Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L bemisst sich auch dann nach dem Referenzzeitraum Juli bis September, wenn der Arbeitsvertrag später befristungsbedingt endet und der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss daran nahtlos weiterbeschäftigt wird, sofern zwischen beiden Verträgen eine rechtliche Einheit besteht. Der Ersatzbemessungszeitraum des § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L kommt in die-sem Fall nicht zur Anwendung, da das Arbeitsverhältnis nicht nach dem 31.08.begonnen hat.

Wird lediglich die Dauer der Arbeitszeit verändert, während alle anderen Regelungen, insbesondere die Grundlagen der Entgeltzahlung, die Eingruppierung und die Art der Arbeitsleistung gleich bleiben, liegt eine rechtliche Einheit vor, sodass von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen ist.
Bemessungsgrundlage ist nach § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L das monatliche Entgelt, das den Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird. Entgelt in diesem Sinne muss nicht das Entgelt aus dem am Stichtag 01.12 bestehenden Arbeitsverhältnis sein; eine derartige Einschränkung lässt sich weder dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 Satz 1 noch der Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 TV-L entnehmen1. Vielmehr spricht die Protokollerklärung dafür, dass die Tarifvertragsparteien durchaus Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses bedacht haben. In der Protokollerklärung sind Umstände geregelt, die typischerweise mit Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses einhergehen, wie eine Änderung des Beschäftigungsumfangs oder eine nicht durchgängige Entgeltzahlung1.
Die Jahressonderzahlung des Arbeitnehmers bemisst sich im hier entschiedenen Fall nach dem Regel-Bemessungszeitraum des § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L. Der Ersatz-Bemessungszeitraum des § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L kommt nicht zur Anwendung. Nach dieser Vorschrift tritt bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.08.begonnen hat, an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt2.
§ 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L stellt auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses ab. Der Beginn eines Arbeitsverhältnisses ist begrifflich zu trennen von der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitsverhältnis beginnt nicht erneut, wenn die Parteien die Arbeitsbedingungen durch Änderungsvertrag umgestalten. Gleiches gilt bei einer nahtlosen Weiterbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber im Anschluss an einen vorangegangenen Vertrag, sofern zwischen den Verträgen eine rechtliche Einheit besteht. Bleiben die Vertragsbedingungen gleich oder im Wesentlichen unverändert, handelt es sich nicht um ein neues Arbeitsverhältnis, sondern um eine Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses. Die nahtlose Weiterbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber allein führt noch nicht zu einem einheitlichen Arbeitsverhältnis. Beide Verträge müssen zudem eine rechtliche Einheit bilden. Daran fehlt es, wenn die Parteien ihre Rechtsbeziehung hinsichtlich Arbeitszeit, Entgelt und Rechtsgrundlage völlig neu geordnet haben3. Haben die Parteien hingegen lediglich die Dauer der Arbeitszeit verändert, während alle anderen Regelungen, insbesondere die Grundlagen der Entgeltzahlung, die Eingruppierung und die Art der Arbeitsleistung gleich bleiben, liegt ein einheitliches Arbeitsverhältnis vor. Wird ein zunächst als Vollzeitarbeitsverhältnis begründetes Arbeitsverhältnis später in ein Teilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt, bilden die arbeitsrechtlichen Beziehungen der Parteien vor und nach der Änderung eine rechtliche Einheit4.
Es entspricht dem Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen, auf einheitliche Arbeitsverhältnisse den Regel-Bemessungszeitraum (§ 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L) anzuwenden. Die Tarifvertragsparteien haben aus Gründen der Praktikabilität nicht das Entgelt des gesamten Kalenderjahres zugrunde gelegt, sondern einen für das Kalenderjahr repräsentativen Zeitraum gewählt. Der Rückgriff auf die drei Monate Juli, August, September ermöglicht es des Weiteren, die Höhe der Jahressonderzahlung bis zum Zeitpunkt der Auszahlung zuverlässig zu ermitteln. Eine Berechnung auf dieser Grundlage soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Regelfall sein.
Diese Verfahrensweise lässt sich jedoch auf später eingestellte Arbeitnehmer nicht oder nur eingeschränkt anwenden. Hierzu bedarf es einer Sonderregelung, da es andernfalls für diese Arbeitnehmer überhaupt keine Bemessungsgrundlage gäbe. Diese Lücke schließt der Ersatz-Bemessungszeitraum des § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L. Hat der Arbeitnehmer hingegen bereits während des Referenzzeitraums gearbeitet, kann es grundsätzlich bei dem Regel-Bemessungszeitraum bleiben. Sofern zwischen den Verträgen eine rechtliche Einheit besteht, ist der Referenzzeitraum nach wie vor für das Arbeitsverhältnis repräsentativ.
Darüber hinaus gibt es keinen sachlichen Grund, allein wegen einer rechtlichen Unterbrechung, die nicht zu wesentlichen Änderungen im Arbeitsverhältnis geführt hat, eine andere Bemessungsgrundlage heranzuziehen als bei fortlaufenden Arbeitsverhältnissen. Das gilt unabhängig davon, ob sich die Heranziehung der Ersatz-Bemessungsgrundlage zum Vorteil oder zum Nachteil des Beschäftigten auswirken würde. Die rechtliche Unterbrechung als solche, ohne dass es zu einer tatsächlichen Unterbrechung und zu einer grundlegenden Neuordnung der Vertragsbeziehung gekommen ist, rechtfertigt keine Ungleichbehandlung.
Liegen der Beendigung Befristungen zugrunde, kann zudem eine Diskriminierung im Sinne des § 4 Abs. 2 TzBfG eintreten. Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG). Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 3 TzBfG). Damit ist es nicht vereinbar, wenn ein Angestellter nur deshalb keine Zuwendung erhält, weil er bei demselben Arbeitgeber während des Kalenderjahres nicht in in einem, sondern in mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt war5. Ebenso wenig ist ein sachlicher Grund ersichtlich, allein deshalb eine andere Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Im hier entschiedenen Fall bildet die Beschäftigung des Arbeitnehmers bis zum 30.11.2013 und ab dem 01.12.2013 eine rechtliche Einheit. Die Arbeitsbedingungen sind im Wesentlichen gleich geblieben. Soweit sich der Umfang der Arbeitszeit geändert hat, ist dies unschädlich. Soweit sich die Projektbezeichnung geändert hat, handelt es sich um eine geringfügige Anpassung der Arbeitsaufgabe, die die Grundlagen des Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Es hat sich weder die Beschäftigungsdienststelle noch die Eingruppierung verändert. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis nicht neu geordnet, sondern lediglich auf ein anderes Drittmittelprojekt bezogen, das zudem einen engen Zusammenhang mit der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers aufweist. Beide Forschungsvorhaben beziehen sich auf die Strömungstechnik und sind demselben Fachbereich zugeordnet.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg -Vorpommern, Urteil vom 15. September 2015 – 5 Sa 8/15
- BAG, Urteil vom 12.12 2012 – 10 AZR 922/11, Rn. 17, juris, NZA 2013, 384[↩][↩]
- z. B. BAG, Urteil vom 14.07.2015 – 3 AZR 903/13, Rn. 17[↩]
- zum früheren Tarifrecht: BAG, Urteil vom 20.12 1995 – 10 AZR 968/94, Rn.20, juris, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV; BAG, Urteil vom 12.11.1987 – 6 AZR 762/85, Rn. 17, juris, ZTR 1988, 430[↩]
- zum früheren Tarifrecht: BAG, Urteil vom 31.10.1975 – 5 AZR 482/74, Rn. 31, AP Nr. 87 zu § 611 Gratifikation[↩]
- BAG, Urteil vom 20.09.2006 – 10 AZR 715/05, Rn. 16, juris, AP Nr. 44 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag[↩]