Klageverzicht im Kündigungsschutzprozess – für ein gutes Zeugnis

Enthält ein formularmäßiger Verzicht auf das Recht Kündigungsschutzklage zu erheben im Gegenzug die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis mit der Note gut zu erteilen, ist dieser Verzicht wirksam, es sei denn, dem Arbeitnehmer steht unter Berücksichtigung der herkömmlichen Darlegungs- und Beweislast in einem Zeugnisprozess eine gute Beurteilung zweifelsfrei zu.

Klageverzicht im Kündigungsschutzprozess – für ein gutes Zeugnis

Die Unwirksamkeit der Klageverzichtsvereinbarung ergibt sich in einem solchen Fall nicht aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Diese Vorschrift findet auf die Klageverzichtsvereinbarung Anwendung. Sie ist von der Arbeitgeberin vorformuliert worden, so dass jedenfalls § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB einschlägig ist. Es kann auf sich beruhen, ob dieser Vertragstext zur mehrmaligen oder nur zur einmaligen Verwendung bestimmt war.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der reine Klageverzicht gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation unangemessen. Weil die Absprache „Klageverzicht gegen Kompensation“ Hauptgegenstand der Vereinbarung ist, ist eine Inhaltskontrolle von Leistung und Gegenleistung ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, wie hoch die Gegenleistung ausfällt. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht aufgrund von § 307 BGB in die Verhandlungsparität der Vertragspartner eingreifen. Dies hat offensichtlich auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Grundsatzentscheidung1 erkannt, wenn es hervorhebt, die Belange des betroffenen Arbeitnehmers würden nicht ausreichend berücksichtigt, da diesem durch den Verzicht ohne jede Gegenleistung das Recht einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung genommen werde2. Die Art der arbeitgeberseitigen Kompensation sei in diesem Zusammenhang nicht mehr relevant.

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Von diesem Grundsatz ist sicherlich dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Arbeitgeber erkennbar diese Rechtsprechung umgehen will, um mit einem Entgegenkommen, welches begrifflich schon nicht mehr die Bezeichnung „Gegenleistung“ verdient, seine Ziele durchzusetzen will. Bei einer Abfindungszahlung von beispielsweise 10, 00 € wäre diese Grenze deutlich überschritten. Bei einer Abfindungsleistung von 250, 00 € lässt sich die Kompensation begrifflich nicht verneinen, mag auch der Rechtsanwender das ungute Gefühl einer Ungerechtigkeit haben. Dieses allgemeine Gerechtigkeitsgefühl muss hinter der klaren gesetzlichen Dogmatik zurücktreten, die gebietet, dass im Rahmen des Rechtes der allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB Leistung und Gegenleistung nicht auf Angemessenheit überprüft werden. Das BGB, welches auch im dritten Jahrtausend immer noch die Grundlage für die Beurteilung rechtsgeschäftlichen Handelns ist, geht zu Recht davon aus, dass die Vertragspartner gleichwertig einander gegenüberstehen und selbst über den Wert von Leistung und Gegenleistung entscheiden. Ohne näheren gesetzlichen Anhaltspunkt darf ein Gericht dort nicht eingreifen.

bb Gemessen an oben dargestellten Rechtsgrundsätzen ist die Erteilung eines guten Zeugnisses (mit der Note gut) eine substantiierte Gegenleistung, welches zur Wirksamkeit des Klageverzichtes führt.

Ohne eine solche Vereinbarung hätte der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf ein durchschnittliches Zeugnis mit der Abschlussnote „zur vollen Zufriedenheit“ gehabt. Der Gesichtspunkt einer Gegenleistung entfällt nicht schon unter dem Gesichtspunkt des Erfüllens einer ohnedies bestehenden Verbindlichkeit.

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Insoweit folgt das landesarbeitsgericht Niedersachsen der klassisch traditionellen Rechtsauffassung, der zufolge in einem Zeugnisprozess der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen muss, die eine von der durchschnittlichen Benotung „zur vollen Zufriedenheit“ abweichende gute Benotung rechtfertigen, wohingegen der Arbeitgeber Tatsachen vortragen muss, die eine unterdurchschnittliche Benotung begründen. Ein Arbeitnehmer wird in einem Zeugnisprozess nicht schon seiner Darlegungslast gerecht, wenn er allgemein und unkonkret vorträgt, seine Arbeitsleistung sei beanstandungsfrei gewesen.

Demzufolge lässt sich im vorliegenden Fall deutlich feststellen: Bei dem erst- und zweitinstanzlichen Sachvortag der Parteien hätte der Arbeitnehmer lediglich in einem Zeugnisprozess ein durchschnittliches Zeugnis erhalten können. Sein Sachvortrag bzw. seine Begründung, weswegen ihm ein Zeugnis mit einer guten Benotung zustehe, ist zu wenig konkret und prozessual unzureichend.

Stand dem Arbeitnehmer nur ein durchschnittliches Zeugnis zu, dann enthält die Aufwertung seiner Zeugnisbenotung ein substantielles Entgegenkommen, welches dazu führt, dass der Klageverzicht nicht mehr „ohne jede Gegenleistung“ erfolgt ist. Die Aufwertung des Zeugnisses um eine Notenstufe lässt sich keinesfalls als völlig wertlose Gegenleistung qualifizieren, die den offensichtlich durchschaubaren Versuch einer Umgehung der BAG-Rechtsprechung darstellt. Diese Aufwertung ist nicht mit einer Bagatellabfindung von beispielsweise 10, 00 € vergleichbar. Unabhängig von einem materiellen Wert, der gegeben ist – bei Bewerbungen ist ein solches Zeugnis die „Visitenkarte“ eines Arbeitnehmers – stellt eine gute Zeugnisbeurteilung für viele Arbeitnehmer eine wichtige Anerkennung und Wertschätzung ihrer geleisteten Arbeit dar, was im Übrigen auch die Praxis eines Zeugnisprozesses zeigt. Dort wird erfahrungsgemäß ein ums andere Mal erbittert um die Abschlussnote gestritten.

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Der formularmäßige Klageverzicht und die in dieser Vereinbarung enthaltene Verpflichtung der Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis mit der Note „gut“ zu erteilen, stehen auch in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, was von den Prozessparteien nicht weiter problematisiert worden ist. Insofern liegt der Fall anders als die vom Bundesarbeitsgericht3 problematisierte Fallkonstellation der in einem Aufhebungsvertrag enthaltenen Ausgleichsklausel. Die Annahme eines Gegenseitigkeitsverhältnisses rechtfertigt sich bereits daraus, dass jede Partei im Rahmen einer Gesamtvereinbarung eine Erklärung abgibt bzw. ein Entgegenkommen gegenüber der anderen Partei zeigt, zu der sie isoliert gesehen nicht verpflichtet gewesen ist. Der Arbeitnehmer muss nicht auf sein Recht, Kündigungsschutzklage zu erheben, verzichten und im Gegenzug dazu braucht der Arbeitgeber ihm nicht die Erteilung eines guten Zeugnisses zuzusichern.

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. März 2014 – 5 Sa 1099/13

  1. BAG, Urteil vom 06.09.2007 – 2 AZR 722/06, DB 2008, 411[]
  2. BAG a.a.O. Randnummer 37[]
  3. BAG, Urteil vom 21.06.2011, Az: 9 AZR 203/10 – NZA 2011, 1338 – 1342[]