Ein formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, die Drohung also widerrechtlich iSd. § 123 BGB ist.

Grundsätzlich können sich die Parteien eines (künftigen) Prozesses vertraglich zu jedem rechtlich möglichen Verhalten verpflichten, sofern dieses nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Unter diesen Voraussetzungen ist auch die vertragliche Verpflichtung, eine bestimmte Klage nicht zu erheben, möglich und wirksam. Wird unter Missachtung einer solchen wirksam eingegangenen Verpflichtung zu einem bestimmten prozessualen Verhalten Klage erhoben, ist diese als unzulässig abzuweisen1.
Bei dem in einem formularmäßig verwendeten Aufhebungsvertrag enthaltenen Kündigungsverzicht handelt es sich um eine grundsätzlich kontrollfähige Nebenabrede. Bei den einzelnen Klauseln des Aufhebungsvertrags handelt es sich jedenfalls um Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB und damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen2. Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle3 wie eine als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses etwaig gezahlte Abfindung4.
Mit dem Klageverzicht enthält der Aufhebungsvertrag eine kontrollfähige Nebenabrede. Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zum Aufhebungsvertrag war allein der Verzicht der Arbeitgeberin auf die in Aussicht gestellte außerordentliche Kündigung und Strafanzeige. Alle weiteren Klauseln des Vertrags zu den übrigen, im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehenden noch regelungsbedürftigen Fragen unterliegen als Nebenabreden in vollem Umfang der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, wobei allerdings die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind5. Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Arbeitnehmer seine Abschlussentscheidung von solchen Nebenpunkten im Allgemeinen nicht abhängig macht6.
Der Klageverzicht verwehrt dem Arbeitnehmer dauerhaft das Recht, die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags gerichtlich geltend zu machen. Er kann zwar die von ihm abgegebene Willenserklärung gegenüber der Arbeitgeberin anfechten. Die Anfechtung bleibt jedoch ohne die Möglichkeit, ihre Wirksamkeit auch gerichtlich inhaltlich überprüfen lassen zu können, wirkungslos. Im Ergebnis nimmt Ziffer 9 ihm damit die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten.
Ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers geschlossen wird, ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur dann zu vereinbaren, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte und die Drohung deshalb nicht widerrechtlich ist. Anderenfalls benachteiligt der Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
§ 123 BGB gewährleistet, dass eine Willenserklärung, die nicht Ausdruck freier rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung ist, der Anfechtung unterliegt, und schützt so die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit7. Die Rechtsordnung stellt dem Anfechtenden für den Fall, dass er sich zur Rechtsverfolgung entschließt, ihre Autorität und Macht zur Verfügung, um ihm sein Recht zu verschaffen. Sie gibt ihm deshalb die Möglichkeit, zur Durchsetzung des Anfechtungsrechts zu klagen8.
Bei einer Klageverzichtsklausel in einem unter dem Druck der Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung geschlossenen Aufhebungsvertrag ist zu differenzieren.
Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept ist eine nach § 123 BGB anfechtbar zustande gekommene Willenserklärung nur dann nichtig, wenn sie innerhalb der – gegenüber den anderen Anfechtungstatbeständen des BGB verlängerten – Anfechtungsfrist des § 124 BGB angefochten wird. Der Getäuschte oder Bedrohte kann sich also entscheiden, ob er die Willenserklärung ungeachtet ihres rechtswidrigen Zustandekommens gegen sich gelten lassen will9. Ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht ist darum nach der anfechtbaren Handlung ohne Weiteres möglich10.
Erklärt der Arbeitnehmer in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, einen Klageverzicht, wird dieser Verzicht – wie die übrigen Bestimmungen des Vertrags – mit der Unterzeichnung der zweiten Vertragspartei wirksam. In einem solchen Fall, in dem der Verzicht Teil des anfechtbaren Rechtsgeschäfts ist, lassen sich die Drohung mit der Kündigung und der Klageverzicht rechtlich (und tatsächlich) letztlich nicht trennen. Auch der Verzicht ist unter dem Druck der Drohung erklärt. Das Gesetz sieht mit § 123 BGB aber eine, wie ausgeführt, auch gerichtlich durchsetzbare Möglichkeit vor, sich von der unter diesem Druck zustande gekommenen Erklärung wieder zu lösen. Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass der unter dem Druck einer Drohung Handelnde aufgrund der Zwangslage keine Möglichkeit hat, sich in zumutbarer Weise selbst zu schützen11. Mit diesem der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Gerechtigkeitsgehalt ist es nicht zu vereinbaren, wenn sich der Verwender durch eine in den Aufhebungsvertrag aufgenommene Klageverzichtsklausel die Möglichkeit verschafft, Vorteile aus einer widerrechtlichen Drohung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung befürchten zu müssen. Einem solchen Verhalten muss die Rechtsordnung ihren Schutz versagen.
Der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag benachteiligt den Arbeitnehmer darum nur dann nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nach gerichtlicher Feststellung nicht widerrechtlich war12. Letztlich kann der Arbeitgeber durch eine Klageverzichtsklausel, die Teil eines der AGB-Kontrolle unterliegenden Aufhebungsvertrags ist, eine gerichtliche Prüfung der durch den Arbeitnehmer erklärten Anfechtung damit nicht verhindern.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14
- vgl. BGH 21.12 2005 – VIII ZR 108/04, Rn.19 mwN, Rn. 21; 10.10.1989 – VI ZR 78/89, zu II 2 e der Gründe, BGHZ 109, 19; zum Streitstand für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13, Rn. 11[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, zu B IV 3 der Gründe mwN, BAGE 109, 22; BGH 14.10.1997 – XI ZR 167/96, zu I 2 a der Gründe, BGHZ 137, 27; vgl. auch BT-Drs. 7/3919 S. 22; zur Kontrollfähigkeit eines von § 4 Satz 1 iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG abweichenden Klageverzichts vgl. BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13, Rn. 21[↩]
- BAG 8.05.2008 – 6 AZR 517/07, Rn. 22[↩]
- zu diesem Synallagma vgl. BAG 10.11.2011 – 6 AZR 357/10, Rn. 18, BAGE 139, 376; zur Kontrollfreiheit der Abfindung BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10, Rn. 42, BAGE 138, 136[↩]
- BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10, Rn. 42, BAGE 138, 136; ErfK/Preis 15. Aufl. §§ 305 bis 310 BGB Rn. 77; Stoffels Anm. NJW 2012, 103, 107, 108; Däubler Anm. AP BGB § 307 Nr. 53 zu III 1[↩]
- WLP/Stoffels 6. Aufl. ArbR Rn. 95[↩]
- BGH 21.09.2011 – IV ZR 38/09, Rn. 28[↩]
- vgl. Larenz Lehrbuch des Schuldrechts Bd. I Allgemeiner Teil 14. Aufl. S.19 zur Durchsetzbarkeit von Forderungen[↩]
- Erman/Arnold BGB 14. Aufl. § 123 Rn. 1[↩]
- vgl. BAG 21.02.1991 – 2 AZR 449/90, zu II 4 c der Gründe; BGH 1.04.1992 – XII ZR 20/91, zu 2 der Gründe; Erman/Arnold aaO Rn. 59[↩]
- vgl. Staudinger/Singer/von Finckenstein (2012) § 123 Rn. 64[↩]
- zu den diesbezüglichen Anforderungen BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, Rn. 48 f., BAGE 125, 70[↩]