Kündigungsschutzklage – und die Nachkündigung während des Berufungsverfahrens

Der Arbeitnehmer kann die Unwirksamkeit einer im Laufe des Berufungsverfahrens erklärten Kündigung auch in diesem zwischen den Parteien anhängigen Berufungsverfahren geltend machen.

Kündigungsschutzklage – und die Nachkündigung während des Berufungsverfahrens

Entscheidet er sich für diesen Weg, muss er gleichwohl – ggf. unter Berücksichtigung der Regelung des § 167 ZPO – die Klageerhebungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG wahren. Dem kann der Arbeitnehmer durch fristgerechte Erhebung einer Kündigungsschutzklage nachkommen.

Diesem Erfordernis wird er aber auch durch einen im Berufungsverfahren bereits anhängigen oder innerhalb von drei Wochen nach Zugang der weiteren Kündigung erhobenen allgemeinen Feststellungsantrag gerecht, selbst wenn er diesen erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG punktualisiert1

Ob das Gleiche zu gelten hat, wenn eine solche Punktualisierung unterbleibt, kann dahinstehen2. Die Arbeitnehmerin hat vorliegend die beiden Nachkündigungen rechtzeitig in das Berufungsverfahren eingeführt.

Die im Hinblick auf eine im Verlauf eines Gerichtsverfahrens erklärte Kündigung vorgenommene „Punktualisierung“3 eines allgemeinen Feststellungsantrags auf einen Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 KSchG ist nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen4.

Die Punktualisierung des von der Arbeitnehmerin im Berufungsverfahren weiterverfolgten allgemeinen Feststellungsantrags auf die (hier: insgesamt zwei) Kündigungsschutzanträge gemäß § 4 Satz 1 KSchG unterfällt somit § 264 Nr. 2 ZPO. Darum greift § 533 ZPO nicht ein. Die Berufung hätte – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg5 – insoweit nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden dürfen, dass die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen.

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Die Arbeitnehmerin hat im hier entschiedenen Fall zwar den Kündigungsschutzantrag betreffend die erste Nachkündigung mit einem erst nach Ablauf der Klageerhebungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz in den Prozess eingeführt. Sie hat aber bereits durch die Aufrechterhaltung des allgemeinen Feststellungsantrags auch in der Berufungsinstanz diese Frist in Bezug auf diese Nachkündigung gewahrt. Gleiches gilt in Bezug auf die zweite Nachkündigung. Dabei ist auf der Grundlage der derzeitigen Feststellungen insoweit mangels anderweitigen Zustellnachweises unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen von einer Zustellung und Rechtshängigkeit innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auszugehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. April 2022 – 6 AZR 237/21

  1. BAG 16.12.2021 – 6 AZR 154/21[]
  2. für die Frage der Notwendigkeit der Punktualisierung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, wenn die weitere Kündigung vor diesem Zeitpunkt zugeht, ebenfalls offengelassen, dem aber zuneigend BAG 24.05.2018 – 2 AZR 67/18, Rn. 34, BAGE 163, 24; vgl. auch BAG 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 34, BAGE 146, 161[]
  3. zu diesem Begriff Niemann NZA 2021, 1378, 1379[]
  4. BAG 16.12.2021 – 6 AZR 154/21, Rn. 18 ff.[]
  5. LAG Berlin-Brandenburg 30.03.2021 – 24 Sa 2016/19[]