Eine ergänzend zu einem Sozialplan geschlossene Betriebsvereinbarung kann vorsehen, dass Mitarbeiter, die keine Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erheben, eine Sonderprämie erhalten. Allerdings verstößt der Ausschluss der Gruppe der beurlaubten Beamten von dieser Klageverzichtsprämie gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG).

Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind in einem Sozialplan für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten1.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht hatte schloss der Sozialplan („SP 2013“) die im zu schließenden Betrieb beschäftigten beurlaubten Telekom-Beamten von der im Sozialplan vereinbarten Abfindung aus. Daneben schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat noch eine „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“, der eine Sonderprämie von 4.346, 00 Euro für alle Mitarbeiter vorsah, die u.a. keine Klage gegen die Kündigung erhoben haben. Diese „Betriebsvereinbarung Sonderprämie“ galt jedoch ausdrücklich nur für diejenigen Arbeitnehmer, die dem Geltungsbereich des SP 2013 unterfallen und nicht vom Erhalt einer Abfindung ausgeschlossen sind.
Die so normierte Gruppenbildung bewirkt eine unmittelbare personenbezogene Ungleichbehandlung zwischen der Gruppe der unter den Geltungsbereich des SP 2013 fallenden Arbeitnehmer und der nach Nr. 1.2 SP 2013 von Sozialplanleistungen ausgeschlossenen Arbeitnehmern. Zu diesen zählt auch die Gruppe der beurlaubten Beamten. Sie haben deshalb nach der BV Sonderprämie keine Möglichkeit, durch einen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage den dort bestimmten Betrag von 4.346, 00 Euro zu erhalten.
Diese unterschiedliche Behandlung ist – anders als der Ausschluss der beurlaubten Beamten bei der Sozialplanabfindung nach den mit der BV Sonderprämie verfolgten Regelungszielen nicht gerechtfertigt.
Nach der ihr vorangestellten Präambel bezweckt die BV Sonderprämie nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch die beabsichtigte Betriebsstilllegung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Diese sind durch den am selben Tag abgeschlossenen SP 2013 angemessen ausgeglichen worden.
Regelungsziele der BV Sonderprämie sind trotz der in Nr. 1 BV Sonderprämie unterschiedlich ausgestalteten Anspruchsvoraussetzungen – neben der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Rückgabe der Arbeitsmittel (Nr. 2.3 BV Sonderprämie) – die Honorierung der mit der streitlosen Beendigung der Arbeitsverhältnisse eintretenden Planungssicherheit sowie die Vermeidung des für die NSN S mit Kündigungsschutzverfahren verbundenen finanziellen und logistischen Aufwands.
Nach dem Wortlaut der Präambel liegt es im „vorrangigen Interesse“ der Betriebsparteien, die Arbeitslosigkeit der von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer zu vermeiden. Dazu soll der Wechsel in eine Transfergesellschaft „besonders incentiviert“ werden. Dementsprechend besteht für die dem Geltungsbereich des SP 2013 unterfallenden Arbeitnehmer nach Nr. 1 BV Sonderprämie ein Anspruch auf die der Höhe nach in Nr. 2 BV Sonderprämie festgelegte Leistung, wenn diese einen dreiseitigen Vertrag mit der NSN S innerhalb der Angebotsfrist abgeschlossen und keine Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhoben haben.
Daneben sollen – unabhängig von der Incentivierung eines Wechsels zur Transfergesellschaft – die in den Geltungsbereich des SP 2013 einbezogenen Arbeitnehmer eine Sonderprämie erhalten, die trotz eines Angebots den Wechsel in eine Transfergesellschaft ablehnen (1. Alt.) oder – nach dem eingeschobenen Klammerzusatz – kein solches Angebot erhalten, obwohl sie durch betriebsbedingte Kündigung von Arbeitslosigkeit bedroht sind (2. Alt.). Bei beiden Personengruppen steht fest, dass diese nicht in die Transfergesellschaft wechseln wollen (1. Alt.) oder können (2. Alt).
Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen in Nr. 1 BV Sonderprämie sollte offenkundig die Bereitschaft der von ihr erfassten Arbeitnehmer zu einer streitlosen Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse fördern. Die Leistung ist abhängig vom Zustandekommen eines zwischen dem Arbeitnehmer, der Transfergesellschaft und der NSN S abgeschlossenen dreiseitigen Vertrags oder der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegenüber der durch die Betriebsschließung bedingten Kündigung.
Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse ohne gerichtliche Auseinandersetzung dient allein der Planungssicherheit der NSN S in Bezug auf die Durchführung ihrer unternehmerischen Entscheidung und den damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken. Diese hat ein Interesse an einer zeitnahen Umsetzung der Betriebsstilllegung. Daneben soll der für sie mit der Durchführung von Kündigungsschutzprozessen verbundene finanzielle und logistische Aufwand entweder durch den Abschluss des dreiseitigen Vertrags oder die Nichterhebung einer gegen die der Kündigung gerichteten Klage möglichst vermieden werden.
In Bezug auf die mit der BV Sonderprämie verfolgten Regelungsziele besteht kein nach § 75 Abs. 1 BetrVG anerkennenswerter Grund, die Gruppe der beurlaubten Beamten von der Gewährung der dort vorgesehenen Leistung auszuschließen.
Es ist schon fraglich, ob Arbeitgeber und Betriebsrat im Zusammenhang mit betriebsändernden Maßnahmen überhaupt Arbeitnehmergruppen von der Gewährung einer finanziellen Leistung als Anreiz für eine streitlose Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ausnehmen können, wenn diese Leistung – wie vorliegend – der Planungssicherheit und der Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens dient. Die Einschätzung der Betriebsparteien, ob und in welchem Umfang Arbeitnehmer gegen eine vom Arbeitgeber veranlasste Beendigung gerichtlich vorgehen werden, kann regelmäßig nicht gruppenspezifisch bestimmt werden. Sie ist von der individuellen Bereitschaft der betroffenen Arbeitnehmer abhängig, den Klageweg zu bestreiten. Deren Entscheidung wird durch einzelfallbezogene, vielfach im persönlichen Bereich liegende Umstände beeinflusst, die den Betriebsparteien nicht bekannt sein werden und sich ihnen auch nicht erschließen können.
Die NSN S und ihr Betriebsrat durften die Gruppe der beurlaubten Beamten für den Fall der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage nicht von der Gewährung einer Sonderprämie ausschließen.
Von der Betriebsstilllegung waren alle Arbeitnehmer der NSN S betroffen. Bei den Chancen für die erfolgreiche Erhebung der Kündigungsschutzklage bestanden für alle Arbeitnehmer ohne gesetzlichen Sonderkündigungsschutz keine Unterschiede. Die Betriebsparteien haben ausweislich der Präambel des SP 2013 den Eintritt von wirtschaftlichen Nachteilen auch bei der Gruppe der beurlaubten Beamten für wahrscheinlich gehalten. Selbst wenn diese geringer ausfallen als bei Arbeitnehmern ohne Beamtenstatus, war die Erhebung von Kündigungsschutzklagen durch beurlaubte Beamte nicht auszuschließen. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen und das Risiko eines Prozesserfolgs von beurlaubten Beamten hätten – ebenso wie bei anderen Arbeitnehmern – die mit der BV Sonderprämie beabsichtigten Ziele gefährdet, die beabsichtigte Betriebsstilllegung zeitnah und mit möglichst wenig finanziellem und organisatorischem Aufwand durchzuführen.
Der danach gegebene Anspruch des beurlaubten Beamten auf eine Sonderprämie, deren Voraussetzungen er unstreitig erfüllt, wird nicht durch eine etwaige Überschreitung des von der Arbeitgeberin für die Erfüllung der sich aus der BV Sonderprämie ergebenden Ansprüche vorgegebenen Leistungsrahmens in Frage gestellt.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob und ggf. inwieweit bei Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen überhaupt auf die zu Sozialplänen ergangene Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung zurückgegriffen werden kann, wonach der Arbeitgeber die mit einer unzutreffenden Gruppenbildung mittelbar verbundene Ausdehnung des vereinbarten Finanzvolumens nur hinzunehmen hat, wenn seine finanzielle Mehrbelastung durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht „ins Gewicht fällt“2.
Die Beklagte hat schon keinen substantiierten Vortrag über den „Dotierungsrahmen“ der BV Sonderprämie gehalten. Es fehlt an Angaben, welche Summe die NSN S für die Erfüllung der sich aus der BV Sonderprämie ergebenden und nicht im Voraus feststehenden Leistungen zur Verfügung stellen wollte und gestellt hat. Hierzu reicht der Vortrag über die Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises bei Einbeziehung der Gruppe der beurlaubten Beamten ebenso wenig aus, wie die Darlegung der Höhe der aufgrund der BV Sonderprämie tatsächlich erbrachten Leistungen. Daneben muss sich die Beklagte vorhalten lassen, dass ihre Rechtsvorgängerin von der in Nr. 3.2 BV Sonderprämie vereinbarten Revisionsklausel keinen Gebrauch gemacht hat.
Eine Überschreitung des vermeintlich von der Arbeitgeberin bei Abschluss der BV Sonderprämie kalkulierten Leistungsvolumens ist auch deshalb unbeachtlich, weil die Gewährung der Sonderprämie – anders als eine Sozialplanabfindung – von einer als Vorleistung erbrachten Gegenleistung der gekündigten Arbeitnehmer abhängig ist, die diese durch das Verstreichenlassen der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG bereits erbracht haben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Dezember 2015 – 1 AZR 69/15