Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken1. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen2.

Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen3.
Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls4. Von besonderer Bedeutung sind – neben anderen Umständen – die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen5.
Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen hat das Bundesarbeitsgericht an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu.
Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds besteht kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind6.
Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Liegt ein Sachgrund vor, kann also von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt bereits acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart7.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. April 2017 – 7 AZR 436/15
- BAG 29.04.2015 – 7 AZR 310/13, Rn. 24[↩]
- EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40[↩]
- grundlegend BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09, Rn. 38, BAGE 142, 308 und – 7 AZR 783/10, Rn. 33[↩]
- vgl. EuGH 26.01.2012 – C-586/10 – [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55; BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09, Rn. 40, BAGE 142, 308[↩]
- BAG 9.09.2015 – 7 AZR 148/14, Rn. 46, BAGE 152, 273[↩]
- vgl. hierzu etwa BAG 24.08.2016 – 7 AZR 41/15, Rn. 31 f.; 11.02.2015 – 7 AZR 113/13, Rn. 31; 11.02.2015 – 7 AZR 17/13, Rn. 46, BAGE 150, 366[↩]
- BAG 26.10.2016 – 7 AZR 135/15, Rn. 26[↩]