Krankheitsbedingte Kündigung – Krankheitsanfälligkeit und Fehlzeitenprognose

Der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen ist auch dann anzulegen, wenn sich unter den medizinischen Ausfallursachen einzelne Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben1.

Krankheitsbedingte Kündigung – Krankheitsanfälligkeit und Fehlzeitenprognose

Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall aus.

Lebenskrisen wie beispielsweise eine Scheidung können zu einem vorübergehenden Verlust des Lebensmuts führen, der sich in krankheitsbedingten Ausfallzeiten niederschlägt. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen fortzuführen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann man daher nicht davon ausgehen, dass eine noch nicht ausgestandene Lebenskrise zukünftig notwendig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen.

Soll die Fehlzeitenprognose auch mit der Krankheitsanfälligkeit des Arbeitsnehmers gestützt werden, verlangt das zunächst die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt2. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Fehlzeitenprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit.

Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung verläuft unterschiedlich, je nach dem, ob es sich um eine langanhaltende Krankheit handelt oder ob mehrere (Kurz-)Erkrankungen die betrieblichen Probleme verursacht haben. Vorliegend ist der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen anzulegen, denn der ist auch dann anzulegen, wenn sich – wie hier – unter den medizinischen Ausfallursachen Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben3.

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich (Fehlzeitenprognose). Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen – erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen4. – Zusätzlich wird inzwischen in der Rechtsprechung recht intensiv geprüft, ob die Kündigung durch andere Maßnahmen, die geeignet sind, das Problem des Arbeitgebers zu beheben, hätte vermieden werden können (Verhältnismäßigkeitsprüfung), so dass man heutzutage besser von einem vierstufigen Prüfungsraster sprechen sollte. Die Intensität der Prüfung dieses Schritts durch das Gericht hängt insbesondere davon ab, ob der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 84 Absatz 2 SGB IX (Betriebliches Eingliederungsmanagement – bEM) ausreichend nachgekommen ist.

Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt5. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten6.

Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Absatz 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung bzw. Verbesserung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen6.

Gemessen an diesem Maßstab sah sich das Gericht im vorliegenden Fall außer Stande, die notwendige Fehlzeitenprognose zu treffen:

Der Arbeitgeberin ist zuzugestehen, dass bei pauschaler undifferenzierter Betrachtung der Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin in der Zeit von August 2011 bis zur Kündigung Ende Oktober 2015 aufgrund der Anzahl der Ausfalltage und der Häufigkeit der Ausfallereignisse die Schlussfolgerung gerechtfertigt scheint, auch zukünftig würde die Arbeitnehmerin wegen weiterer Krankheiten in vergleichbarem Umfang arbeitsunfähig ausfallen.

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Die Arbeitnehmerin war 2011 insgesamt 139 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt, wobei dem ein einzelnes Ausfallereignis zu Grunde liegt. Im Jahre 2012 hatte die Arbeitnehmerin 5 Ausfallzeiträume und war insgesamt 84 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2013 hatte die Arbeitnehmerin 4 Ausfallzeiträume und war insgesamt 26 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2014 hatte die Arbeitnehmerin 5 Ausfallzeiträume und war insgesamt 81 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahre 2015 hatte die Arbeitnehmerin bis zum Ausspruch der Kündigung Ende Oktober 6 Ausfallzeiträume und war insgesamt 70 Kalendertage arbeitsunfähig erkrankt.

Allein schon das Überschreiten der 42 Kalendertage Ausfallzeit in den Jahren 2014 und 2015 dürfte ausreichen, um daraus bei einer rein statistischen Betrachtungsweise den Schluss zu ziehen, die Arbeitnehmerin werde auch zukünftig ähnlich hohe Ausfallzeiten verursachen. Zur Bestätigung dieses skeptischen Blicks in die Zukunft kann auf die durchschnittliche Ausfallzeit in den fünf Jahren 2011 bis 2015 abgestellt werden, die mit 80 Kalendertagen deutlich oberhalb von 42 Kalendertagen liegt. Der Gesamtbetrachtung des Fünfjahreszeitraums steht nicht der Umstand entgegen, dass die Arbeitnehmerin 2013 mit 26 Kalendertagen Krankheit Ausfallzeiten unterhalb von 42 Kalendertagen aufzuweisen hatte, denn auch die verbleibenden 26 Kalendertage sind erheblich, so dass sich das Gericht nicht in der Lage sieht, die Jahre vor 2013 aus der prognostischen Bewertung auszuscheiden.

Bezieht man bei dem Blick in die Zukunft jedoch die Krankheitsbilder mit ein, die die Ausfallzeiten verursacht haben, müssen mindestens die Ausfallzeiten wegen des eingeklemmten Nervs im linken Ellenbogen (139 Kalendertage 2011 und weitere 48 Kalendertage in 2012) und die Ausfallzeiten zur Ausheilung der Folgen des Sturzes im häuslichen Bereich (71 Kalendertage in 2014 sowie gegebenenfalls weitere 5 Kalendertage in 2015) als Prognosebasis ausgeschieden werden. Denn diese Krankheiten müssen als ausgeheilt betrachtet werden und Ausfallzeiten wegen ausgeheilter Krankheiten können – mit einer unten noch behandelten Ausnahme – nicht zur Abschätzung zukünftiger Ausfallzeiten herangezogen werden.

Die Probleme mit dem eingeklemmten Nerv im Ellenbogen des linken Arms der Arbeitnehmerin, die zu der langen Ausfallzeit von Mitte August 2011 bis Mitte Februar 2012 geführt haben, müssen als ausgeheilt betrachtet werden. Es mag zwar zutreffend sein, dass sich eine solche Krankheit im Laufe eines Lebens wiederholen kann. Da aber im Arbeitsverhältnis der Parteien kein einziger Ausfalltag seit dem 17.02.2012, also über mehr als drei Jahre und acht Monate, auf diese Krankheit zurückgeführt werden kann, können diese Krankheit und die mit ihr verbundenen Ausfalltage für die Fehlzeitenprognose nicht genutzt werden.

Für eine chronische Erkrankung des Nervs im linken Ellenbogen der Arbeitnehmerin gibt es keine ausreichenden Indizien. Von einer chronischen Erkrankung kann man nur sprechen, wenn sich aus derselben Krankheitsanlage (demselben Grundleiden) immer wieder akute Krankheitsepisoden mit Ausfallzeiten ergeben. Dafür gibt es vorliegend keine Anzeichen. Selbst wenn man zu Gunsten der Arbeitgeberin beide Erkrankungen am linken Arm, also auch die Sehnenscheidenentzündung Anfang 2013, als auf ein einziges Grundleiden zurückführbar ansehen würde, könnte man lediglich von einem einmalig wiederholten Aufbrechen des Grundleidens sprechen. Das reicht für die Feststellung einer chronischen Krankheit nicht aus. Im Grunde sagt die Arbeitgeberin zu diesem Punkt auch lediglich, Ausfallzeiten wegen eines eingeklemmten Nervs im Ellenbogen könnten immer wieder auftreten, und zieht daraus die Schlussfolgerung, die Krankheit müsse chronisch sein. Dieser Schluss ist nicht gerechtfertigt, denn der für die krankheitsbedingte Kündigung notwendige Blick in die Zukunft muss notwendig immer beide Komponenten (Ausfallzeiten und deren medizinische Ursachen) im Blick haben, um sich nicht im Spekulativen zu verlieren.

Insoweit nimmt das Gericht ergänzend auch noch Bezug auf die Stellungnahme der internistischen Fachärzte B. vom 28.04.2016, die in einem Anschreiben an das Arbeitsgericht, das von der Arbeitnehmerin zur Gerichtsakte gereicht wurde, unter Bezugnahme auf die dem Schreiben beigefügte vollständige Zusammenstellung der ausgereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Arbeitnehmerin, ausführen, „chronische Erkrankungen liegen definitiv nicht vor“. Das kann zwar wegen der fehlenden Begründung dieses Standpunkts nicht als eine fundierte ärztliche Stellungnahme gewertet werden. Gleichwohl zeigt es indirekt, dass man von einem einmaligen Wiederaufbrechen einer Krankheit keinesfalls auf eine chronische Krankheitsanlage schließen kann.

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In diesem Punkt verkennt die Arbeitgeberin auch die Darlegungs- und Beweislast. Da der Arbeitgeber nach § 1 Absatz 2 LSGchG den Grund der Kündigung darzulegen hat, muss er auch im Zweifel die Tatsachen in den Rechtsstreit einführen, aus denen sich der Schluss ziehen lässt, gewisse Krankheiten müssten als eine chronische Krankheitsanlage gemeinsam betrachtet werden. Weiterer Vortrag dazu ist der Arbeitgeberin auch nicht unmöglich. Die Arbeitnehmerin hat im Rechtsstreit umfassend auf ihr Krankheitsgeheimnis verzichtet, so dass es der Arbeitgeberin offen gestanden hätte, weitere Recherchen anzustellen. Das Beweisangebot der Arbeitgeberin, insoweit einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen, ist nicht ausreichend, da ohne entsprechenden Sachvortrag nicht klar ist, welche Frage das Gericht dem Sachverständigen mit der Bitte um Erläuterung der Zusammenhänge vorlegen sollte.

Die Rückenprobleme der Arbeitnehmerin, die als eine Folge des Unfallereignisses Mitte März 2014 angesehen werden müssen, müssen als ausgeheilt betrachtet werden.

Das Gericht geht mit der Arbeitnehmerin davon aus, dass ihre Rückenprobleme durch ein Unfallereignis Mitte März 2014 ausgelöst wurden. Soweit das Bestreiten der Arbeitgeberin dahin zu verstehen sein sollte, dass sie nicht nur den Treppensturz an sich, sondern überhaupt ein Unfallereignis in Form eines Sturzes als Auslöser der Rückenprobleme in Frage stellen wollte, wäre dieses Bestreiten als unbeachtlich anzusehen.

Denn der Chirurgische Notfallbericht, der anlässlich der Aufnahme der Arbeitnehmerin über die Notaufnahme im Krankenhaus am 16.03.2014 verfasst wurde, beschreibt Verletzungen der Arbeitnehmerin, wie sie typischerweise bei einem Sturz oder einem ähnlichen Unfallereignis auftreten können. Denn der aufnehmende Arzt hat eine Prellung der Lendenwirbelsäule im Bereich des Kreuzbeins (Os sacrum) sowie eine Prellung am rechten Außenknöchel sowie Hämatome an der linken Flanke festgestellt. Insoweit muss er auch von einer erheblichen Verletzung ausgegangen sein, denn er hat das Fertigen einer Röntgenaufnahme zur Abklärung einer Fraktur angeordnet und er hat die Einnahme von Ibuprofen in einer verschreibungspflichtigen Dosierung (Ibuprofen 600) verordnet. – Es mag dahinstehen, ob die Verletzungen tatsächlich auf einen Treppensturz oder auf ein anderes Ereignis, dass dazu geführt hat, dass die Arbeitnehmerin gestürzt ist, zurückzuführen ist. Denn jedenfalls reicht für den vorliegenden Zusammenhang die Feststellung aus, dass die Rückenprobleme der Arbeitnehmerin durch ein Unfallereignis mit Verletzungsfolgen ausgelöst wurden.

Die Rückenprobleme der Arbeitnehmerin, die als Folge des Sturzes aufgetreten sind, müssen als ausgeheilt betrachtet werden, denn spätestens seit Februar 2015 möglicherweise schon seit November 2014 sind keine Ausfallzeiten mehr aufgetreten, die auf das aufgetretene Rückenproblem zurückzuführen sind.

Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall weg. Darauf hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung in diesem Punkt gestützt. Für einen vom Regelfall abweichenden Krankheitsverlauf in Folge des vorliegenden Unfallereignisses liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

Jedenfalls ist die Häufigkeit und Dauer der Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin wegen der Unfallfolgen nicht so ungewöhnlich hoch, dass sich darauf auf eine nicht ausgeheilte oder nicht ausheilbare Unfallfolge schließen lässt. Die Arbeitnehmerin war vom Unfalltag im März 2014 an zunächst 30 Kalendertage erkrankt und hatte dann weitere Ausfallzeiten wegen der fortbestehenden Rückenprobleme vom 11. bis zum 21.09. (11 Kalendertage) und ab dem 23.10.2014 für weitere 30 Kalendertage. Schließlich ist sie im Februar 2015 nochmals 5 Kalendertage wegen Rückenbeschwerden ausgefallen. Die Arbeitnehmerin hat also maximal 76 Kalendertage an den Folgen des Unfallereignisses laboriert. Das ist unter Berücksichtigung der Verletzung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule nicht außergewöhnlich lange. Davon ist bereits das Arbeitsgericht ausgegangen, ohne dass die Arbeitgeberin im Berufungsrechtszug weitere Umstände zur Widerlegung dieser Feststellung vorgetragen hat.

Es liegen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Arbeitnehmerin auf Grund des Unfalls in Form des Bandscheibenvorfalls einen bleibenden Schaden davongetragen hat, der auch zukünftig für weitere Krankheitsepisoden sorgen wird. Vielmehr ist lediglich davon auszugehen, dass anlässlich der aufwändig betriebenen Diagnostik bei der Arbeitnehmerin sozusagen als Beifang ein Bandscheibenproblem festgestellt wurde. Es kann aber weder festgestellt werden, dass die seit dem Sturz aufgetretenen Rückenbeschwerden darauf zurückzuführen waren, noch kann überhaupt festgestellt werden, dass das entdeckte Bandscheibenproblem der Arbeitnehmerin überhaupt schon einmal Probleme bereitet hat.

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Die Arbeitgeberin stützt sich für ihre Behauptung, die Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin wegen des Rückenleidens seien auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen, auf den ärztlichen Befundbericht vom 07.10.2014, der in einer Klinik anlässlich der vom niedergelassenen Arzt angeordneten Magnetresonanztomographie (MRT) der unteren Wirbelsäule entstanden ist. Die Folgerung, die die Arbeitgeberin aus dem Arztbericht zieht, wird vom Gericht nicht geteilt.

In dem Befundbericht heißt es zwar einleitend, die physiologisch bedingte natürliche Krümmung der Wirbelsäule (Lordosierung) sei aufgehoben. Anschließend wird jedoch festgestellt, dass das Hinterkantenalignment intakt sei und die Wirbelkörper normal hoch und ihre Randkonturen regelrecht abgrenzbar seien. Abnorme Signalveränderungen könnten nicht festgestellt werden, auch gebe es „keine erkennbaren posttraumatischen Knochenmarksveränderungen“. Lediglich im Bereich LWK 4/5 gebe es eine Bedrängung der rechten L4-Nervenwurzel und dort sowie der näheren Umgebung dazu auch eine „Verplumpung der kleinen Wirbelgelenke“. In der Bewertung stellt der befundende Arzt eine forminale Bandscheibenprotursion im Segment LWK 4/5 mit Ruptur des Anulus fibrosus und konsequtiver Bedrängung der rechten L4 Nervenwurzel im Foramen“ fest.

Damit steht fest, dass medizinisch lediglich eine Bandscheibenvorwölbung (Protursion) und nicht ein Bandscheibenvorfall (Prolaps) festgestellt wurde. Bei der Bandscheibenprotursion kommt es noch nicht zum Kontakt zwischen der Gallertmasse aus dem Inneren der Bandscheibe mit dem umgebenden Gewebe, vielmehr ist lediglich der äußere Faserring der Bandscheibe (Anulus fibrosus) in seiner Funktionstüchtigkeit so eingeschränkt, dass sich die Gallertmasse im Inneren bereits auf den Rand zu vorwölben konnte. Die Aufgabe des äußeren Faserrings, den Kontakt der Gallertmasse mit umgebendem Gewebe zu verhindern, ist dabei noch erfüllt. Medizinisch gesehen gibt es auch keinen Automatismus, eine Protursion mündet nicht zwangsläufig in einen Prolaps. Wie die Arbeitnehmerin zutreffend vorgetragen hat, kann eine Protursion entweder jahrelang beschwerdefrei ertragen werden oder sie kann sich gar gänzlich zurückbilden.

Aus dem Befundbericht ergeben sich auch sonst keine Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass das beim MRT zu Tage getretene Bandscheibenproblem der Arbeitnehmerin Beschwerden bereitet. Das Gericht geht davon aus, dass der Arzt in seinem Bericht mitgeteilt hat, dass der kleine Kanal, der zwischen den Bandscheiben und der Wirbelsäule vorhanden ist und durch den die Nervenstränge nach außen geführt werden (Spinalkanal), im Bereich zwischen den Lendenwirbeln 4 und 5 aufgrund einer Beschädigung (Ruptur) des äußeren Faserrings der Bandscheibe (Anulus fibrosus) den Nerv L4 rechts bedrängt.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade das im Befund beschriebene Problem für das seinerzeitige Leiden der Arbeitnehmerin verantwortlich war. Diese Folgerung stützt das Gericht einerseits darauf, dass der befundende Arzt keine Folgen der festgestellten Bedrängung des Nervs festgestellt hat und auch darauf, dass der Begriff Bedrängung sehr offen ist. Er würde zumindest sehr gut zu einer Problembeschreibung passen, die akut keine Folgen mit Krankheitswert zeitigt, vielmehr ein bei negativer Entwicklung des Bedrängungsprozesses zukünftig möglicherweise auftretendes Problem skizziert. Diese Interpretation der Bewertung durch den befundenden Arztes harmoniert insbesondere mit dessen vorangegangener Feststellung, dass eine abnorme Signalveränderung nicht festgestellt werden könne.

Zum anderen stützt das Gericht seine Folgerung auch auf den Umstand, dass die Arbeitnehmerin in den Tagen vor und nach der Befunderstellung überhaupt nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Im fraglichen Zeitraum war sie zunächst vom 11. bis zum 21.09.2014 für 8 Kalendertage wegen ihres Rückenleidens erkrankt. Danach war sie wieder arbeitsfähig und zwar über den Tag der MRT-Untersuchung am 7.10.hinaus. Erst vom 23.10.2014 an war sie dann nochmals 30 Kalendertage wegen des Rückenleidens erkrankt. Da man aus dem Gesamtverhalten der Arbeitnehmerin wohl den Schluss ziehen darf, dass sie sich beim Auftreten ernsthafter Beschwerden krank gemeldet hätte, muss im Umkehrschluss davon ausgegangen werden, dass sie zum Zeitpunkt der Erstellung des MRT beschwerdefrei war.

Im Übrigen muss beachtet werden, dass nach dem Unfallbericht vom 16.03.2014 das Kreuzbein (Os sacrum), das sich am Ende der Wirbelsäule sozusagen als Lendenwirbelknochen 0 befindet, durch den Sturz in Mitleidenschaft gezogen wurde und nicht der Bereich bei den Lendenwirbelsäulenknochen 4 und 5, auf den sich die im MRT festgestellte Anomalie bezieht.

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Damit kann lediglich festgestellt werden, dass die Arbeitnehmerin im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule ein Problem hat, das theoretisch geeignet ist, zukünftig Leiden zu verursachen. Es ist aber weder klar, wann diese Probleme auftreten werden, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das beim MRT festgestellte Problem notwendig oder mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu weiteren Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin führen wird. Dabei muss zu Gunsten der Arbeitnehmerin auch berücksichtigt werden, dass ihr erheblicher Gewichtsverlust, den die Arbeitnehmerin im weiteren Verlauf des Jahres 2015 zu verzeichnen hatte, und den sie auf die Überforderungssituation aufgrund der Scheidung zurückführt, sich generell positiv auf die Belastungssituation der unteren Wirbelsäule ausgewirkt haben dürfte.

In der Gesamtbetrachtung reicht das für eine Indizwirkung der festgestellten Ausfallzeiten 2014 und 2015 wegen der Rückenprobleme der Arbeitnehmerin für zukünftige Ausfallzeiten nicht aus.

Auch die Ausfallzeiten wegen der körperlichen Reaktion der Arbeitnehmerin auf die durch die Scheidung ausgelöste Lebenskrise (54 Kalendertage in 2015) bieten keine Basis für eine Prognose weiterer Ausfallzeiten, da derartige Krankheiten nach allgemeiner Lebenserfahrung überwunden werden und Indizien für eine andere Prognose hier nicht vorliegen.

Dass diese Ausfallzeiten auf eine körperliche Reaktion der Arbeitnehmerin auf ihre familiäre Belastungssituation zurückzuführen sind, steht für das Gericht aufgrund der ärztlichen Mitteilung vom 25.04.2014 mit ausreichender Sicherheit fest.

Der Arzt hat bei der Arbeitnehmerin Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen festgestellt und hat diese ursächlich in Zusammenhang gestellt mit einem traumatischen Ereignis („posttraumatischer Beschwerdekomplex“). Dieser kausale Zusammenhang ergab sich zwar für den Arzt in erster Linie aus dahingehenden Schilderungen der Arbeitnehmerin, die subjektiv eingefärbt gewesen sein mögen. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass der Arzt aufgrund seiner Fachkunde in der Lage ist einzuschätzen, ob derartige Bekundungen eines Patienten nur vorgeschoben sind, oder ob man sie aus medizinischer Sicht für gegeben erachten kann. Auch wenn die Arbeitnehmerin die Scheidung wegen der berichteten häuslichen Gewalt selbst vorangetrieben hat, ist es naheliegend, dass bei der Arbeitnehmerin aus Anlass der Scheidung im Mai 2015 wegen der heftigen Auswirkungen der Scheidung auf ihren Mann und auf ihr Kind (erneut) Schuldgefühle und ähnliche Zweifel aufgekommen sind, auf die sie körperlich reagiert hat. Im Übrigen versteht das Gericht den Arztbericht dahin, dass die klägerische Lebenskrise nicht ausschließlich durch die Scheidung im Mai 2015 selbst verursacht wurde, die ja aus der Sicht der Arbeitnehmerin sogar als befreiend angesehen werden könnte, sondern insbesondere auch aus der Sorge um die Folgeprobleme, nämlich die notwendige Neuordnung ihres Lebens unter Einschluss der Neuordnung der Aufsichtspflicht gegenüber ihrem noch im Haushalt lebenden minderjährigen Kind.

Wegen der zeitlichen Nähe der Kündigung zu der Ausfallzeit der Arbeitnehmerin wegen des posttraumatischen Beschwerdekomplexes kann vorliegend zwar nicht festgestellt werden, dass dieses Leiden zum Zeitpunkt der Kündigung bereits ausgeheilt war. Allerdings kann festgestellt werden, dass weder das Leiden selbst noch die damit vor Ausspruch der Kündigung verbundenen Ausfallzeiten eine ausreichende Indizwirkung für die notwendige Fehlzeitenprognose haben.

Denn die Arbeitnehmerin hat sich nach der Überzeugung des Gerichts im Sommer und Herbst 2015 in einer Lebenskrise befunden, in der sie vorübergehend ihren Lebensmut verloren hatte. Die vom Arzt beschriebenen Leiden sind für das Gericht als bekannte menschliche Reaktion auf derartige Krisen ohne weiteres nachvollziehbar. Allerdings entspricht es ebenso der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen geordnet und möglicherweise alsbald auch wieder mit Lebensfreude fortzuführen.

Angesichts dieses sozusagen natürlichen Verlaufs von Lebenskrisen mit Verlust des Lebensmuts kann man ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht davon ausgehen, dass diese Lebenskrise zukünftig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen. Irgendwelche objektiven Umstände aus der Zeit vor Ausspruch der Kündigung, die geeignet wären, den von der Arbeitgeberin gewünschten Schluss zu ziehen, die Arbeitnehmerin werde nicht wieder auf die Beine fallen, sind jedenfalls nicht vorgetragen. Auf die mutmaßliche Dauer der Ausfallzeiten wegen der Lebenskrise kommt es dabei so gut wie nicht an. Denn erst dann, wenn festgestellt werden müsste, dass die Arbeitnehmerin gar nicht mehr in der Lage ist, einen Ausweg aus der Lebenskrise zu finden, könnte man eine darauf aufbauende Kündigung ins Auge fassen. Weitere Ausführungen dazu können dahinstehen, da sich das Leben der Arbeitnehmerin glücklicherweise nicht in diese Richtung entwickelt hat.

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Die danach für eine Zukunftsprognose der Ausfallzeiten noch heranziehbaren übrigen Ausfallzeiten sind so gering, dass eine zur Kündigung ausreichende negative Prognose nicht mehr möglich ist. Davon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

Lässt man die oben betrachteten Ausfallzeiten und Krankheitsursachen aus den dort genannten Gründen für die Fehlzeitenprognose außer Acht, sind die Ausfallzeiten der Arbeitnehmerin insgesamt unauffällig niedrig. Im Jahre 2011 ergeben sich keine Ausfallzeiten, im Jahre 2012 ergeben sich 33 Kalendertage Ausfallzeit, im Jahre 2013 ergeben sich 8 Kalendertage Ausfallzeit, im Jahre 2014 ergeben sich 10 Kalendertage Ausfallzeit und im Jahre 2015 mindestens 11 Kalendertage Ausfallzeit. Zählt man die 5 Ausfalltage im Februar wegen des Rückenleidens ebenfalls dazu, kommt man auf 16 Ausfalltage. Das ergibt über die Jahre 2012 bis 2015 eine durchschnittliche Ausfallzeit pro Jahr im Umfang von etwas unter 17 Kalendertagen. Das ergibt gemessen in Kalendertagen eine Ausfallquote unter 5 Prozent. Würde man die durch die Ausfalltage ausgefallenen Arbeitstage als Rechengröße zu Grunde legen, wäre die Quote sicher etwas höher anzusetzen. Sie könnte aber die von der Arbeitgeberin angegebenen Ausfallquote im Betrieb im Umfang von rund 6 Prozent der Arbeitszeit jedenfalls nicht deutlich übersteigen.

Wegen dieses Befundes, der selbst bei fehlender Kenntnis der Krankheitsursachen nicht für eine grobe Prognose zukünftiger unzumutbarer Fehlzeiten ausreichen würde, kann das Gericht offen lassen, ob die zu Grunde liegenden Krankheiten ausgeheilt sind.

Das gilt auch für die von der Arbeitgeberin in den Vordergrund gestellten Ausfallzeiten wegen der Erkrankung der Atemwege. Atemwegserkrankungen haben 2012 zu 26 Kalendertagen Ausfallzeit geführt, 2013 zu keiner Ausfallzeit, 2014 zu 7 Kalendertagen Ausfallzeit und 2015 zu 4 Kalendertagen Ausfallzeit. In 4 Kalenderjahren sind also insgesamt 37 Kalendertage auf die Erkrankung der Atemwege zurückzuführen. Das ergibt einen Jahresdurchschnitt von 9, 25 Kalendertagen. Das sind zwar auffällig hohe und auffällig häufige Ausfallzeiten. Das Gericht sieht sich aber nicht in der Lage, allein aufgrund dieser Umstände von einer chronischen Erkrankung der oberen Atemwege zu sprechen. Dazu fehlt es insbesondere an Sachvortrag zur medizinischen Bewertung der Problemlage. Für den Vortrag entsprechender medizinischer Einschätzungen liegt die Darlegungs- und Beweispflicht bei der Arbeitgeberin, da sie den Kündigungsgrund darzustellen hat (§ 1 Absatz 2 LSGchG). Die Anzahl der Ausfallereignisse (im Durchschnitt eine Ausfallzeit pro Kalenderjahr) und die Anzahl der Ausfalltage geben jedenfalls keinen Anlass, die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende chronische Erkrankung in Richtung der Arbeitnehmerin zu verschieben.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin lässt sich die notwendige Fehlzeitenprognose auch nicht mit einer Krankheitsanfälligkeit der Arbeitnehmerin begründen.

Wird die negative Zukunftsprognose auf eine Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers gestützt, betrachtet man alle Ausfallzeiten gemeinsam unter Einschluss der ausgeheilten Krankheiten. Hier bedarf es der positiven Feststellung, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer konstitutionellen Schwäche oder aus sonstigen feststellbaren Gründen dazu neigt, krank zu werden7. Eine Krankheitsanfälligkeit verlangt die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt. Das BAG hat in der vorerwähnten Entscheidung dementsprechend darauf abgestellt, ob die Ausfallzeiten, die auf eine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, den Schwellenwert von 42 Kalendertagen im Kalenderjahr überschreiten.

Blickt man nur auf diese statistischen Daten der klägerischen Ausfallzeiten, könnte man durchaus von einer Krankheitsanfälligkeit sprechen.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Negativprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit. Allgemein gesprochen kann ein solche Erklärung beispielsweise in einem ungesunden Lebenswandel gesehen werden, im Betreiben verletzungsgeneigter Sportarten, in einer konstitutionellen Schwäche (Anfälligkeit für bestimmte Krankheitsarten) oder – insbesondere bei fortgeschrittenem Lebensalter – im Auftreten körperlichen Verschleißerscheinungen. In der bereits mehrfach zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.2005 hatte das Gericht beispielsweise darauf abgestellt, dass sich nahezu alle Ausfallzeiten auf Rückenprobleme im weitesten Sinne und auf Entzündungen der Nebenhöhlen und Schleimhäute zurückführen ließen, und hat damit auf eine konstitutionelle Schwäche des dortigen Arbeitnehmers abgestellt, was freilich auch dadurch erheblich erleichtert wurde, dass ein Arbeitsmediziner dem dortigen Arbeitnehmer bereits aus seinem medizinischen Blickwinkel eine „schicksalhafte Krankheitsanfälligkeit“ bescheinigt hatte.

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Ein vergleichbarer gemeinsamer Nenner für die verschiedenen Krankheiten der Arbeitnehmerin lässt sich vorliegend nach Überzeugung des Gerichts (noch) nicht feststellen. Die Arbeitnehmerin hatte 2011, 2012 und 2013 Probleme mit ihrem linken Arm (eingeklemmter Nerv, Sehnenscheidenentzündung), 2014 und 2015 hatte sie Rückenprobleme und 2015 hat sie körperlich auf eine Lebenskrise reagiert. Dazu gesellen sich über die Jahre verteilt kürzere Ausfallzeiten wegen Zahnproblemen, wegen Augenleiden, wegen einer Hauterkrankung, wegen Atemwegserkrankungen, wegen Erkrankungen im Magen- und Darmbereich und wegen urologischer Erkrankungen. Einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen diesen verschiedenen Krankheiten kann das Gericht nicht erkennen. Selbst eine geschwächte körperliche Konstitution als Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit kann nicht festgestellt werden, denn das Gericht ist nicht in der Lage das Element der körperlichen Konstitution zu benennen, das diese Schwäche ausgelöst hat.

Selbst wenn man – hilfsweise – davon ausgehen wollte, dass sich die Feststellung der Krankheitsanfälligkeit in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten erschöpfen soll, könnte vorliegend keine Krankheitsanfälligkeit festgestellt werden, da es die Arbeitgeberin unterlassen hat, die klägerischen Ausfallzeiten für die gesamte Zeit der Zusammenarbeit oder jedenfalls für einen deutlich längeren Zeitraum vorzutragen. Die Arbeitnehmerin ist seit 2003 bei der Arbeitgeberin beschäftigt, Angaben zu den Ausfallzeiten liegen jedoch nur für die Zeit ab August 2011 vor. Wie die mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.2005 zeigt, bedarf es jedoch für die Feststellung der Krankheitsanfälligkeit einer umfassenden Analyse der Ausfallzeiten im gesamten Arbeitsverhältnis, zumindest muss einen sehr viel größeren Beobachtungszeitraum als vorliegend zu Grunde legen.

Denn wenn man den vorliegenden Betrachtungszeitraum von knapp 5 Jahren ausreichen lassen würde, würde es zwischen den Anforderungen an die erste Grobprognose des Arbeitgebers ohne Kenntnis medizinischer Ursachen der Ausfallzeiten und der Feststellung der Krankheitsanfälligkeit keinen Unterschied mehr geben. Das kann nicht richtig sein, denn dann käme es unter keinen Umständen mehr auf eine medizinische Bewertung der Ausfallzeiten an, was ersichtlich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Einklang steht.

Da die soziale Rechtfertigung der Kündigung hier schon an der Negativprognose scheitert, konnte das Gericht alle weiteren Prüfungsschritte einer wirksamen krankheitsbedingten Kündigung und den damit verbundenen Streit der Parteien offenlassen.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. März 2017 – 2 Sa 158/16

  1. BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 – AP Nr. 52 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, DB 2015, 1290, NZA 2015, 612[]
  2. BAG 10.11.2005 – 2 AZR 44/05 – AP Nr. 42 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, NZA 2006, 655[]
  3. BAG 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 – AP Nr. 52 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, DB 2015, 1290, NZA 2015, 612[]
  4. ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 20.11.2014 aaO; BAG 10.12 2009 – 2 AZR 400/08 – AP Nr. 48 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, NZA 2010, 398; BAG 1.03.2007 – 2 AZR 217/06 – AP Nr. 2 zu § 90 SGB IX, NZA 2008, 302, DB 2007, 1702[]
  5. BAG 1.03.2007 aaO; BAG 10.11.2005 – 2 AZR 44/05 – AP Nr. 42 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, NZA 2005, 655[]
  6. BAG 10.11.2005 aaO[][]
  7. BAG 10.11.2005 – 2 AZR 44/05 – AP Nr. 42 zu § 1 LSGchG 1969 Krankheit, NZA 2006, 655[]