Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter – und die Frist für die Kündigungsschutzklage

Im Falle des (formwirksamen) Ausspruchs einer Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht beginnt die Klagefrist des § 4 KSchG erst mit dem Zugang der Genehmigung des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer. Dies gilt auch im den Fall des Bestehens einer Anscheinsvollmacht.

Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter – und die Frist  für die Kündigungsschutzklage

Will der Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Wird die Unwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage ist deshalb als unbegründet abzuweisen1.

Da § 4 Satz 1 KSchG auf den Zugang der schriftlichen Kündigung abstellt, kann der Mangel der Schriftform auch noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist geltend gemacht werden2.

Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung setzt der Beginn der Klagefrist ferner den Zugang einer vom Arbeitgeber stammenden, ihm jedenfalls zurechenbaren Kündigung voraus.

Die Erweiterung des § 4 Abs. 1 KSchG auf „sonstige Unwirksamkeitsgründe“ durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 erfolgte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht3. Die dreiwöchige Klagefrist dient vor allem dem Schutz des Arbeitgebers. Er soll nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang und einer Zeitspanne für die Klagezustellung darauf vertrauen dürfen, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat4. Dieses Schutzes bedarf der Arbeitgeber nicht, wenn weder er selbst noch ein Vertreter mit Wirkung für und gegen ihn gekündigt hat5. Schon dieser Umstand spricht gegen die Ansicht, die Klagefrist werde auch durch eine dem Arbeitgeber nicht zuzurechnende Kündigung in Gang gesetzt. Hinzu kommt, dass es andernfalls uU ein Dritter in der Hand hätte, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, ohne dass zumindest eine Partei des Arbeitsvertrags dies tatsächlich wollte. Versäumte der Arbeitnehmer die Einhaltung der Klagefrist, träte die Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG ein, ohne dass der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt hätte, dies zu verhindern. Er wäre vielmehr darauf angewiesen, dass die (ohne Befugnis) ausgesprochene Kündigung auch vom Arbeitnehmer nicht akzeptiert und klageweise angegriffen wird6.

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Eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht ist dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen, weil sie nicht von seinem Willen getragen ist. Die erforderliche Zurechenbarkeit wird erst durch eine (nachträglich) erteilte Genehmigung hergestellt7. Eine solche ist gemäß § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB möglich, wenn der Erklärungsempfänger die Vertretungsmacht nicht „bei der Vornahme“ beanstandet hat8. Materiellrechtlich kann die Genehmigung sowohl gegenüber dem Vertreter als auch dem Erklärungsempfänger erklärt werden (§ 182 Abs. 1 BGB). Da aber § 4 Satz 1 KSchG den Beginn der Frist an den Zugang der Kündigungserklärung knüpft und damit von der Kenntnismöglichkeit des Arbeitnehmers abhängig macht, ist auch für die Genehmigung – ebenso wie im Fall des § 4 Satz 4 KSchG – auf ihren Zugang beim Arbeitnehmer abzustellen9. Die materiellrechtliche Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) ist für den Lauf der Klagefrist ohne Bedeutung10. Das Interesse des Arbeitgebers an der raschen Klärung der Frage, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, beginnt im Fall der Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erst mit der Genehmigung.

Die Klagefrist ist mit Zugang des Kündigungsschreibens nur dann in Gang gesetzt worden, wenn zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Vollmacht der erklärenden Personen bestand. Allein der Rechtsschein einer solchen Bevollmächtigung führt nicht dazu, dass die Kündigungserklärung der Beklagten zurechenbar wäre. § 4 KSchG dient dem Schutz des Arbeitgebers. Die gewohnheitsrechtlich anerkannte Figur der Anscheinsvollmacht11 dient hingegen dem Schutz des Arbeitnehmers als des Erklärungsempfängers. In dessen Interesse aber liegt eine Zurechenbarkeit der Kündigung zum Arbeitgeber gerade nicht. Der Arbeitgeber wiederum ist bei Vorliegen eines bloßen Rechtsscheins wegen des Fehlens einer tatsächlich von seinem Willen getragenen Erklärung nicht im Sinne von § 4 KSchG schutzbedürftig. Eine andere Sichtweise ist weder mit dem Schutzzweck des § 4 Satz 1 KSchG noch mit dem der Anscheinsvollmacht vereinbar.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. September 2012 – 2 AZR 858/11

  1. BAG 26.06.1986 – 2 AZR 358/85, zu B II 3 b der Gründe, BAGE 52, 263[]
  2. BAG 28.06.2007 – 6 AZR 873/06, Rn. 10, BAGE 123, 209[]
  3. BR-Drucks. 421/03 S. 11 und 19[]
  4. APS/Hesse 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 10c[]
  5. BAG 26.03.2009 – 2 AZR 403/07, Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 70; APS/Hesse aaO; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 4 KSchG Rn. 6; MünchKommBGB/Hergenröder 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 1; Genenger RdA 2010, 274, 277 ff.[]
  6. BAG 26.03.2009 – 2 AZR 403/07, Rn. 23, aaO[]
  7. BAG 26.03.2009 – 2 AZR 403/07, Rn. 21, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 70[]
  8. BAG 16.12.2010 – 2 AZR 485/08, Rn. 13, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33[]
  9. ErfK/Kiel 12. Aufl. § 4 KSchG Rn. 6; APS/Hesse 4. Aufl. KSchG § 4 Rn. 10c; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 4 Rn.20[]
  10. vgl. allgemein Palandt/Ellenberger 72. Aufl. § 184 Rn. 2; zur Verjährung: Staudinger/Gursky 2009 BGB § 184 Rn. 38 mwN[]
  11. vgl. Palandt/Ellenberger 72. Aufl. BGB § 172 Rn. 6[]