Kirchliche Arbeitsverhältnisse – und die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung

Es fehlt bei einem Arbeitsverhältnis, dass den die „Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die der Diakonie Deutschland angeschlossen sind“ unterliegt, nicht deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung, weil der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Arbeitgeber nachgewiesen habe1.

Kirchliche Arbeitsverhältnisse – und die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern2 hat für seine gegenteilige Auffassung die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu § 55 BAT herangezogen, wonach den nach dieser Bestimmung ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern eine beamtenähnliche Stellung eingeräumt werde und zur Bestimmung der sich daraus ergebenden besonderen Pflichten des Arbeitgebers auch der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 09.01.1987 (TV Ratio) zu berücksichtigen sei, der ggf. verlange, eine Unterbringung auch bei einem anderen Arbeitgeber zu versuchen3.

§ 32 AVR schließt anders als § 55 Abs. 2 Satz 1 BAT eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betrieblichen Gründen nicht grundsätzlich aus4. Absatz 4 der Bestimmung regelt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur, dass einem nach § 30 Abs. 3 AVR ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer allein aus Gründen in seiner Person oder in seinem Verhalten „fristlos“ gekündigt werden kann.

Für den Arbeitgeber geltende, dem TV Ratio vergleichbare kirchenrechtliche Regelungen, aus denen sich eine Pflicht ergäbe, die Unterbringung von vom Wegfall ihres bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmern auch bei anderen Arbeitgebern zu versuchen, sind weder ersichtlich noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 2 Buchst. b AVR. Wie der letzte Halbsatz von § 30 Abs. 3 AVR („soweit nicht § 31 etwas anderes bestimmt“) zeigt, regelt § 31 AVR, unter welchen Voraussetzungen gegenüber nach § 30 Abs. 3 AVR grundsätzlich ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern ausnahmsweise doch eine ordentliche (Änderungs-) Kündigung zulässig ist5. Dass es um die Ermöglichung einer ordentlichen Kündigung geht, bestätigt § 31 Abs. 4 AVR, der die dafür maßgebliche Kündigungsfrist bestimmt. § 31 Abs. 2 Buchst. b AVR gestattet insofern auch gegenüber den nach § 30 Abs. 3 AVR grundsätzlich ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern eine ordentliche Kündigung „mit dem Ziele, das Dienstverhältnis aufzuheben“, wenn eine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit nachgewiesen werden kann. Selbst wenn dies auch für den Nachweis einer im Wesentlichen gleichwertigen Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Arbeitgeber gelten sollte6, sieht die Bestimmung jedoch keine Verpflichtung vor, entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten bei anderen Arbeitgebern anzubieten, zumal vorrangig gegenüber einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber. Sie erlaubt in ihrem Anwendungsbereich nur unter der Voraussetzung eines entsprechenden Nachweises sogar eine ordentliche Kündigung selbst gegenüber den grundsätzlich nach § 30 Abs. 3 AVR ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern.

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Es besteht auch bei einer auf § 626 Abs. 1 BGB gestützten außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist keine generelle Pflicht des Arbeitgebers zum Nachweis einer Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Arbeitgeber. Sie kann sich zwar im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände ergeben, bei deren Vorliegen auf eine „konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht“ des Arbeitgebers zu schließen ist7. Solche sind hier indes nicht festgestellt.

Die Bestimmungen der § 32 Abs. 1 AVR, § 626 Abs. 1 BGB regeln ausschließlich, unter welchen Voraussetzungen gegenüber nach § 30 Abs. 3 AVR ordentlich grundsätzlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmern ausnahmsweise doch eine ordentliche (Änderungs-)Kündigung zulässig ist. Nur insoweit, wie danach das Mittel der ordentlichen (Änderungs-)Kündigung zur Verfügung steht, wäre ein wichtiger Grund für eine außerordentliche (Änderungs-)Kündigung mit demselben Ziel zu verneinen. § 31 Abs. 3 AVR betrifft hier nicht einschlägige Kündigungsgründe in der Person des Arbeitnehmers. Soweit § 31 Abs. 2 AVR die Zulässigkeit einer ordentlichen betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen knüpft, ergibt sich daraus nicht, dass eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund ebenfalls nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig wäre. § 31 Abs. 2 AVR betrifft allein die Fallkonstellation einer wesentlichen Einschränkung oder Auflösung der Dienststelle oder Einrichtung, in der der Arbeitnehmer bisher beschäftigt war. Das heißt im Umkehrschluss, dass es beim Ausschluss der ordentlichen Kündigung nach § 30 Abs. 3 AVR verbleibt, wenn die bisher mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Tätigkeit aus anderen Gründen wegfällt. Eine außerordentliche Änderungskündigung kann dann unter den besonderen Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 32 Abs. 1 AVR iVm. § 626 Abs. 1 BGB auch aus betrieblichen Gründen zulässig sein.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2021 – 2 AZR 357/20

  1. so aber LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.06.2020 – 5 Sa 53/20[]
  2. LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.06.2020 – 5 Sa 53/20[]
  3. BAG 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, Rn. 29, 31; 24.06.2004 – 2 AZR 215/03, Rn. 51 f.[]
  4. ebenso Joussen/Steuernagel/Kapischke AVR.DD § 32 Rn. 12, 83, 135[]
  5. ebenso Joussen/Steuernagel/von Randow AVR.DD § 31 Rn. 2[]
  6. vgl. Joussen/Steuernagel/von Randow AVR.DD § 31 Rn. 14[]
  7. BAG 24.09.2015 – 2 AZR 562/14, Rn. 44, BAGE 152, 345[]