Lehrkräfte für besondere Aufgaben – und der befristete Arbeitsvertrag an der Hochschule

Für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags nach dem WissZeitVG ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich1.

Lehrkräfte für besondere Aufgaben – und der befristete Arbeitsvertrag an der Hochschule

Das WissZeitVG ist mit dem „Gesetz zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft“ vom 12.04.20072 beschlossen worden und am 18.04.2007 in Kraft getreten. Die am 31.08.2011 und am 18.01.2012 vereinbarten Befristungen unterfallen nicht einer der auf andere Rechtsgrundlagen verweisenden Übergangsregelungen nach § 6 WissZeitVG3.

§ 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG erlaubt für wissenschaftliches Personal, das nicht promoviert ist, eine Befristungsdauer von bis zu sechs Jahren. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG verlängert sich die insgesamt zulässige Befristungsdauer bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags möglich.

Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG eigenständig und abschließend bestimmt. Es kommt nicht auf Begriffsbezeichnungen oder Zuordnungsdefinitionen nach den landeshochschulrechtlichen Regelungen an. Die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen – hier §§ 66, 32 Abs. 3 Nr. 3 HHG – bleiben insoweit außer Betracht. Ob die dem Angestellten übertragenen Aufgaben wissenschaftlichen Zuschnitt iSd. WissZeitVG haben, richtet sich ausschließlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Die Bedeutung der landesrechtlichen Vorschriften ist darauf beschränkt, den Rahmen zu bestimmen, in dem das Land einem Angestellten bestimmte Tätigkeiten übertragen darf4.

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§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bezeichnet mit dem Ausdruck „wissenschaftliches Personal“ eine Beschäftigtengruppe, ohne diese näher zu definieren. Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ bestimmt sich inhaltlich-aufgabenbezogen. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung. Zum „wissenschaftlichen Personal“ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Das Adjektiv „wissenschaftlich“ bedeutet, „die Wissenschaft betreffend“. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern5.

Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören. Die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist dabei von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen. Bei Mischtätigkeiten ist es erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Überwiegend mit der bloßen Vermittlung von Sprachkenntnissen betraute Fremdsprachenlektoren gehören deshalb in der Regel nicht zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt6. Das bedeutet nicht, dass wissenschaftliche Lehre iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG das Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse und deren Vermittlung an die Studierenden verlangt. Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Zwecks der durch § 2 Abs. 1 WissZeitVG eröffneten besonderen Befristungsmöglichkeiten im Hochschulbereich ist jedoch nicht jede Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse als wissenschaftliche Dienstleistung anzusehen. Die Befristungsmöglichkeit in § 2 Abs. 1 WissZeitVG dient der Wahrung der durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit im Interesse der Nachwuchs- und Qualifikationsförderung und zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre7. Dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfällt auch eine Lehre, die nicht auf eigenen, neuen Forschungserkenntnissen basiert, sondern allein die ständige Reflexion fremder wissenschaftlicher Ergebnisse verlangt. Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen Wissenschaftsgebiet permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein Großteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem Grundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde8. Unter Berücksichtigung dessen ist eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt. Dies kann von dem Lehrenden allerdings nur erwartet werden, wenn ihm während seiner Arbeitszeit die Gelegenheit und insbesondere die erforderliche Zeit zu eigener Reflexion verbleibt. Die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Einrichtungen außerhalb der Dienstzeit genügt nicht9.

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Daher haben die bertragenen Tätigkeiten einer Lehrkraft für besondere Aufgaben, die den Umfang von 50 vH einer Vollzeitkraft einnehmen, wissenschaftlichen Zuschnitt.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der abgeschlossenen Befristungsabrede und damit auch für die Frage, ob die geschuldete Tätigkeit wissenschaftlichen Zuschnitt hat, kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Lehrerin im Rahmen der Tätigkeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen hatte, kommt es daher darauf an, welche Tätigkeiten der Lehrerin nach den Vereinbarungen bei Abschluss des befristeten Änderungsvertrags übertragen werden sollten.

Das beklagte Land hat es nicht in der Hand, die Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit eines Mitarbeiters durch eine nachträgliche einseitige Modifizierung der Tätigkeitsbeschreibung herbeizuführen. Auch wenn der Arbeitsvertrag bestimmt, dass sich Art und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben nach der ausgehändigten Arbeitsplatzbeschreibung richten und die Festlegung der Aufgaben unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen steht, ermöglicht dies zwar dem Land als Arbeitgeber, der Arbeitnehmerin im Rahmen des ihm zustehenden Direktionsrechts andere Aufgaben zuzuweisen. Davon umfasst ist jedoch nicht die Umgestaltung einer bisher nicht wissenschaftlichen Tätigkeit in eine Tätigkeit mit wissenschaftlichem Gepräge. Für die Zuordnung zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG ist es ebenso unbeachtlich, ob die vorgegebene Arbeitsplatzbeschreibung von der Lehrerin tatsächlich umgesetzt wurde. Anderenfalls könnte erst aufgrund der im Einzelfall erbrachten Leistungen festgestellt werden, ob ein Mitarbeiter zum „wissenschaftlichen Personal“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört oder nicht.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Januar 2016 – 7 AZR 376/14

  1. vgl. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 15; 2.09.2009 – 7 AZR 291/08, Rn. 10, BAGE 132, 54[]
  2. BGBl. I S. 506[]
  3. vgl. hierzu BAG 24.08.2011 – 7 AZR 228/10, Rn.19, BAGE 139, 109; 1.06.2011 – 7 AZR 827/09, Rn. 16 f., BAGE 138, 91[]
  4. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn.20[]
  5. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 21 mwN; 1.06.2011 – 7 AZR 827/09, Rn. 35, BAGE 138, 91; 19.03.2008 – 7 AZR 1100/06, Rn. 33, BAGE 126, 211[]
  6. vgl. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 22; 1.06.2011 – 7 AZR 827/09, Rn. 35 bis 45 mwN, BAGE 138, 91[]
  7. BT-Drs. 15/4132 S. 17[]
  8. vgl. BVerfG 13.04.2010 – 1 BvR 216/07, Rn. 50, BVerfGE 126, 1; BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13 – aaO mwN[]
  9. BAG 29.04.2015 – 7 AZR 519/13, Rn. 23[]