Aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG ergibt sich im Unkehrschluss, dass nach erfüllter Wartezeit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte eine Verringerung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 BUrlG unzulässig ist1.

Den Arbeitsvertragsparteien ist es zwar gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG iVm. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG verwehrt, den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach erfüllter Wartezeit bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte zu kürzen2. Soweit von der arbeitsvertraglich geregelten Kürzung aber der vertragliche Mehrurlaub betroffen ist, steht dem Erlöschen des Mehrurlaubs bei einem unterjährigen Ausscheiden weder § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG noch Unionsrecht entgegen3.
Die arbeitsvertragliche Bestimmung „Im Austrittsjahr erhält die Mitarbeiterin 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen ·Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in diesem Jahr. Der gesetzliche Urlaub bleibt unberührt. Zuviel erhaltenes Urlaubsentgelt ist zurückzuzahlen.“ führt nicht dazu, dass zu dem gesetzlichen Mindesturlaub weitere Urlaubstage als vertraglicher Mehrurlaub hinzutraten.
Der gesetzliche Mindesturlaub und der vertragliche Mehrurlaub sind zusammen zu betrachten. Der vertragliche Urlaubsanspruch ist gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub kein eigenständiger Anspruch, soweit sich beide Ansprüche decken4. Für einen hiervon abweichenden Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen. Solche Anhaltspunkte sind im Arbeitsvertrag der Parteien nicht ersichtlich, wenn der Arbeitsvertrag einen einheitlichen Jahresurlaubsanspruch gewährt („Der Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin beträgt 30 Werktage.“). Deshalb ist die arbeitsvertraglich geregelte Kürzung zunächst auf den Gesamturlaub anzuwenden5 und anschließend (hier: nach Satz 2 der arbeitsvertraglichen Kürzungsregelung) der gesetzliche Mindesturlaub zu gewährleisten.
Diese arbeitsvertragliche Bestimmung sind auch nicht wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB unwirksam.
Die arbeitsvertragliche Kürzungsregelung ist keiner einheitlichen Wirksamkeitskontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen, weil die Bestimmung teilbar ist.
Bei einer teilbaren Klausel ist diese Kontrolle anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB jeweils getrennt für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sein. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. Blue-Pencil-Test) zu ermitteln. Eine teilbare Formularklausel kann mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden. Darin liegt keine geltungserhaltende Reduktion, denn die Trennung ist in den vom Verwender gestellten Vertragsbedingungen bereits vorgegeben6.
Die vorstehend beschriebene arbeitsvertragliche Regelung ist – im Sinne einer in der Klausel vorgegebenen Trennung – teilbar. Satz 3 der Kürzungsbestimmung ist sprachlich und inhaltlich von deren Sätzen 1 und 2 abtrennbar. Bei Streichung von Satz 3 bleiben Satz 1 und 2 als verständliche Regelung zur Bestimmung des Umfangs des Urlaubsanspruchs bestehen. Es führt deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Sätze 1 und 2, dass Satz 3, wonach zu viel erhaltenes Urlaubsentgelt – ausnahmslos, zurückzuzahlen ist, gegen § 5 Abs. 3 BUrlG verstößt, der die Rückforderung gezahlten Urlaubsentgelts ausschließt, wenn der Arbeitnehmer im Fall des § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten hat.
Die ersten beiden Sätze der beschriebenen vertraglichen Kürzungsregelung verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen7. Die Sätze 1 und 2 der arbeitsvertraglichen Regelung sind nicht intransparent. Beide Bestimmungen sind als einheitliche Regelung zu betrachten. Indem Satz 2 die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs bei einem Ausscheiden in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres und auch im Übrigen ausschließt, stellen die beiden Sätze die Rechtslage zutreffend dar. Es bedurfte keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte zumindest ein Urlaubsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs besteht. Ein verständiger Arbeitnehmer konnte dies ohne weiteres dem Hinweis in Satz 2 entnehmen, der gesetzliche Urlaub bleibe unberührt. Das Transparenzgebot erfordert keine Klauselgestaltung, die eine einzelfallbezogene Subsumtion von vornherein entbehrlich macht. Es kann vom Klauselverwender nicht verlangt werden, die Folgen einer Vertragsbestimmung für alle denkbaren Fallgestaltungen zu erläutern8.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Mai 2019 – 9 AZR 579/16
- vgl. BAG 9.08.2016 – 9 AZR 51/16, Rn. 16 mwN[↩]
- vgl. BAG 16.12 2014 – 9 AZR 295/13, Rn. 15, BAGE 150, 207[↩]
- vgl. BAG 12.03.2013 – 9 AZR 292/11, Rn. 15[↩]
- vgl. zu tariflichen Regelungen BAG 7.08.2012 – 9 AZR 760/10, Rn. 14, BAGE 143, 1[↩]
- vgl. BAG 18.02.2014 – 9 AZR 765/12, Rn. 14 f.[↩]
- vgl. BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 32 mwN, BAGE 163, 282[↩]
- zu den Anforderungen im Einzelnen vgl. etwa BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 35 mwN, BAGE 163, 282[↩]
- vgl. BAG 26.01.2017 – 6 AZR 671/15, Rn. 23, BAGE 158, 81; BGH 25.11.2015 – VIII ZR 360/14, Rn. 17 mwN, BGHZ 208, 52[↩]
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