Kündigung eines Wahlbewerbers

Die Kündigung eines Arbeitnehmers ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Wahlbewerber zum Betriebsrat im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die sich noch in der Probezeit befinden.

Kündigung eines Wahlbewerbers

In dem jetzt vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall fertigte der Arbeitnehmer am 26. Juli 2008 einen ihn als Bewerber ausweisenden schriftlichen Wahlvorschlag (Vorschlagsliste) und gab diesen als ein an den Wahlvorstand gerichtetes Einwurfeinschreiben zur Post. Es ging beim Wahlvorstand frühestens am 28. Juli 2008 ein. Mit Schreiben vom 25. Juli 2008, das dem Arbeitnehmer am 28. Juli 2008 zuging, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit“ zum 3. August 2008. Der Arbeitnehmer hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben, der das Arbeitsgericht stattgegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist die ordentliche Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig.

Unter welchen Voraussetzungen ein Wahlvorschlag im Sinne des Gesetzes „aufgestellt“ ist und demnach der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber einsetzt, ist umstritten.

  1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beginnt der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber, sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und für den Kandidaten ein Wahlvorschlag vorliegt, der die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften aufweist. Der Wahlvorschlag ist dann im Sinne des Gesetzes „aufgestellt“. Auf seine Einreichung beim Wahlvorstand kommt es nicht an1.
  2. Demgegenüber wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Kündigungsschutz setze erst mit Eingang des gültigen Wahlvorschlags beim Wahlvorstand ein. Erst ab diesem Zeitpunkt entfalte ein Wahlvorschlag bindende Wirkung und könne als „aufgestellt“ angesehen werden. Zudem lasse sich der Zeitpunkt der Anbringung der letzten Stützunterschrift oftmals nur schwer feststellen. Hieran anzuknüpfen bringe ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich2.
  3. Das Bundesarbeitsgericht hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Sie ist verbreitet auf Zustimmung gestoßen3. Für sie sprechen nach wie vor die besseren Argumente.

Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG enthält keinen eindeutigen Anhaltspunkt für die Frage, wann von der „Aufstellung des Wahlvorschlags“ auszugehen ist4. Der Begriff wird weder im Kündigungsschutzgesetz, noch im Betriebsverfassungsgesetz oder in der einschlägigen Wahlordnung näher definiert.

Schon der allgemeine Sprachgebrauch spricht aber dagegen, an den Eingang des Vorschlags beim Wahlvorstand oder gar – wie die Revision meint – an den (späteren) Zeitpunkt, zu dem der Wahlvorstand den Vorschlag nach § 7 WO geprüft und für gültig befunden hat, anzuknüpfen. Nach alltagssprachlichem Verständnis liegt es vielmehr nahe anzunehmen, dass nur ein Wahlvorschlag, der bereits „aufgestellt“ ist, beim Wahlvorstand eingereicht werden kann. Das bedeutet, dass der Vorgang der Aufstellung dem der Einreichung zeitlich vorangehen muss5.

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Auch die Wahlordnung unterscheidet zwischen der „Aufstellung“ von Wahlvorschlägen (in § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 3 WO) und deren „Einreichung“ beim Wahlvorstand (bspw. in § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 36 Abs. 5 WO). Nach § 3 Abs. 3 WO soll der Wahlvorstand, sofern es nach Größe, Eigenart und Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft des Betriebs zweckmäßig ist, im Wahlausschreiben darauf hinweisen, dass „bei der Aufstellung von Wahlvorschlägen“ die einzelnen Organisationsbereiche und die verschiedenen Beschäftigungsarten berücksichtigt werden sollen. Diese Regelung geht erkennbar davon aus, dass die „Aufstellung“ des Vorschlags der Einreichung beim Wahlvorstand zeitlich vorangeht.

Hätte der Gesetzgeber für den Beginn des Kündigungsschutzes an die Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand anknüpfen wollen, hätte es nahe gelegen, dies in § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG so zum Ausdruck zu bringen6. Das ist trotz verschiedentlicher Neuregelungen des § 15 KSchG nicht geschehen. Dabei kann vorausgesetzt werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage des Beginns des Sonderkündigungsschutzes bekannt war. Das spricht dafür, dass er die Regelung in diesem Sinne verstanden wissen wollte.

Insbesondere der Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG spricht dafür, an den Zeitpunkt anzuknüpfen, zu dem die letzte der erforderlichen Stützunterschriften unter den Wahlvorschlag gesetzt worden ist.

Den Gesetzesmaterialien zufolge ist der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG auf Wahlbewerber ausgedehnt worden, weil dieser Personenkreis im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte mit dem Arbeitgeber für die Zeit der Wahl in ähnlicher Weise schutzbedürftig ist wie Betriebsratsmitglieder. Der Kündigungsschutz soll die Durchführung der Betriebsratswahlen dadurch erleichtern, dass Arbeitnehmer eher Bereitschaft zu einer Kandidatur entwickeln. Außerdem sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, etwa nicht genehme Wahlbewerber durch Kündigung von der Wahl auszuschließen7.

Um dieses Ziel effektiv zu gewährleisten, muss der Kündigungsschutz zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen. Die aus der Kandidatur erwachsende besondere Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines Wahlbewerbers entsteht dann, wenn für den Arbeitgeber erkennbar werden kann, dass der Arbeitnehmer für das Amt in Aussicht genommen ist8. Diese Möglichkeit besteht, sobald ein Wahlvorschlag vorliegt, der den Arbeitnehmer als Kandidaten benennt. Von diesem Zeitpunkt an ist dessen Bewerbung zumindest bei den Unterstützern und damit in gewisser Weise „im Betrieb“ bekannt. Es widerspräche dem gesetzgeberischen Anliegen, wenn ein Wahlbewerber auch jetzt noch ohne besonderen Schutz bliebe. Dies könnte Arbeitnehmer von einer Kandidatur abhalten. Auf den Zeitpunkt der Einreichung beim Wahlvorstand abzustellen wäre zudem geeignet, Kandidaten zu benachteiligen, die ihre Arbeitsleistung – wie im Streitfall – außerhalb des Ortes erbringen, an dem sich der Sitz des Wahlvorstands befindet, und die deshalb auf eine postalische Übermittlung des Vorschlags angewiesen sind. Das liefe auch kollektiven Interessen der den Kandidaten unterstützenden Arbeitnehmer und der Gesamtbelegschaft zuwider, die auf eine möglichst leichte und von personellen Einflussnahmen des Arbeitgebers freie Durchführung des Wahlverfahrens gerichtet sind. Dass der Gesetzgeber diesen Anliegen eine hohe Bedeutung beimisst, zeigt die zwischenzeitlich erfolgte Ausweitung des besonderen Kündigungsschutzes auf die Initiatoren einer Betriebsratswahl in § 15 Abs. 3a KSchG9.

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Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das Kündigungsschutzprivileg eng mit dem Wahlverfahren verknüpft und durch dieses zeitlich und funktional begrenzt ist. Zudem verlangt das Erfordernis der „Aufstellung“ des Wahlvorschlags nach der Einhaltung einer bestimmten Form10. Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG verweist deshalb für den Beginn des Schutzes auf einen Abschnitt im Wahlverfahren, der zeitlich nach der bloßen Verlautbarung einer möglichen Kandidatur oder eines entsprechenden Interesses liegt und der nicht gar schon in eine Zeit fällt, zu der das Wahlverfahren noch nicht einmal in Gang gesetzt worden ist11. Erforderlich ist die Existenz eines Wahlvorschlags, auf dessen Grundlage immerhin die greifbare Möglichkeit einer Wahl in den Betriebsrat besteht12.

Diesen Anforderungen wird am ehesten ein Wahlvorschlag gerecht, der die nach § 14 Abs. 4 BetrVG erforderliche Mindestzahl von Arbeitnehmerunterschriften trägt. Hat sich eine Kandidatur auf diese Weise verfestigt, muss der Arbeitgeber ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Kandidat in den Betriebsrat gewählt wird. Die damit verbundene „Vorwirkung“ des potentiellen Betriebsratsamts bewirkt eine erhöhte Kündigungsgefahr, die ein entsprechendes Schutzbedürfnis auf Seiten des Arbeitnehmers auslöst. Zugleich liegt in dem Erfordernis der hinreichenden Anzahl von Stützunterschriften – neben dem der Bestellung eines Wahlvorstands – ein geeignetes Instrument, um einem Missbrauch des Kündigungsschutzprivilegs entgegenzuwirken5.

Dieser Auslegung des Gesetzes steht nicht entgegen, dass eine vom Wahlvorstand zu beachtende Kandidatur erst vorliegt, wenn der Wahlvorschlag bei diesem binnen der im Gesetz vorgesehenen Frist eingereicht worden ist (§ 14 Abs. 3 BetrVG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 WO; § 14a Abs. 2, Abs. 3 BetrVG iVm. § 33 WO). Das Gesetz verlangt nicht, dass im Zeitpunkt der „Aufstellung“ des Wahlvorschlags iSv. § 15 Abs. 3 KSchG sämtliche für eine erfolgreiche Kandidatur notwendigen Förmlichkeiten gewahrt sind13. Auf etwaige Mängel des Wahlvorschlags kommt es – auch mit Blick auf den von § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG bezweckten Schutz kollektiver Interessen – so lange nicht an, wie der Mangel gemäß § 8 Abs. 2 WO behebbar ist14.

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Möglichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Zeitpunkts, zu dem die letzte der notwendigen Unterschriften geleistet worden ist, kann in gewisser Weise dadurch begegnet werden, dass der jeweilige Zeitpunkt der Unterzeichnung auf dem Wahlvorschlag festgehalten wird, mag dies auch – anders als für die Einreichung der Vorschlagsliste beim Wahlvorstand (vgl. § 7 Abs. 1 WO) – gesetzlich nicht vorgesehen sein. Im Übrigen trifft den Arbeitnehmer, der sich auf § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG beruft, die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes vorliegen. Er trägt damit auch das Risiko einer Nichterweislichkeit der Rechtzeitigkeit der Stützunterschriften. Im Übrigen sind selbst dann, wenn man auf den Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand abstellen wollte, Fälle denkbar, in denen der Beginn des Kündigungsschutzes zweifelhaft ist5.

Für den Beginn des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kommt es nicht darauf an, ob bei der Anbringung der letzten erforderlichen Stützunterschrift die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, die regelmäßig am Tag nach Aushang des Wahlausschreibens beginnt (§ 6 Abs. 1 WO; § 187 Abs. 1 BGB), schon angelaufen war15.

Ein Wahlvorschlag, der vor Beginn der für die Einreichung maßgebenden Fristen beim Wahlvorstand eingeht, ist nicht ein von vorneherein ungültiger Vorschlag. Gibt der Wahlvorstand einen ihm vorzeitig zugeleiteten Wahlvorschlag nicht zurück, kann er ihn nach Erlass des Wahlausschreibens nicht wegen vorzeitiger Einreichung ablehnen; er ist dann als mit Erlass des Wahlausschreibens eingereicht anzusehen16. Reicht der Wahlvorstand den Vorschlag zurück, verliert dieser dadurch nicht seine kündigungsrechtliche Relevanz. Er kann nach Anlaufen der Frist erneut eingereicht werden und dadurch volle Gültigkeit erlangen. Die „greifbare Möglichkeit“ einer Wahl besteht somit auch, wenn der Wahlvorschlag „vorfristig“ aufgestellt wurde.

Ein schon vollzogener Erlass des Wahlausschreibens ist auch nicht zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch erforderlich. Diesem ist hinreichend dadurch vorgebeugt, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Existenz eines Wahlvorstands voraussetzt.

Danach stand dem Kläger im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz als Wahlbewerber zu.

  1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ging das Kündigungsschreiben dem Kläger am 28. Juli 2008 zu. Zu diesem Zeitpunkt war unstreitig ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl für den Betrieb der Niederlassung bestellt.
  2. Bei Zugang der Kündigung lag ein den Kläger benennender Wahlvorschlag mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften vor.

    Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die letzte von insgesamt vier Stützunterschriften sei am 26. Juli 2008 um 16:00 Uhr auf dem schriftlichen Wahlvorschlag angebracht worden. Es hat diesen Umstand als zwischen den Parteien unstreitig bezeichnet und weiter angenommen, der Vorschlag sei unstreitig am 26. Juli 2008 um 16:38 Uhr an den Wahlvorstand versandt worden. Daran ist das Bundesarbeitsgericht gebunden. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe hinsichtlich des festgestellten Zeitpunkts der Anbringung der Stützunterschriften streitiges Vorbringen als unstreitig behandelt, ist unzulässig. Die in Rede stehenden Feststellungen sind im Tatbestand des Berufungsurteils enthalten. Die Beklagte konnte sie deshalb nur mit einem Berichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO angreifen17. Das ist nicht geschehen.

    Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, mit vier Unterschriften sei die gesetzlich erforderliche Zahl von Stützunterschriften vorhanden gewesen. Das ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die notwendige Zahl von Stützunterschriften für Wahlvorschläge der Arbeitnehmer ergibt sich aus § 14 Abs. 4 BetrVG (ggf. iVm. § 14a Abs. 2, § 14a Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Danach muss ein – schriftlicher – Wahlvorschlag mindestens von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, wenigstens aber von drei Arbeitnehmern unterzeichnet sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Im Betrieb waren 46 Arbeitnehmer beschäftigt.

    Sonstige Umstände, die von vorneherein der greifbaren Möglichkeit einer Wahl des Klägers entgegengestanden hätten und deshalb den Eintritt des Sonderkündigungsschutzes hätten hindern können18, liegen nicht vor.

    Zwar ist Voraussetzung für einen gültigen Wahlvorschlag die Wählbarkeit des Bewerbers nach § 8 BetrVG19. Fehlt es hieran, darf der Vorschlag vom Wahlvorstand gemäß § 8 WO nicht berücksichtigt werden. Für die Wählbarkeit ist aber nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Betriebsratswahl. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

    Der wahlberechtigte Arbeitnehmer muss, um nach § 8 Abs. 1 BetrVG wählbar zu sein, dem Betrieb sechs Monate angehören. Ausnahmen gelten nach § 8 Abs. 2 BetrVG, wenn der Betrieb kürzer als sechs Monate besteht.

    Für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG reicht es aus, dass die Voraussetzungen des § 8 BetrVG im Zeitpunkt der Wahl vorliegen. Der Arbeitnehmer kann sich nur dann nicht auf den besonderen Kündigungsschutz als Wahlbewerber berufen, wenn bei Zugang der Kündigung keinerlei Aussicht bestanden hat, dass er bei der durchzuführenden Wahl wählbar sein würde.

    Das Bundesarbeitsgericht hat bislang offen gelassen, ob bei der Berechnung der nach § 8 BetrVG maßgebenden Betriebszugehörigkeit auf den Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags oder den Zeitpunkt der Betriebsratswahl abzustellen ist18. Dafür, dass es auf den Zeitpunkt der Wahl und nicht den der Kündigung oder gar den der Aufstellung des Wahlvorschlags ankommt, sprechen vor allem teleologische Erwägungen. Die von § 8 BetrVG verlangte Dauer der Betriebszugehörigkeit soll gewährleisten, dass ein Betriebsratsmitglied einen ausreichenden Überblick über die Verhältnisse des Betriebs besitzt. Dies ist für die sachgerechte Ausübung des Betriebsratsamts notwendig ist20. Die Anforderung bezieht sich demzufolge auf das bereits gewählte, aktive Betriebsratsmitglied. Ob es schon als Wahlbewerber über entsprechende Kenntnisse verfügt hat, ist dagegen nicht entscheidend. Ein Wahlbewerber hat noch keine in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallenden Entscheidungen zu treffen21.

    Hier waren die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt. Der am 1. Februar 2008 eingestellte Kläger gehörte dem Betrieb bei der Durchführung der Betriebsratswahl am 2. September 2008 länger als sechs Monate an.

    Der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG steht nicht entgegen, dass die Kandidatur des Klägers zeitlich eng mit dem Kündigungsentschluss der Beklagten zusammenfiel. Das macht für sich genommen die Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz nicht rechtsmissbräuchlich. Ebenso wenig ist von Belang, ob die Beklagte, als sie den Kündigungsentschluss fasste, von der Bewerbung des Klägers bereits Kenntnis hatte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 377/10

  1. vgl. BAG 05.12.1980 – 7 AZR 781/78, BAGE 34, 291; 13.10.1977 – 2 AZR 387/76, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30; die Frage offen lassend BAG 17.03.2005 – 2 AZR 275/04, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1[]
  2. KPK/Bengelsdorf 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 8; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 15 Rn. 19; GK-BetrVG/Raab 8. Aufl. § 103 Rn. 17; Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 103 Rn. 19; Hanau AR-Blattei: Betriebsverfassung IX Anm. zu Entsch. 21; ders. AR-Blattei: Kündigungsschutz Anm. zu Entsch. 155; Meisel Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 5. Aufl. Rn. 644[]
  3. vgl. Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 13; DFL/Rieble 4. Aufl. § 103 Rn. 4; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 KSchG Rn. 14; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 103 Rn. 10; HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 15 Rn. 24; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 23, 25; KDZ/Deinert KSchR 8. Aufl. § 15 KSchG Rn. 16; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 15 Rn. 37; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 37; Eylert in Schwarze/ Eylert/Schrader § 15 KSchG Rn. 41; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1687; Stege/ Weinspach/Schiefer BetrVG 9. Aufl. § 103 Rn. 20; Nägele/Nestel BB 2002, 354, 355; Witt AR-Blattei SD 530.9 Rn. 13 ff.[]
  4. so schon BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30[]
  5. vgl. BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30[][][]
  6. vgl. bereits BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30[]
  7. vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 60[]
  8. vgl. BAG 05.12.1980 – 7 AZR 781/78, BAGE 34, 291; 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30[]
  9. vgl. auch BAG 26.11.2009 – 2 AZR 185/08, Rn. 18, BAGE 132, 293[]
  10. vgl. BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30; 04.04.1974 – 2 AZR 452/73, BAGE 26, 116[]
  11. vgl. BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74,aaO[]
  12. BAG 26.09.1996 – 2 AZR 528/95, AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45; 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, aaO[]
  13. vgl. BAG 04.03.1976 – 2 AZR 620/74, BAGE 28, 30; Reuter SAE 1975, 249 f.; ähnlich für die „Bestellung“ in § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG: BAG, 26.11.2009 – 2 AZR 185/08, BAGE 132, 293[]
  14. BAG 17.03.2005 – 2 AZR 275/04, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1; 05.12.1980 – 7 AZR 781/78, BAGE 34, 291; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader § 15 KSchG Rn. 41 mwN[]
  15. aA KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 25[]
  16. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 6 WO Rn. 3 mwN[]
  17. vgl. BAG 26.02.1987 – 2 AZR 177/86, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/ Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 106; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 74 Rn. 57[]
  18. vgl. BAG 26.09.1996 – 2 AZR 528/95, AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45[][]
  19. BAG 26.09.1996 – 2 AZR 528/95, AP KSchG 1969 § 15 Wahlbewerber Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 45[]
  20. BT-Drucks. VI/1786, S. 37[]
  21. vgl. LAG Hamm 21.04.1982 – 3 Sa 188/82, DB 1982, 2709; im Ergebnis ebenso: APS/Linck 3. Aufl. § 15 KSchG Rn. 58; Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 13; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 KSchG Rn. 10; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 8 Rn. 32; KDZ/Deinert 8. Aufl. § 15 KSchG Rn. 18; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 25a; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 20; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1687; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 8 Rn. 7[]
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