbeništvo Korana] Rn. 47[]
  9. vgl. EuGH 12.09.2013 – C-49/12 – [Sunico ua.] Rn. 34 ff.[]
  10. BAG 7.05.2020 – 2 AZR 692/19, Rn. 16[]
  11. vgl. hierzu EuGH 3.06.2021 – C-280/20 – [Generalno konsulstvo na Republika Bulgaria] Rn. 30 ff.[]
  12. vgl. dazu EuGH 21.05.2015 – C-352/13 – [CDC Hydrogen Peroxide] Rn. 68[]
  13. vgl. zum Streitstand BAG 24.06.2020 – 5 AZR 55/19 (A), Rn. 62 ff., BAGE 171, 132[]
  14. EuGH 25.02.2021 – C-804/19 – [Markt24] Rn. 33; 22.05.2008 – C-462/06 – [Glaxosmithkline und Laboratoires Glaxosmithkline] Rn. 18; BAG 24.06.2020 – 5 AZR 55/19 (A), Rn. 52, BAGE 171, 132; EuArbRK/Krebber 4. Aufl. VO (EU) 1215/2012 Art.20 Rn. 1[]
  15. EuGH 10.09.2015 – C-47/14 – [Holterman Ferho Exploitatie ua.] Rn. 39[]
  16. EuGH 25.02.2021 – C-804/19 – [Markt24] Rn. 25; 10.09.2015 – C-47/14 – [Holterman Ferho Exploitatie ua.] Rn. 41; BAG 24.06.2020 – 5 AZR 55/19 (A), Rn. 33, BAGE 171, 132[]
  17. Mankowski in AR-Blattei SD Arbeitsgerichtsbarkeit V E 160.05.5 Rn. 313, 336, 338[]
  18. vgl. zur Verordnung Nr. 44/2001 EuGH 19.07.2012 – C-154/11 – [Mahamdia] Rn. 60 ff.[]
  19. BGH 10.02.2021 – KZR 66/17, Rn.20; MünchKomm-ZPO/Gottwald 6. Aufl. Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 22; BeckOK BGB/Spickhoff Stand 1.08.2021 VO (EG) 593/2008 Art. 1 Rn. 39; BeckOK ZPO/Gaier Stand 1.03.2022 Brüssel Ia-VO Art. 25 Rn. 69.1[]
  20. BeckOGK/Paulus Stand 1.03.2022 Rom I-VO Art. 1 Rn. 97; Musielak/Voit/Stadler ZPO 19. Aufl. Art. 25 EuGVVO Rn. 5; Ferrari/Kieninger IntVertragsR 3. Aufl. Rom I-VO Art. 1 Rn. 18a; aA BGH 26.11.2020 – I ZR 245/19, Rn. 49 ff. zu Schiedsvereinbarungen[]
  21. vgl. Hk-ZPO/Dörner 9. Aufl. Art. 25 EuGVVO Rn. 15[]
  22. vgl. dazu EuGH 18.10.2016 – C-135/15 – [Nikiforidis] Rn. 31 ff.[]
  23. vgl. EuGH 15.07.2021 – C-152/20 ua. – [SC Gruber Logistics] Rn. 36[]
  24. EuGH 15.07.2021 – C-152/20 ua. – [SC Gruber Logistics] Rn. 27[]
  25. BAG 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, Rn. 51[]
  26. BAG 21.03.2017 – 7 AZR 207/15, Rn. 93, BAGE 158, 266; 10.04.2014 – 2 AZR 741/13, Rn. 48[]
  27. BAG 17.11.2015 – 9 AZR 610/14, Rn. 32[]
  28. Tiede/Baron, Osteuropa Recht [OER] 2011, 199 ff.[]
  29. Tiede/Baron OER 2011, 199, 205[]
  30. Tiede/Baron aaO[]
  31. BAG 25.02.2021 – 8 AZR 171/19, Rn. 61; 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, Rn. 25[]
  32. BAG 21.04.2016 – 8 AZR 753/14, Rn. 30 mwN[]
  33. BeckOK ZPO/Gaier Stand 1.03.2022 Brüssel Ia-VO Art. 25 Rn. 64; Zöller/Geimer ZPO 34. Aufl. Art. 25 EuGVVO Rn. 1a; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Gottwald 6. Aufl. Art. 25 Brüssel Ia-VO Rn. 82[]
  34. zur Berücksichtigung des Kontextes einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. etwa BGH 10.06.2020 – VIII ZR 289/19, Rn. 30[]
  35. BAG 24.06.2020 – 5 AZR 55/19 (A), Rn. 50, BAGE 171, 132; 8.12.2010 – 10 AZR 562/08, Rn. 15[]
  36. vgl. Hk-ZPO/Dörner 9. Aufl. Art. 25 EuGVVO Rn. 21[]