Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können.

Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung

Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben.

Der Arbeitgeber ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht.

Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist eine geplante Maßnahme durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann.

Will der Arbeitgeber als betriebsbedingten Kündigungsgrund seinen Entschluss zur Betriebsstilllegung anführen und ist bestritten, dass dieser Stilllegungsbeschluss im Kündigungszeitpunkt gefasst gewesen sei, so muss er substantiiert darlegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant hat. Hierzu gehören neben der vollständigen Aufgabe des Betriebszwecks die Einstellung der Betriebstätigkeit, insbesondere Produktion und Vertrieb, sowie die Auflösung der Betriebseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln1.

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Unerheblich ist es, warum die Arbeitgeberin die entsprechende Stilllegungsentscheidung getroffen hat. Allein die Entscheidung zur Betriebsstilllegung trägt die Kündigung. Selbst, wenn keine schwierige wirtschaftliche Situation vorgelegen hätte, wäre die Kündigung infolge der beabsichtigten Betriebsstilllegung gerechtfertigt.

Ein Hinweis auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Konzern macht die ausgesprochene Kündigung nicht unwirksam. Mangels Vereinbarung eines konzernweiten Versetzungsrechts kann die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer nicht zur Vermeidung der Kündigung einen Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen anbieten. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen ausgestaltet. Auf welcher Rechtsgrundlage die Beschäftigung eines weiteren Arbeitnehmers bei einem anderen Konzernunternehmen erfolgt ist, ist daher unerheblich.

Die Kündigung verstößt auch nicht gegen das Gebot der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG; wenn sämtlichen Arbeitnehmer gekündigt wird, bedarf es keiner sozialen Auswahl.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. Februar 2020 – 1 Sa 120/19

  1. BAG, Urteil vom 19.06.1991 – 2 AZR 127/91[]

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