In Tarifverträgen können betriebliche Einrichtungen, wie paritätische Kommissionen, oder andere Stellen geschaffen werden, denen die Aufgabe eines Schiedsgutachters bei der Leistungsbeurteilung von Arbeitnehmern zukommt. Die Entscheidung einer paritätischen Kommission ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB nur eingeschränkt überprüfbar.

Die gerichtliche Überprüfung einer solchen Entscheidung richtet sich zunächst darauf, ob diese im tariflich vorgesehenen Verfahren ergangen ist und die zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Verfahrensfehler sind beachtlich, wenn sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben können. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die wertende und beurteilende Entscheidung der Kommission entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB grob unrichtig ist. Ist die Entscheidung einer paritätischen Kommission unverbindlich, ist in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB die Leistungsbeurteilung durch das Gericht vorzunehmen.
Die Entscheidung der paritätischen Kommission (hier: nach dem Entgeltrahmenabkommen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12 2003, ERA-TV NRW) ist ohne eine hinreichende Begründung unverbindlich. In diesem Fall ist die Leistungsbeurteilung entsprechend §§ 317, 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch das Gericht vorzunehmen und eine Gesamtpunktzahl festzusetzen.
Nach § 10 ERA-TV NRW stellt die Leistungsbeurteilung und die sich aus ihr ergebende Gesamtpunktsumme die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Leistungszulage dar (§ 10 Nr. 10 ERA-TV NRW). Die einzelnen Beurteilungsmerkmale bilden hingegen lediglich Elemente der Gesamtbeurteilung, ohne dass diesen für die Höhe der Leistungszulage unmittelbare Bedeutung zukommt.
Die Leistungsbeurteilung kann vom Beschäftigten oder vom Betriebsrat beim Arbeitgeber beanstandet werden. Solche Beanstandungen sind sodann in der paritätischen Kommission zu behandeln (§ 10 Nr. 14 Abs. 1 und Abs. 3 ERA-TV NRW). Aufgrund deren Entscheidung über die Beanstandungen – oder im Fall der Nichteinigung der paritätischen Kommission der Entscheidung der dann gemäß § 10 Nr. 14 Abs. 6 und Abs. 7 ERA-TV NRW berufenen Stellen – ergibt sich die endgültige Gesamtpunktsumme und damit die Höhe der Leistungszulage (§ 10 Nr. 14 Abs. 9 ERA-TV NRW). Greift der Beschäftigte das dort gefundene Ergebnis an, ist diese Festsetzung Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Prüfungsgegenstand ist danach die Entscheidung der paritätischen Kommission und nicht mehr die ursprüngliche Beurteilung1.
Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall wurde die Leistungsbeurteilung aufgrund der Beanstandungen der Arbeitnehmerin durch die im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete paritätische Kommission überprüft und im Ergebnis die Gesamtpunktzahl auf 24 Punkte heraufgesetzt. Diese nach § 10 Nr. 14 ERA-TV NRW getroffene Entscheidung ist in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB grundsätzlich nur auf grobe Unrichtigkeit zu überprüfen. Die angegriffene Entscheidung hält auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand, da es ihr an einer Begründung fehlt. Sie ist daher unverbindlich.
Die Entscheidung einer paritätischen Kommission nach § 10 Nr. 14 ERA-TV NRW ist nur eingeschränkt dahin gehend zu überprüfen, ob sie in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB im tariflich vorgesehenen Verfahren ergangen ist und ob ihre wertende und beurteilende Entscheidung grob unrichtig iSv. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist.
Nach § 10 Nr. 14 Abs. 1 ERA-TV NRW „können“ Beanstandungen der Leistungsbeurteilung innerhalb bestimmter Fristen durch den Beschäftigten oder den Betriebsrat beim Arbeitgeber angebracht werden. Während sich der Arbeitnehmer gegen eine aus seiner Sicht zu schlechte Beurteilung wenden wird, kann der Betriebsrat – der auch die kollektiven Interessen der Belegschaft in den Blick zu nehmen hat – sowohl eine zu niedrige als auch eine zu hohe Bewertung beanstanden. Solche Beanstandungen sind zunächst in einer paritätischen Kommission – bestehend aus je zwei von Arbeitgeber und Betriebsrat benannten Betriebsangehörigen, zu behandeln. Nur wenn diese Kommission zu keinem Ergebnis kommt, erfolgt die Behandlung – wiederum paritätisch – durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Kommen die Betriebsparteien ebenfalls zu keinem einvernehmlichen Ergebnis über die Beanstandungen, entscheidet die tarifliche Einigungsstelle nach § 24 des Einheitlichen Manteltarifvertrags2.
Nach den tariflichen Bestimmungen ist damit zunächst ein zwingendes innerbetriebliches bzw. tarifliches Einspruchsverfahren zu durchlaufen, wenn ein Beschäftigter oder der Betriebsrat von seinem Beanstandungsrecht Gebrauch macht. Hiervon gehen auch die Parteien aus. Erst wenn in diesen Verfahren eine Entscheidung ergangen ist, kann – wie aus § 10 Nr. 14 Abs. 8 ERA-TV NRW deutlich wird – das jeweilige Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Dabei bringt die Norm durch den Verweis auf §§ 101 ff. ArbGG bzw. § 76 Abs. 5 BetrVG zum Ausdruck, dass sowohl die innerbetriebliche Entscheidung als auch die der tariflichen Einigungsstelle nur einer eingeschränkten Überprüfung unterliegen soll3. Die Tarifvertragsparteien haben den zur Entscheidung über die Beanstandung einer Leistungsbeurteilung berufenen Stellen damit die Funktion eines Schiedsgutachters übertragen. Dies ist zulässig.
In Tarifverträgen können betriebliche Einrichtungen, wie paritätische Kommissionen, oder andere Stellen geschaffen werden, denen die Aufgabe eines Schiedsgutachters zukommt. Derartige Schiedsgutachtenvereinbarungen binden ausschließlich materiell-rechtlich und verstoßen daher nicht gegen das im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 101 ArbGG mit wenigen Ausnahmen geltende Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit4. Eine unzulässige Schiedsgerichtsvereinbarung liegt erst dann vor, wenn der dritten Stelle nicht nur die Feststellung von Tatsachen, sondern darüber hinaus auch deren verbindliche Subsumtion unter einzelne Tatbestandsmerkmale – etwa im Bereich der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe – übertragen wird5.
Nach diesen Grundsätzen ist die tarifliche Regelung nicht zu beanstanden. Die Bewertung der Leistung eines Arbeitnehmers mit einer bestimmten Zahl von Punkten ist die Feststellung einer Tatsache aufgrund einer Beurteilung, nicht die Entscheidung einer Rechtsfrage. Die Beurteilung ist ein Akt wertender Erkenntnis, bei der dem Beurteilenden ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es erfolgt insofern keine Subsumtion von bestimmten Tatsachen unter eine Rechtsnorm6.
Solche durch Entscheidungen paritätischer Kommissionen ergangenen Schiedsgutachten sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB nur eingeschränkt zu überprüfen.
Die Überprüfung richtet sich zunächst darauf, ob die Entscheidung im tariflich vorgesehenen Verfahren ergangen ist und die zugrunde liegenden Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Verfahrensfehler sind beachtlich, wenn sie sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben können; die Entscheidung ist dann unverbindlich7.
In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die wertende und beurteilende Entscheidung der Kommission entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB grob unrichtig ist. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften erfolgt, weil die paritätische Kommission keine Ermessensentscheidung, sondern auf der Grundlage ihres besonderen Sachverstands eine „richtige“ Tatsachenfeststellung zu treffen hat, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient8. Eine Leistungsbestimmung im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 319 BGB ist unverbindlich, wenn sie grob unbillig ist. Da die in einem Schiedsgutachten getroffene Feststellung als solche nicht „unbillig“ sein kann, sondern nur darauf zu überprüfen ist, ob sie den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kann sie bei entsprechender Anwendung des § 319 BGB nur dann nicht verbindlich sein, wenn sie offenbar unrichtig ist9. Die offenbare Unrichtigkeit steht insoweit der offenbaren Unbilligkeit gleich10.
Die Entscheidung der paritätischen Kommission im vorliegenden Fall ist nach diesen Maßstäben unverbindlich. Zwar ist sie im vorgesehenen Verfahren ergangen. Es fehlt ihr aber an einer Begründung.
Das nach den tariflichen Bestimmungen vorgesehene Verfahren wurde eingehalten. Insbesondere war die paritätische Kommission vorschriftsmäßig besetzt.
Nach § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW können die Beauftragten des Arbeitgebers, die nach Nr. 7 tätig geworden sind, nicht Mitglieder der paritätischen Kommission werden. Ausgeschlossen sind damit nur solche Beauftragte des Arbeitgebers, die die konkrete Leistungsbeurteilung, deren Beanstandung vor der paritätischen Kommission behandelt wird, vorgenommen haben. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm.
Der Wortlaut der Regelung, von dem vorrangig auszugehen ist11, ist nicht eindeutig. Nach § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW können „die Beauftragten des Arbeitgebers, die nach Nr. 7 tätig geworden sind“ nicht Mitglieder der paritätischen Kommission werden. Die Norm selbst bestimmt den Kreis der ausgeschlossenen Mitglieder damit nicht. In § 10 Nr. 7 ERA-TV NRW selbst sind Beauftragte des Arbeitgebers nicht erwähnt. Die Bestimmung regelt lediglich dessen Pflicht, einmal im Kalenderjahr, spätestens aber 18 Monate nach der letzten Beurteilung, das Leistungsverhalten aller Beschäftigten beurteilen zu lassen. Allerdings könnte die Verwendung des Plurals in § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW dafür sprechen, dass – wie die Revision annimmt – sämtliche Personen, die überhaupt einmal oder jedenfalls im konkreten Beurteilungsturnus Beurteilungen vorgenommen haben, von der Mitgliedschaft in der paritätischen Kommission ausgeschlossen sein sollen. Ebenso wenig ist aber durch den Wortlaut ein Verständnis ausgeschlossen, wonach dieser Ausschlussgrund zwar grundsätzlich für alle Beurteilenden gilt, aber nur dann relevant wird, wenn die streitgegenständliche Beurteilung durch das Mitglied der paritätischen Kommission erfolgte.
Die Tarifsystematik und der tarifliche Gesamtzusammenhang sprechen – wovon das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeht – gegen die von der Revision vertretene Auffassung. Der Begriff „die Beauftragten“ wird auch in § 10 Nr. 3 Abs. 1 ERA-TV NRW verwendet. Danach wird für jeden Beschäftigten, der einer Leistungsbeurteilung unterliegt, eine Beurteilungskarte angelegt, auf der das Ergebnis der Beurteilung für den Beurteilungszeitraum einzutragen ist. Die Leistungsbeurteilung erfolgt durch Beauftragte des Arbeitgebers, die die Karte zu unterzeichnen haben. Im Sinne dieser Norm sind „die Beauftragten des Arbeitgebers“ somit diejenigen Personen, die jeweils die Leistungsbeurteilung einer konkreten Person vornehmen. Die Verwendung des Plurals dient hier lediglich der Verdeutlichung, dass der Arbeitgeber eine abstrakte Anzahl von Beauftragten zur Beurteilung einsetzen darf. Zwar nimmt § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW nicht unmittelbar auf Nr. 3 Bezug; durch Nr. 7 erfolgt aber – wie dargelegt – keine Begriffsklärung, sondern diese ergibt sich erst im Zusammenspiel dieses Normteils mit § 10 Nr. 3 ERA-TV NRW. Dies spricht deutlich dafür, dass die Verwendung des Plurals in § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW lediglich dazu dient, die potentiell unbestimmte Anzahl der Beauftragten herauszustellen.
Gegen das von der Revision vertretene weite Verständnis spricht in systematischer Hinsicht auch, dass umfassende Regelungen zur Mitgliedschaft in den paritätischen Kommissionen und möglichen Fällen der Befangenheit fehlen. Hätten die Tarifvertragsparteien jede auch nur entfernt mögliche Interessenkollision ausschließen wollen, hätten sie auch Regelungen über den Ausschluss der durch den Betriebsrat benannten Mitglieder für den Fall treffen müssen, dass der Betriebsrat nach § 10 Nr. 14 Abs. 1 ERA-TV NRW Beanstandungen gegen eine Leistungsbeurteilung erhebt. Solche Bestimmungen enthält der Tarifvertrag nicht.
Sinn und Zweck des § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW sprechen für ein enges Verständnis der Norm.
Paritätische Kommissionen werden durch die Tarifvertrags- oder Betriebsparteien eingerichtet, um eine Überprüfung von im Betrieb getroffenen Entscheidungen, wie hier der Leistungsbeurteilung, vorzunehmen oder solche erstmals zu treffen, wie beispielsweise durch eine Prämienkommission im betrieblichen Vorschlagswesen. Die Entscheidung soll dabei betriebsnah und fachkundig durch Personen erfolgen, denen die betrieblichen Verhältnisse bekannt und die mit den jeweiligen Sachverhalten vertraut sind12. Um diesem Zweck gerecht zu werden, liegt es nahe, auch solche Personen in die paritätische Kommission zu entsenden, die das Beurteilungsverfahren und seine spezifischen Schwierigkeiten aus eigener praktischer Anschauung kennen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die paritätische Kommission eine eigene Entscheidung zu treffen und nicht nur etwa eine Art Rechtskontrolle der zu überprüfenden Beurteilung vorzunehmen hat. Zwar könnte die Regelung – wie die Revision meint – den Sinn haben, die Überprüfung durch eine paritätische Kommission vornehmen zu lassen, die mit Personen besetzt ist, die mit den Beurteilungen im jeweiligen Turnus überhaupt noch nicht befasst waren, etwa, um einen völlig unverstellten Blick zu ermöglichen. Unabhängig von der dann möglicherweise fehlenden Sachkunde spricht hiergegen aber deutlich das oben dargelegte Fehlen einer entsprechenden Regelung für die vom Betriebsrat benannten Mitglieder.
Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW den Zweck verfolgt, den Wechsel der Mitglieder der paritätischen Kommission pro Beurteilungsturnus gering zu halten, etwa, um eine Konsistenz in der Entscheidungsfindung zu wahren. Bei einem derart verstandenen Zweck würde es zwar Sinn machen, sämtlichen Beurteilern im Beurteilungsturnus die Stellung als Mitglied in der paritätischen Kommission zu verwehren, um die Gefahr einer Verhinderung wegen Befangenheit auszuschließen. Gegen einen derartigen Zweck spricht jedoch insbesondere, dass die Tarifvertragsparteien auch ansonsten keinerlei Regelung getroffen haben, die den Wechsel bzw. Austausch der Kommissionsmitglieder eingrenzen. Im Übrigen würde sich eine ähnliche Problematik auf Seiten der betriebsrätlichen Kommissionsmitglieder ergeben, wenn ein solches Mitglied seine Beurteilung beanstandet hat.
Ein zweckentsprechendes Verständnis bekommt die Norm hingegen, wenn man sie als konkrete Befangenheitsregelung für die arbeitgeberseitigen Kommissionsmitglieder ansieht. Für den praktisch bedeutsamsten Fall einer konkreten Interessenkollision haben die Tarifvertragsparteien damit den Ausschluss derjenigen Personen festgelegt, die selbst die Beurteilung nach § 10 Nr. 7 ERA-TV NRW vorgenommen haben, ohne dass im Einzelfall noch Streit über deren Unparteilichkeit und Entscheidungsbefugnis entstehen könnte.
Das von der Arbeitgeberin für die paritätische Kommission benannte Mitglied B hat die Beurteilung der Arbeitnehmerin nicht vorgenommen; dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Herr B war daher nach § 10 Nr. 14 Abs. 5 ERA-TV NRW nicht gehindert, über die Beanstandungen der Arbeitnehmerin gegen deren Leistungsbeurteilung mit zu entscheiden.
Die Entscheidung der paritätischen Kommission ist allerdings wegen eines groben Verfahrensverstoßes unverbindlich, da sie nicht begründet ist.
Die gerichtliche Kontrolle von Schiedsgutachten bezieht sich auf Entscheidungsvorgang und Entscheidungsbegründung. Es ist nicht nur dann offenbar unrichtig, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – sei es auch erst nach eingehender Prüfung – offensichtliche Fehler aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen, sondern auch dann, wenn die Ausführungen so lückenhaft sind, dass selbst der Fachmann das Ergebnis aus dem Zusammenhang des Gutachtens nicht überprüfen kann13. Falsche oder fehlende Erwägungen machen das Gutachten daher unrichtig14. Auch im Hinblick auf das Verbot der Schiedsgerichtsvereinbarung muss im Arbeitsrecht nachvollziehbar sein, welche Tatsachenfeststellungen die Gutachtenstelle getroffen hat und inwieweit sie diese ihrer Entscheidung zugrunde legt. Allerdings dürfen die Anforderungen an die Begründung von Kommissionsentscheidungen nicht überspannt werden. Diese haben den Vorteil, betriebsnah zu sein und in den Entscheidungsprozess Personen, denen die betrieblichen Verhältnisse bekannt sind, einzubeziehen. Würde man ihnen eine Begründungspflicht auferlegen, die der einer gerichtlichen Entscheidung nahekommt, würde das Verfahren zu umständlich werden. Es entstünden damit Hemmungen, auf diesen praktikablen Konfliktregelungsmechanismus zurückzugreifen. Unverzichtbar ist jedoch eine nachvollziehbare Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die getroffene Entscheidung beruht. Nur so kann die Kommissionsentscheidung gegenüber den Arbeitsvertragsparteien überzeugend wirken und nur so ist es dem Gericht möglich festzustellen, ob die Entscheidung grob unrichtig ist15.
Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung der paritätischen Kommission nicht. Die paritätische Kommission hat nicht dargestellt, auf welche Tatsachen sie ihre Entscheidung, die Leistung der Arbeitnehmerin bei den Beurteilungsmerkmalen „Kooperation/Führungsverhalten“ und „Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten“ jeweils mit 6 Punkten zu bewerten und damit die Gesamtbewertung auf 24 Punkte festzusetzen, gestützt hat. Eine derartige Begründung findet sich insbesondere nicht im Protokoll vom 15.08.2013 über ihre Sitzung. Dort wird nur aufgelistet, auf welche Kategorien sich die Beanstandung der Arbeitnehmerin bezieht und zu welchem Ergebnis die Kommission „nach ausführlicher Diskussion“ gekommen ist. Inhalte der Diskussion oder Elemente der Begründung der gefundenen Entscheidung finden sich in dem Protokoll nicht. Auch ist nicht erkennbar, ob und ggf. in welchem Umfang sich die Kommission Argumente aus der Beanstandung der Arbeitnehmerin oder der eingeholten Stellungnahme ihres Vorgesetzten zu Eigen gemacht hat. Die Entscheidung ist damit wegen fehlender Begründung unverbindlich.
Aufgrund der Unverbindlichkeit der Entscheidung der paritätischen Kommission ist in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch das Gericht die Leistungsbeurteilung für den Streitzeitraum vorzunehmen und die Gesamtpunktzahl festzusetzen. Dies hat das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht gemacht. Das Bundesarbeitsgericht kann mangels ausreichender Feststellungen in der Sache nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Wendet sich ein Beschäftigter gegen die Leistungsbeurteilung, haben im Fall der Unverbindlichkeit der Entscheidung einer paritätischen Kommission nach § 10 Nr. 14 ERA-TV NRW die damit befassten Arbeitsgerichte die Beurteilung vorzunehmen und im Rahmen der erfolgten Beanstandungen die Gesamtpunktsumme festzusetzen. Der Ausspruch des Gerichts tritt an die Stelle der Entscheidung der paritätischen Kommission16. Einer nochmaligen Überprüfung durch die Schiedsgutachterstelle steht grundsätzlich das arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgebot des § 9 ArbGG entgegen17. Auch § 10 ERA-TV NRW enthält keine Regelung, die eine erneute Befassung durch die paritätische Kommission vorsehen oder auch nur erlauben würde. Vielmehr ist durch die einvernehmliche Entscheidung einer paritätischen Kommission oder einer anderen in § 10 Nr. 14 ERA-TV NRW genannten Stelle das tarifliche Einspruchsverfahren abgeschlossen und Beschäftigten, Betriebsrat oder Arbeitgeber der Rechtsweg eröffnet (§ 10 Nr. 14 Abs. 8 ERA-TV NRW).
Das Bundesarbeitsgericht kann mangels ausreichender Feststellungen in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Leistungsbeurteilung entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten18. Eine Entscheidung durch das Revisionsgericht kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn alle maßgeblichen Tatsachen feststehen19. Hieran fehlt es vorliegend, da das Landesarbeitsgericht keine hinreichenden Feststellungen zu der Leistung der Arbeitnehmerin im Beurteilungszeitraum hinsichtlich der beiden beanstandeten Beurteilungsmerkmale getroffen hat, die die Festsetzung einer Gesamtpunktzahl durch das Bundesarbeitsgericht zuließen.
Für das weitere Verfahren weist das Bundesarbeitsgericht auf Folgendes hin:
Die richterliche Ersatzbestimmung in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB ist vom Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen20. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht insoweit nicht, doch ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann21.
Die gerichtliche Bestimmung entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB tritt – wie dargelegt – an die Stelle der Entscheidung der paritätischen Kommission. Diese wiederum entscheidet nach den tariflichen Bestimmungen über die Beanstandungen der Arbeitnehmerin. Da eine Beanstandung durch den Betriebsrat nach § 10 Nr. 14 Abs. 1 ERA-TV NRW nicht erfolgt ist, bestimmt alleine die Beanstandung der Arbeitnehmerin, hinsichtlich welcher Beurteilungsmerkmale und Bewertungen eine Überprüfung der Leistungsbeurteilung vorzunehmen ist. In diesem Rahmen hat die paritätische Kommission die Gesamtpunktzahl der Leistungsbeurteilung festgesetzt. Da diese Entscheidung insgesamt unverbindlich ist, tritt nunmehr sowohl hinsichtlich des Beurteilungsmerkmals „Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten“ als auch für das Beurteilungsmerkmal „Kooperation/Führungsverhalten“ – das von den Betriebsparteien erkennbar synonym zum tariflichen Merkmal „Zusammenarbeit/Führungsverhalten“ verwendet wird – die gerichtliche Bestimmung entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB an deren Stelle. Dabei besteht eine Bindung an die Festsetzung von 6 Punkten bzw. 4 Punkten hinsichtlich dieser Kriterien in der Leistungsbeurteilung im Sinne einer Untergrenze. An die Festsetzung von jeweils 6 Punkten hinsichtlich der Kriterien, die mangels Beanstandung nicht Gegenstand des Verfahrens vor der paritätischen Kommission waren, bleibt das Gericht ebenfalls gebunden. Hingegen ist die durch die paritätische Kommission erfolgte Erhöhung der Punktzahl hinsichtlich des Beurteilungsmerkmals „Kooperation/Führungsverhalten“ für das Gericht nicht maßgeblich, da die Entscheidung insgesamt und deshalb auch insoweit unverbindlich ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat das Gericht dann eine Gesamtpunktzahl festzusetzen.
Bei der Würdigung des zu erwartenden Vortrags der Parteien wird die von den Tarifvertragsparteien getroffene materiell-rechtliche Wertung, welche Leistung von einem durchschnittlich geeigneten Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist (vgl. § 10 Nr. 2 Abs. 1 ERA-TV NRW), zu berücksichtigen sein22. Dabei gehen die Tarifvertragsparteien von einer Gesamtsumme der betrieblichen Leistungszulagen von ca. 10 % der tariflichen Monatsgrundentgeltsumme aus. Dieser Richtwert wird tariflich auch angesetzt, wenn ein Beschäftigter noch nicht beurteilt wurde (§ 10 Nr. 6 Abs. 2 Satz 2 ERA-TV NRW). Rechnerisch kann für den einzelnen Beschäftigten ein Leistungsentgelt von maximal 20 % des tariflichen Monatsgrundentgelts erreicht werden (vgl. § 10 Nr. 10 Abs. 1 ERA-TV NRW beim maximalen Wert von 32 Punkten, zusammengesetzt aus 4 Beurteilungsmerkmalen zu jeweils 8 Punkten gemäß § 10 Nr. 8 und Nr. 9 ERA-TV NRW).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Mai 2016 – 10 AZR 183/15
- vgl. im Fall der Entscheidung einer paritätischen Kommission über einen Verbesserungsvorschlag BAG 16.12 2014 – 9 AZR 431/13, Rn. 29[↩]
- EMTV NRW[↩]
- vgl. zur Bedeutung eines Verweises auf § 101 ArbGG schon BAG 22.01.1997 – 10 AZR 468/96, zu III 2 d der Gründe[↩]
- st. Rspr., zuletzt zB BAG 16.12 2014 – 9 AZR 431/13, Rn. 26 f. mwN[↩]
- BAG 20.01.2004 – 9 AZR 393/03, zu B I 2 der Gründe mwN, BAGE 109, 193[↩]
- vgl. zu § 17.02.6 ERA-TV BW BAG 18.06.2014 – 10 AZR 699/13, Rn. 39, 45, BAGE 148, 271; ebenso schon zur Leistungszulage nach § 5 des Gehaltsrahmenabkommens vom 19.02.1975 für die Angestellten der Eisen, Metall, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW BAG 22.01.1997 – 10 AZR 468/96, zu III 2 d der Gründe[↩]
- BAG 20.01.2004 – 9 AZR 393/03, zu B I 4 der Gründe, BAGE 109, 193[↩]
- vgl. hierzu allgemein BGH 4.07.2013 – III ZR 52/12, Rn. 27; Staudinger/Rieble (2015) § 317 Rn. 21; MünchKomm-BGB/Würdinger 7. Aufl. § 317 Rn. 38[↩]
- BAG 18.12 1980 – 2 AZR 934/78, zu II 2 b der Gründe, BAGE 34, 365; BGH 17.01.2013 – III ZR 10/12, Rn. 13, 16; Dahme Paritätische Kommissionen in Tarifverträgen S. 58, 183[↩]
- Erman/J. Hager BGB 14. Aufl. § 319 Rn. 3; Staudinger/Rieble § 319 Rn. 9; MünchKomm-BGB/Würdinger § 319 Rn. 14[↩]
- st. Rspr., zuletzt zB BAG 13.01.2016 – 10 AZR 42/15, Rn. 15[↩]
- vgl. zu diesem Aspekt unter anderem Blickwinkel: BAG 17.03.2005 – 8 AZR 179/04, zu II 2 d der Gründe; 20.01.2004 – 9 AZR 393/03, zu B I 4 der Gründe, BAGE 109, 193[↩]
- vgl. BGH 27.06.2001 – VIII ZR 235/00, zu II 2 a der Gründe mwN[↩]
- Staudinger/Rieble § 319 Rn. 9; MünchKomm-BGB/Würdinger § 319 Rn. 17; Bamberger/Roth/Gehrlein BGB 3. Aufl. § 319 Rn. 4; Palandt/Grüneberg 75. Aufl. § 319 BGB Rn. 5a[↩]
- BAG 17.03.2005 – 8 AZR 179/04, zu II 2 d der Gründe mwN; 20.01.2004 – 9 AZR 393/03, zu B I 4 der Gründe mwN, BAGE 109, 193[↩]
- vgl. zur Festsetzung einer Prämie für einen Verbesserungsvorschlag BAG 16.12 2014 – 9 AZR 431/13, Rn. 30 mwN[↩]
- vgl. BAG 17.03.2005 – 8 AZR 179/04, zu II 2 e der Gründe; 20.01.2004 – 9 AZR 393/03, zu B II der Gründe, BAGE 109, 193[↩]
- Staudinger/Rieble § 319 Rn. 44; vgl. zur Leistungsbestimmung nach § 315 BGB BAG 15.05.2013 – 10 AZR 679/12, Rn. 35 mwN[↩]
- vgl. zu einem solchen Fall bei der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB BAG 11.12 2013 – 10 AZR 364/13, Rn. 30[↩]
- vgl. zur Ersatzleistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 3 BGB: BGH 8.11.2011 – EnZR 32/10, Rn. 24; 20.07.2010 – EnZR 23/09, Rn. 39[↩]
- Staudinger/Rieble § 317 Rn. 38, § 315 Rn. 521[↩]
- vgl. zu Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast nach ERA-TV BW BAG 18.06.2014 – 10 AZR 699/13, Rn. 41 ff., BAGE 148, 271[↩]